7. Dezember 2013
In die Medienlandschaft der frühen Bundesrepublik, die von Film, Funk und Presse dominiert wurde, trat am 25.12.1952 das Fernsehen mit einem ersten regelmäßigen Programm von 20.00 bis 22.00 Uhr. Doch die »Attacke der leichten Kavallerie« (James Joyce) wurde zunächst kaum wahrgenommen: weder von der Bevölkerung, noch von der Filmindustrie. Das zweitägige Eröffnungsprogramm des NWDR-Fernsehens bestand aus Eröffnungsansprachen, zwei Fernsehspielen, der Übertragung des DFB-Pokalfinales, der ersten Tagesschau und einer Unterhaltungsshow mit Peter Frankenfeld. Eine der bekanntesten Reaktionen auf diesen Programm-Cocktail war das Telegramm des Bundestagspräsidenten Hermann Ehlers an den zuständigen Programmdirektor: »Sah eben ihr Fernsehprogramm. Bedaure, dass Technik uns keine Mittel gibt, darauf zu schießen« (Spiegel 7/1953: 32).

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22. November 2013
In den 1950er Jahren wurden viele Grundsteine für die deutsche Medienlandschaft der nachkommenden Jahrzehnte gelegt (vgl. die Tabelle weiter unten): In dieser Zeit erschienen die ersten Ausgaben noch heute marktprägender Printmedien, das neue Medium des Fernsehens schickte sich an, die Wohnzimmer zu erobern, und der öffentliche Rundfunk strukturierte sich. Mögen die 1950er Jahre im allgemeinen auch als biederes Jahrzehnt gelten – in Sachen Medienentwicklung waren sie alles andere als zahnlos. Grund genug für eine Rückschau, in der es in diesem Teil zunächst um die fernsehlose Gesellschaft der beginnenden 50er Jahre geht.

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13. September 2013
Hans Magnus Enzensberger hat gestern (ausgerechnet) bei Beckmann (Video) seine in vielen Belangen kritische Position gegenüber den Online-Technologien erneuert. Und natürlich lässt sich Enzensberger auf der einen Seite – wie auch schon Habermas – unterstellen, dass er das Internet nicht (mehr) in all seinen Aspekten durchdringen kann, da er nach eigener Aussage vorwiegend »analog« lebt.
Auf der anderen Seite aber ermöglicht vielleicht gerade diese Abstinenz auch einen anderen Blick auf die »digitale Revolution« und damit die Benennung von Problemstellungen, gegenüber denen die Alltagsnutzer des (Social) Webs im Sinne Marshall McLuhans möglicherweise mehr oder minder blind geworden sind.
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1. September 2013
Vor genau 30 Jahren, am 1. September 1983, führte die Deutsche Bundespost den Bildschirmtext ein. Anlässlich dieses Jubiläums nachfolgend eine kleine Reise in die Vergangenheit (aus: Wiederkehrende Erwartungen: Visionen, Prognosen und Mythen um neue Medien seit 1970) …
Der Bildschirmtext (Btx) sollte ab 1980 [.] die »größte Informationsrevolution seit der Erfindung des Buchdrucks« sowie den Abschied von Druck bzw. Papier einläuten (Spiegel 1980b: 142), für den »informierten Bürger« eine ideale Möglichkeit bieten, um »an wesentlichen Entscheidungen unmittelbar teilzunehmen« (Haefner 1984: 290) und nach Eindruck nicht weniger Beobachter zu einer bedeutsamen Konkurrenz für die klassischen Massenmedien werden (Quandel/Tonnemacher 1983; kritisch: Ratzke 1981).
Angesichts solcher Hyperbeln erscheint es kaum verwunderlich, dass sich fast alle großen massenmedialen Anbieter mit Inhalten an den Btx-Feldversuchen der frühen 1980er Jahre beteiligten, zumal eine von der Deutschen Bundespost in Auftrag gegebene Untersuchung für 1986 mit 1 Mio. und für 1989 mit über 3 Mio. Btx-Nutzern rechnete (Königshausen 1993). Eine unabhängige wissenschaftliche Begleitstudie ging zwar von einer weniger steilen Diffusionskurve aus, teilte aber die Ansicht, dass Btx auf lange Sicht zu einem Massendienst avancieren würde (Seetzen et al. 1983; Fromm 2000).
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6. Juli 2013
Herr B. lebt in den 2000ern – in der »perfekten elektronisch gesteuerten Welt, in der Mikrofone für ihn hören und Kameras für ihn sehen«. Und manchmal fühlt er sich in dieser Welt »schrecklich einsam«, »aber dann nimmt er schnell eine Tablette Optimum 10 und fühlt sich besser«. Er ist der fiktive Protagonist einer ZDF-Dokumentation aus dem Jahre 1972, die sich mit dem Alltagsleben der Zukunft beschäftigt.
Dabei nimmt sich Richtung 2000 – Vorschau auf die Welt von morgen für die heutigen Sehgewohnheiten mitunter übermäßig viel Zeit und beschreibt minutiös den Tagesablauf von Herrn B., der an elektronischen Schaltpulten Teleshopping betreibt, seinem Chef per Bildtelefon mitteilt, dass er später zur Arbeit (25-Stunden-Woche, Rente mit 50) kommen wird, via riesigem Flachbildschirm zwischen unglaublichen 15 Fernsehprogrammen umherschaltet, nach biologischen Methoden angebautes Essen zu sich nimmt und in einer Welt, in der »Umweltverschmutzung per Gesetz verboten« ist, via Hochgeschwindigkeitszug und Konservenauto zur Arbeit fährt. Herr B. arbeitet übrigens als Administrator für Computersysteme, die »für alle Entscheidungen in Politik oder Wirtschaft blitzschnell exakte Unterlagen« liefern.
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16. Juni 2013
Das letzten Sommer erschienene Büchlein »Wiederkehrende Erwartungen: Visionen, Prognosen und Mythen um neue Medien seit 1970« gibt es nun auch als E-Book für den Amazon Kindle – und zwar für 5,99 € (statt gedruckt für 11,90 €). Als ›Teaser‹ gibt es an dieser Stelle erneut ein paar Ausschnitte aus Einleitung und Schluss:
»Das Morgen ist schon im Heute vorhanden« (Jungk 1952: 17) – sei es in Form von Prophetien oder Weissagungen, die bereits frühen Gesellschaften dabei helfen sollten, ihre Umwelt kontrollierbarer zu machen (Elias 2001: 118), oder als »kritische und systematische Beschäftigung mit der Zukunft« (Flechtheim 1972: 11), wie sie sich seit den 1950er Jahren in den Industrienationen etabliert hat. Ohne Orientierung an der Vergangenheit (Identität) und Zukunft (Kontingenz) können weder Bewusstseins- noch Kommunikationssysteme operieren, ohne Erwartungen können Organisationen keine Entscheidungen treffen (Luhmann 1997: 149). Und da sich seit gut vier Jahrzehnten der Eindruck gewinnen lässt, dass die Gesellschaft in einem immer rascheren Takt von kommunikationstechnischen Innovationen überrollt wird, scheint in diesem Bereich der Bedarf an Auguren unerschöpflich zu sein: Nicht erst seit der Etablierung des Web werden regelmäßig apologetische und apokalyptische Erwartungen formuliert, die neuen Medien radikale Effekte in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen zuschreiben (vgl. schon: Bagdikian 1971). […]
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21. Mai 2013
Wer Lewis Mumfords »The Myth of the Machine« (1967/70; dt. 1974) kennt, braucht in Sachen Technikskepsis die Schirrmachers und Spitzers unserer Zeit nicht mehr zu lesen: Mumfords Monumentalwerk (einsehbar auf Scribd) wurde lange als Steinbruch für kulturpessimistische Aussagen par excellence genutzt; es spielt aber heute im Diskurs um die Digitaltechnologien augenscheinlich kaum mehr ein Rolle (was sich auch daran ablesen lässt, dass derzeit keine Neuauflage angeboten wird).
Tatsächlich geben sich mithin nur wenige der über 800 Seiten pauschaler Technikkritik hin, während ihr Großteil die parallelen Entwicklungslinien menschlicher Werkzeuge bzw. Maschinen und Organisationsweisen nachzeichnet. Insofern lässt sich Mumfords Darstellung einerseits als Zeitdokument lesen, andererseits finden sich darin aber auch Argumentationsgänge, die heute noch zum Nachdenken anregen können.

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