Heute ist die Zukunft von gestern X: »The Assault on Privacy« (Miller 1971/1967)
18. November 2012Gedankenstrich.org ist nun seit ca. 3 Jahren online und seitdem erscheinen unter dem Titel »Heute ist die Zukunft von gestern« u.a. auch immer wieder Rückverweise auf einige Zukunftshoffnungen und -befürchtungen aus der Vergangenheit (siehe die Teile I, II, III, VI, V, VI, VII, VIII und IX). In Teil X geht es um den Artikel »The National Data Center And Personal Privacy« von Arthur R. Miller aus dem Jahr 1967 (in: The Atlantic; via: Modern Mechanics), der in Vorbereitung seines Buches The Assault on Privacy (1971) erschienen ist und wie folgt beginnt:
»The modern computer is more than a sophisticated indexing or adding machine, or a miniaturized library; it is the keystone for a new communications medium whose capacities and implications we are only beginning to realize. In the foreseeable future, computer systems will be tied together by television, satellites, and lasers, and we will move large quantities of information over vast distances in imperceptible units of time.«
Miller zählt zunächst einige Vorteile der neuen Informationstechnologien auf, bevor er – mit Blick auf ein angedachtes »National Data Center« – auf die daraus resultierenden Gefahren für die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger zu sprechen kommt, die in der Vergangenheit eben gerade deshalb verhältnismäßig unkompliziert geschützt werden konnte, da die entsprechenden Informationen in der Regel sehr verteilt, kaum synthetisiert und insofern nur schwer zugänglich bzw. interpretierbar vorlagen. Aber:
»Ever since the federal government’s entry into the taxation and social welfare spheres, increasing quantities of information have been recorded. Moreover, as recording processes have become mechanized and less cumbersome, there also has been centralization and collation of information.
[…] As information accumulates, the contents of an individual’s computerized dossier will appear more and more impressive […]. Our success or failure in life ultimately may turn on what other people decide to put into our files and on the programmer’s ability, or inability, to evaluate, process, and interrelate information. […] The threat to individual privacy posed by the computer comes from the private sector as well as the proposed federal Data Center.
[…] Currently there are more than two thousand independent credit bureaus in the United States, many of whose files are being computerized. Eventually, these bureaus will make a network of their computers, creating a ready source of detailed information about an individual’s finances. […] an honest dispute between a consumer and a retailer over a bill may produce an unexplained and unexpungeable ›no pay‹ evaluation in the computer and result in considerable damage to the buyer’s credit rating.«
Dieses Beispiel erinnert bereits an spätere Schreckenserzählungen wie Das Netz (1995), allerdings konzentriert sich Miller vordringlich auf den Staat als zweifelhaften Nutznießer der computergestützten Datenerhebung – und weniger auf private Unternehmen wie Facebook oder Google. So zitierte der Spiegel Miller 1972 angesichts der »Unfähigkeit des Computers, etwas zu vergessen«, wie folgt:
»Ein zentraler Computer könnte das Herz eines obrigkeitlichen Überwachungssystems werden, durch welches unsere Finanzen, unser Umgang, unsere geistige und körperliche Gesundheit den Inquisitoren der Regierung oder gar zufälligen Beobachtern offenbart werden.«
Die Zeit hingegen griff 1973 einen allgemeineren Satz aus der deutschsprachigen Übersetzung von The Assault on Privacy auf, der sich explizit mit Evgeny Morozovs zeitgenössischen kritischen Eingaben in Bezug bringen lässt:
»Die beachtlichen Vorteile, die uns die Computertechnologie beschert, lassen uns oft nicht erkennen, daß wir dafür mit Einbußen an unserer persönlichen Freiheit zahlen müssen.«