Lektürehinweis: Der Doppelpaß als soziales System (Esser 1991)

1. Juni 2014

Dass die Affinität zum Fußball unter Soziologen mindestens ebenso hoch ist wie in anderen Bevölkerungsteilen, zeigen zahlreiche Texte, die sich mit dem Wesen und den soziokulturellen Effekten dieses Spiels auseinandersetzen – so beispielsweise Elias’ Überlegungen zur Funktion von Sport und Spannung im Prozess der Zivilisation oder Berger/Hammers Erkundungen zur doppelten Kontingenz von Elfmeterschüssen (Soziale Welt 4/2007).

KickerDoppelpass

Weniger mit dem Fußballsport als mit dem Wesen der eigenen Disziplin setzt sich hingegen die vor gut 23 Jahren erschienene Persiflage »Der Doppelpaß als soziales System« von Hartmut Esser auseinander, die mittlerweile kostenfrei als PDF abrufbar ist und in der (entgegen aller Regeln der Zunft!) mitpublizierten gutachterlichen Stellungnahme folgende Bewertung erfuhr:

»Anders als die zunehmend größer werdende Schar systemtheoretischer Amateure beherrscht der Verfasser Theorie und Begrifflichkeit […]. Hier liegen die Schwächen nicht […]. Wie (fast) immer bei systemtheoretischen Analysen kommt – was sonst? – die Empirie nicht zu ihrem Recht. Dabei hat der Autor […] offenkundig eine ungewöhnlich genaue Kenntnis des empirischen Feldes […]. Man mag es dem Verfasser noch nachsehen, wenn er in allzu enger, rein netzwerktheoretischer Perspektive verkennt, daß es beim krönenden Abschluß einer Doppelpaßsequenz nicht darum geht, den Ball ›ins Netz(!) zu schieben‹, sondern vielmehr darum, diesen über den signifikanten Limes, die Torlinie, zu prozessieren: über das Signum von der Differenz zwischen dem Feld und seiner Umwelt. […]«

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Kurz notiert: Bericht NGU Jahrestagung 2013

8. April 2014

Der Bericht zur 10. Jahrestagung der Nachwuchsgruppe Umweltsoziologie (NGU), die im Herbst 2013 in Flensburg unter dem Titel »Die ökologische Gesellschaft und ihre Feinde« stattgefunden hat, ist nun in der Soziologie erschienen (hier als PDF).

Zwei Tage beschäftigten sich rund 45 Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aus Österreich, der Schweiz und Deutschland mit dem Verhältnis von Ökologie und Gesellschaft. Der Titel der Tagung lehnte sich auf ironische Weise an Karl Poppers Klassiker »Die offene Gesellschaft und ihre Feinde« aus dem Jahr 1945 an […]. Die diesjährige NGU-Tagung machte sich mit zahlreichen Beiträgen auf die Suche nach den Gegenkräften und Barrieren einer sozial-ökologischen Transformation. In den vergangenen Jahrzehnten haben die Themen »Ökologie« und »Nachhaltigkeit« deutlich an gesellschaftlicher Relevanz gewonnen. Ökologische Bewegungen verzeichneten starken Zulauf, Umwelt- und Klimaschutz sind zu zentralen Politikfeldern avanciert und Umfragen bestätigen die Unterstützung entsprechender Anliegen in der Bevölkerung. […] Dennoch ist die Anzahl ressourcenintensiver Konsumgüter in den letzten Jahren stark angewachsen, die weltweiten Treibhausgas-Emissionen steigen weiter an und auch in wohlhabenderen Gesellschaften ist eine Verringerung des ökologischen Fußabdrucks nicht absehbar. Paradoxerweise scheinen sich die ökologischen Probleme zu verschärfen, obgleich sie immer greifbarer werden und die Bemühungen zu ihrer Eindämmung in der Gesellschaft intensiv diskutiert werden.

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Splitter: Markt und Macht in der App-Economy

28. März 2014

In den Blättern für deutsche und internationale Politik 4/2014 ist nun der Artikel »Markt und Macht in der App-Economy« (Dolata/Schrape) erschienen, in dem mit Rückgriff auf Marktdaten und Kennzahlen u.a. folgende Fragen adressiert werden: Wie lässt sich die App Economy aus sozioökonomischer Sicht fassen? Wie ist das Feld strukturiert? Wer sind die wesentlichen Spieler? Wie sind die Machtverhältnisse dort verteilt?
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Facebook sells WhatsApp


Kollektives Handeln im Internet

25. März 2014

Das Berliner Journal für Soziologie 1/2014 ist erschienen und hält u.a. den Artikel »Kollektives Handeln im Internet. Eine akteurtheoretische Fundierung« von Ulrich Dolata und mir bereit. Das Abstract dazu liest sich wie folgt:

An schnellen Benennungen neuer Akteure und kollektiver Formationen im Internet mangelt es nicht, an soziologisch informierten Einordnungen dieser Phänomene dagegen schon. Dieser Aufsatz geht den beiden Fragen nach, wie sich die sehr unterschiedlich strukturierten kollektiven Gebilde im Internet – Swarms, Crowds, Social Networks, E-Communities, E-Movements – akteur- bzw. handlungstheoretisch einordnen und voneinander abgrenzen lassen und welchen Einfluss die technologischen Infrastrukturen, in denen sie sich bewegen, auf ihre Entstehung, Strukturierung und Aktivität haben.
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Kurz notiert: Rezension zu »Internet, Mobile Devices und die Transformation der Medien« (III)

12. März 2014

Zu dem Sammelband »Internet, Mobile Devices und die Transformation der Medien« ist eine weitere Rezension in der Fachzeitschrift MEDIENwissenschaft erschienen:

»Hier wird unaufgeregt untersucht, wie tiefgreifend die Modifikationen in einzelnen Sektoren tatsächlich beschrieben werden können und welchen Verlauf die Transformationen im Einzelfall genommen haben. […] Der gesamte Band wirft somit abseits von diversen utopischen/dystopischen Gegenwarts- bzw. Zukunftsbeschreibungen einen detaillierten Blick auf einzelne sektorale Entwicklungen und […] [liefert] im Zeitalter einschneidender Bereichstransformationen unverzichtbare Hintergrundinformationen für medienwissenschaftliche Analysen […].«


Literaturhinweis: »Paradoxe Natur«

12. März 2014

Das durch das Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften ausgezeichnete Essay »Paradoxe Natur. Plädoyer für eine postromantische Ökologie« von Sascha Dickel lässt sich nun online abrufen. U.a. mit Rückgriff auf Bruno Latour beleuchtet der Aufsatz das paradoxe Verhältnis zwischen moderner Gesellschaft und Natur:

»Einerseits hat die De-Naturalisierung der Welt ein historisch einmaliges Ausmaß erreicht. […] Andererseits ist Natur zu einem gesellschaftlich so bedeutsamen Wert aufgestiegen, dass man regelrecht von einer kulturellen Flucht ins Natürliche sprechen kann. Je mehr die ›reine‹ Natur verschwindet, desto stärker prägt sie als Symbol unser Denken und Handeln. […] Je mehr Natürlichkeit als Wert zu einem zeitlichen Begriff wird, desto mehr bedient er lediglich konservative Abwehrreflexive. Die Flucht in eine idealisierte Vergangenheit hilft in einer durch und durch technisierten Welt nicht mehr weiter. […]

Eine tragfähige Alternative liegt im Begriff der Nachhaltigkeit. Dieser ist in die Zukunft gerichtet, nicht in eine (idealisierte) Vergangenheit. […] Eine Ökologie des 21. Jahrhunderts könnte eine Ökologie der Vielfalt sein. […] Sie wäre nicht nur eine Soziale Ökologie, sondern eine Sozio-Technische Ökologie. Eine solche Ökologie müsste verstehen, dass das, was als natürlich gilt, noch lange nicht nachhaltig sein muss – und umgekehrt.«

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Betreff: Web und Öffentlichkeit

22. Februar 2014

Gunnar Sohn hat in vor einigen Tagen eine Kolumne veröffentlicht, in der viele der Erwartungen aufgegriffen werden, die seit den 1990er Jahren ohnehin immer wieder in der Diskussion um den onlineinduzierten Wandel der Öffentlichkeit kursieren:

»Bundeskanzlerin Angela Merkel ahnte schon vor gut drei Jahren, dass sich die Theorie der öffentlichen Meinung wandelt und die alten Eliten in Politik, Wirtschaft und Verlagswesen ihre Deutungsmacht im massenmedialen Zirkus verlieren: […] ›Es gibt nicht mehr nur eine Öffentlichkeit, sondern viele Öffentlichkeiten, die ganz verschieden angesprochen werden müssen.‹ […] Soziale Netzwerke stehen vor allem für eine fundamentale Veränderung der öffentlichen Sphäre. Öffentliche und individuelle Kommunikation verschwimmen. […] Einwegkommunikation und ignorante Taktstock-Akteure verlieren dabei an Bedeutung – was einige Journalisten immer noch nicht kapiert haben […]. Die liebwertesten Elite-Gichtlinge der Republik müssen halt etwas bescheidener auftreten […].«

Zweifelsohne hat das Web einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Öffentlichkeitsstrukturen – auch weil es als Universalmedium die technischen Grenzen zwischen den unterschiedlichen Medienformen auflöst. Gleichwohl finden sich in dem kurzen Artikel eine Reihe gerne kolportierter Mythen, die den Blick auf die tatsächlich gegebenen vielschichtigeren Wandlungsprozesse verstellen.
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