Drei Monate Huffington Post Deutschland: Journalistische Resterampe ohne Profil

5. Januar 2014

»Wenn man dabei sein kann, etwas Neues zu machen und etwas zu verändern, ist das schon eine tolle Sache. […] Ich trage heute weiße Turnschuhe mit einem guten Profil […]. Wenn man ein gutes Profil hat, ist man antrittsschnell, rutschfest und hat eine gute Seitenstabilität. Ich persönlich glaube, wenn jeder Journalist das tragen würde, wäre die Branche besser.«

Diese Sätze gab Cherno Jobatey, zwischen 1992 bis 2012 Moderator des ZDF Morgenmagazins und seit 2013 Editorial Director der Huffington Post Deutschland, Anfang Dezember in einem Interview zu Protokoll.

Rund drei Monate nach dem mit allerlei Vorschusslorbeeren bedachten Start des deutschsprachigen Ablegers der mit einem Pulitzer-Preis ausgezeichneten amerikanischen News-Plattform ist von wegweisenden journalistischen Neuerungen und branchenerschütternden Veränderungsimpulsen allerdings nichts zu erkennen – im Gegenteil: Wer sich durch das aktuelle Angebot der HuffPo Deutschland klickt, dem schlägt eine aggregierte Einöde ohne journalistische Ambitionen entgegen, die voll und ganz dem tristen Layout der Seite entspricht und augenscheinlich kaum das Interesse der breiten Onlinerschaft wecken kann.

HuffPostDE

Anfang Januar 2014 rangiert huffingtonpost.de im Alexa Traffic-Ranking für die BRD ca. auf Rang 380 der meistaufgerufenen Seiten, während sich huffingtonpost.com in den USA in den Top 20 bewegt. Zum Vergleich: Spiegel.de und bild.de finden sich nach wie vor in den deutschen Top 10, Focus, Welt, Süddeutsche und Zeit immerhin in den Top 60. Der meiste Verweisverkehr für die deutsche HuffPo kommt dabei – wenig überraschend – von dem Plattform-Kooperationspartner focus.de.

Neugierde ist Gleichgültigkeit gewichen

Die anfängliche breite Neugierde gegenüber der (verspäteten) deutschen Version der Huffington Post ist gemessen an diesen Zahlen allgemeiner Gleichgültigkeit gewichen – und das ist mit Blick auf das inhaltliche Angebot auch kaum verwunderlich: Der Aufmacher auf der Frontseite vom 5. Januar 2014 drehte sich (wie bei bild.de) um Michael Schumachers Ski-Unfall; der entsprechende Beitrag lässt sich allenfalls als ein redaktionell betreutes Potpourri aus Twitter- und Agenturmeldungen umschreiben. Darunter fand sich der Artikel »Die beste Werbung der Welt«, der aber letztlich lediglich auf eine Photostrecke der HuffPost Italia verweist, gefolgt von einigen nur leidlich aufgepimpten kurzen Agenturmeldungen zur politischen Lage der Nation oder Überschriften, die direkt auf Fremdangebote von Die Welt oder Focus verlinken.

Links wurden wie immer empfohlene Blog-Artikel aufgelistet – u.a. von einem finanzwirtschaftlich interessierten Jura-Studierenden, vom Die Welt-Cartoonist Bernd Zeller, einem Sucht-Coach und einem Krisenkommunikationsberater. Rechts fanden sich die meistgelesen Artikel des Tages (Stand: 5.1.2014, 15 Uhr):

Ähnliche Headlines lassen auch auf bild.de (und leider oft auch auf spiegel.de) finden – mit dem Unterschied, dass die dahinter liegenden Texte in der Regel weitaus mehr ›Fleisch‹ aufweisen. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die HuffPo Deutschland schlicht alle Inhalte verarbeitet, die sich unkompliziert und kostengünstig im Netz auftreiben lassen: Agenturmeldungen, Zweitverwertungen der angeschlossenen Medienhäuser und hin und wieder ein redaktionell aufbereiteter Beitrag im engeren Sinne wechseln sich ab mit allerlei Blogbeiträgen, die – von wenigen Ausnahmen abgesehen – zumeist wie PR-Vehikel für die Projekte oder Firmen der Autoren wirken.

Wer vieles bringt, wird keinem etwas bringen

»Wer vieles bringt, wird keinem etwas bringen« – Bertolt Brechts Kommentar zum frühen Hörfunk (1932) lässt sich umstandslos auf die Huffington Post Deutschland Anfang 2014 übertragen: Während sich die HuffPo in den USA in ihrer Frühzeit mit einer linksliberalen Ausrichtung gegen die dortigen Mainstream-Medien profilieren konnte, besticht die deutsche Ausgabe bislang durch vollkommene inhaltliche Beliebigkeit, die den Leser in schierer Orientierungslosigkeit zurücklässt.

Anders formuliert: Die HuffPo Deutschland ist weder antrittsschnell und rutschfest, noch verfügt sie über eine gute Seitenstabilität. In ihrem gegenwärtigen Zustand ist sie eine journalistische Resterampe ohne jegliches Profil und ein schlagkräftiges Beispiel für eine Spielart des Online-Journalismus, die sich über kurz oder lang selbst obsolet machen wird. Sie ist weder ein Knotenpunkt der deutschen Blogosphäre noch ein wohlselektiertes redaktionelles Angebot. Gut, dass sie kaum beachtet wird.


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