Heute ist die Zukunft von gestern XXIV: Künstliche Intelligenz
4. August 2023»According to some, artificial intelligence (AI) is on the verge of transforming the way we do business. Soon, we are told, ›smart‹ computer programs will begin replacing doctors and lawyers, factory workers and managers. In the face of such hyperbole, it is hard to know whether to jump on the bandwagon or to dismiss the whole enterprise out of hand. AI is indeed moving from the research lab into business, industrial, and professional applications. But it is still a long way from delivering on the more extravagant claims that some have made for it.«
Diese Passage stammt nicht etwa aus der aktuellen Diskussion um ›Künstliche Intelligenz‹ bzw. ›Generative AI‹, die seit der Veröffentlichung von ChatGPT Ende 2022 Fahrt aufgenommen hat, sondern aus dem Auftaktparagraph des Artikels »Thinking About Artificial Intelligence« von Beau Sheil, der im Juli 1987 im Harvard Business Review veröffentlicht wurde. Bereits in den 1980er-Jahren gab es in Fachpublikationen wie auch in der Publikumspresse eine breite Diskussion um die Entwicklung ›intelligenter‹ bzw. ›smarter‹ IT-Systeme, die gegen Ende des Jahrzehnts allerdings schon wieder von einer gewissen Ernüchterung geprägt wurde (vgl. z.B. »Künstliche Intelligenz – der neue Jobkiller?«, 1989). Selbstredend stehen wir heute an einem anderen Punkt der Entwicklung – nichtsdestoweniger lässt sich aus den damals geäußerten Hoffnungen, Befürchtungen und Enttäuschungen vieles lernen.
Das gilt auch für ein Spiegel-Streitgespräch zwischen Klaus Haefner und Joseph Weizenbaum aus dem Jahr 1987. Eine Kostprobe:
WEIZENBAUM: […] Man kann grundsätzlich nicht die Erfahrung eines Menschen – als Erfahrung – einem Computer eingeben. Für ihn sind es beliebige Daten. Das ist nach meiner Überzeugung die Kernfrage der gesamten Computerentwicklung, besonders der sogenannten künstlichen Intelligenz: Menschliche Erfahrung ist nicht übertragbar. Und auch die Traditionen, von denen Sie sprechen, lassen sich nicht eindeutig festlegen in Symbole oder formale Sprachen, mit denen ein Computer arbeitet.
HAEFNER: Ich bitte Sie, Herr Weizenbaum! Die Gesetze und Regeln der Arithmetik, das waren doch menschliche Denk-Erfahrungen, die komplett dem Computer übergeben worden sind. Inzwischen sind riesige Bereiche, etwa der Bau- und Ingenieurkunst, computerisiert mit dem sogenannten CAD, dem ›Computer-aided-design‹. Und da behaupten Sie, bei der Dichtkunst sei alles ganz anders.
WEIZENBAUM: Was Sie da sagen, glauben wirklich viele Leute. Ich glaube es nicht, ich halte mich an Ionesco: ›Alles kann in Worten ausgedrückt werden, nur nicht die lebendige Wahrheit.‹
HAEFNER: Es gibt viele miese Schriftsteller, Herr Weizenbaum, die schreiben weit schlechtere Romane, als es inzwischen Computerprogramme können. Vermutlich wird ein großer Teil der Massenliteratur sowieso schon längst mit Computern produziert. Und vermutlich ist es nicht einmal der schlimmste Teil.
SPIEGEL: Die Streitfrage also lautet: Können die Menschen immer weitere, am Ende sogar alle Fertigkeiten an den Computer abtreten – oder gibt es eine unüberschreitbare Grenze zwischen menschlichem Können und dem, was ein Computer je wird leisten können? Sie, Herr Weizenbaum, beharren auf dem kategorischen Unterschied. Womit begründen Sie ihn?
WEIZENBAUM: Der Computer erzeugt eine eigene Wirklichkeit. Sie ist grundverschieden zur Lebenswelt des Menschen. Nehmen Sie so etwas Einfaches und Klares wie den Unterschied zwischen Tag und Nacht. Den kann man mit dem binären System der Computerlogik definieren: Die Eins bedeutet Tag, Null bedeutet Nacht. Für Sie ist es immer klar, wann es Tag und wann es Nacht ist. Und doch werden Sie nie sagen können, wann genau der Tag aufhört und die Nacht beginnt. Für den Engländer ist dies vielleicht sein 5-Uhr-Tee, in Hamburg vielleicht der Augenblick, da sich die Huren auf der Reeperbahn an die Straße stellen. Für die Schweizer ist es vielleicht der Schalterschluß der Banken, für Italiener der Sonnenuntergang. Wann genau der Tag aufhört, ist also immer eine willkürliche Entscheidung. Sicher sind wir uns indessen, daß um Mittag Tag herrscht und um Mitternacht die Nacht. […]
Auch auf YouTube findet sich eine Vielzahl an zum Teil weit zurückliegenden TV-Berichten zu den Potenzialen ›Künstlicher Intelligenz‹ – angefangen bei den Vorhersagen von Arthur C. Clarke aus dem Jahr 1964 über einer Reihe von Interviews mit den KI-Pionieren Jerome Wiesner, Oliver Selfridge und Claude Shannon aus den 1960er-Jahren und ein Interview mit Steve Jobs aus dem Jahr 1981 zur Zukunft von intelligenten Computern bis hin zu der Dokumentation »Deep Blue vs. Garry Kasparov« aus dem Jahr 1997. Auch nicht schlecht ist folgende BBC-Dokumentation aus dem Jahr 1989 über das Alltagsleben in Smart Homes im Jahr 2020:
Ebenso immer wieder einen Klick wert: Apples Vision eines »Knowledge Navigators«, einem vernetzten Tablet-Computer mit Sprach-Assistent, der stark an das iPad erinnert.