Heute ist die Zukunft von gestern: Tablet-Special

29. April 2011

Bereits 1981 starteten die ersten Pilotversuche mit elektronischen Zeitungen, so z.B. der Electronic Examiner in San Francisco (vgl. Video) oder in etwas anderer Form der Bildschirmtext (BTX) ab 1983 in der BRD. In Sachen Usability und Leseerlebnis blieben freilich zu dieser Zeit noch viele Fragen offen und auch noch 1995 notierte Clifford Stoll in einem Newsweek-Artikel, der traurige Berühmtheit erlangt hat, da er rückblickend mit den meisten seiner Einschätzungen zum Web insgesamt so falsch wie nur möglich lag:

»The truth in no online database will replace your daily newspaper […]. The Usenet, a worldwide bulletin board, allows anyone to post messages across the nation. […] The result? Every voice is heard. […] When most everyone shouts, few listen. How about electronic publishing? Try reading a book on disc. At best, it’s an unpleasant chore: the myopic glow of a clunky computer replaces the friendly pages of a book. And you can’t tote that laptop to the beach.«

Zur gleichen Zeit arbeitete indes ein 1992 gegründeter Think Tank des Medienkonzerns Knight Ridder (bis 2006 zweitgrößter US-amerikanischer Zeitungsverleger) an der digitalen Zukunft der Zeitung – und zwar auf einem Tablet, komplett mit Personlisierungsoptionen, Bilderstrecken, Kontextinformationen, mobilen Kaufoptionen, Suchmöglichkeiten und Videos. Da man sich damals noch nicht vorstellen konnte, einen Touchscreen mit plumpen Fingern zu bedienen, diente ein Stift als Eingabegerät, ansonsten aber wird in dem nachfolgenden Video von 1994 ein Tafel-Computer vorgestellt, der dem Apple iPad sehr nahe kommt und dessen Einführung für die Jahrtausendwende prognostiziert wurde:

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Zurück in die Vergangenheit: Btx vs. WWW

7. April 2011

Das Internet als Grundidee existierte unter verschiedenen Bezeichnungen schon seit 1969 und ermöglichte militärischen und wissenschaftlichen Institutionen die Datenübertragung von Computer zu Computer. Die breite Öffentlichkeit jedoch sah sich kaum mit solchen Kommunikationsmöglichkeiten konfrontiert und schien auch kein gesteigertes Interesse daran zu entwickeln: Die Deutsche Bundespost etwa startete mit dem Bildschirmtext (Btx) schon 1983 einen interaktiven Onlinedienst und erwartete bis 1986 ca. 1. Mio. Nutzer; tatsächlich jedoch konnten Ende des genannten Jahres nur 60.000 Kunden verzeichnet werden (vgl. Pospischil 1987).

Bildschirmtext

Augenscheinlich hielten es nicht nicht genügend Verbraucher für hinreichend sinnvoll, elektronisch Briefe zu schreiben, einzukaufen, Bankgeschäfte zu erledigen oder Informationen zu recherchieren — und das, obwohl die Deutsche Bundespost schon »die größte Informationsrevolution seit der Erfindung des Buchdrucks« heraufbeschwor. Dieser Misserfolg mutet zunächst seltsam an, denn eigentlich bot schon Btx viele der Innovationen, die später mit dem WWW assoziiert wurden. Allerdings existierten folgenschwere Einschränkungen: Die Btx-Inhalte wurden auf zentralen Servern ablegt; wer publizieren wollte, musste sich die Rechte dazu erkaufen; die Btx-Nutzer zahlten pro Seitenabruf; die Bedienung gestaltete sich umständlich; und die Angebote waren nicht verknüpft; Btx-Kunden beklagten neben der mangelhaften Usability primär die Menge an Werbeangeboten (vgl. Spiegel 1984).

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Heute ist die Zukunft von gestern — Teil III

23. März 2011

In der Ära von FacebookTwitter und iPad wirkt folgendes Spiegel-Interview mit Mitch Kapor wie ein Fragment aus einer lange vergangenen Urzeit – tatsächlich ist es aber erst knapp 16 Jahre alt:

F: Wo soll denn überhaupt der Nutzen der Datenautobahn liegen?

A: […] Menschen haben ein ungeheures Bedürfnis nach Kommunikation. Sie brauchen den Kontakt zu anderen, beruflich, gesellschaftlich – auf allen Ebenen.

F: Warum brauchen Sie dafür einen Computer, wo es doch das Telefon gibt?

A: Beim Telefonieren müssen die Gesprächspartner gleichzeitig präsent sein, E-Mail funktioniert auch zeitversetzt. […] die Möglichkeit, mit entfernten Partnern zeitversetzt zu kommunizieren, hat enorme Vorteile.

Nun ist Der Spiegel ein Wochenmagazin, das die allgemeine Öffentlichkeit adressiert – und selbst 1997 verfügten erst 6 bis 7 Prozent der Deutschen über einen Internet-Zugang. Insofern erscheint es verständlich, dass der Interviewer 1995 noch eher eine kritische Haltung gegenüber dem Web eingenommen hat.

Das englischsprachige Mechanix Illustrated wagte indes schon 1968 einen beherzteren Blick in die Zukunft und notierte unter der Überschrift »40 Years in the Future«:

»The single most important item in 2008 households is the computer. These electronic brains govern everything […]. Weiterlesen »


Heute ist die Zukunft von gestern — Teil II

14. November 2010

Mittlerweile lassen sich im Web vielerlei Archive aufspüren. Das macht es möglich, ohne viel Aufwand ausführlich in den Publikationen der letzten Jahrzehnte schmökern und die ein oder andere vergangene Zukunftsvorstellungsperle zu heben.

Das fängt an bei dem »Look«-Artikel »boy… girl… computer. New dating craze sweeps the campus«, der sich schon 1966 mit Computer-Dating beschäftigte, einem »Popular Science«-Artikel zum Bildtelefon von 1968 oder dem »Spiegel«-Artikel »Die Revolution der Roboter« von 1958, in dem Computer als »Dampfmaschinen des Geistes« bezeichnet wurden, und hört bei der ersten Erwähnung von »Handie Talkies« oder Datenschutz-Bedenken von 1968 (»The Computer Data Bank: Will it kill your Freedom?«) auf.

Quelle: Modernmechanix.com

Quelle: Modernmechanix.com

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Medien: Heute ist die Zukunft von gestern

5. November 2010

Hin und wieder stolpert Manchereiner in der örtlichen Bibliothek über Bücher, die er zwar schon einmal in der Hand, aber nie richtig gelesen hatte. In meinem Fall handelt es sich um die Anthologie »Die Welt in 100 Jahren«, 1910 herausgegeben von Arthur Brehmer. Das Buch ist eine Sammlung von visionären Aufsätzen von Schriftstellern, Journalisten, Politikern, Wissenschaftlern und Künstlern aus dieser Zeit zur mutmaßlichen Lebenswelt um das Jahr 2010 und bietet ganz unterschiedliche Zukunftsvorstellungen zu Politik, Kunst, Literatur, Medizin, Musik, Religion und Gesellschaft (sehr schön auch der Auftaktaufsatz »Das 1000jährige Reich der Maschinen«, der mit Lewis Mumfords Buch »Mythos der Maschine« von 1967 bzw. 1970 in Bezug gebracht werden könnte).

Albert Robidas Vorstellung von Bildtelefonie in den 1920ern (Quelle: Der Standard)
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Kurze Geschichte der Printmedien

19. Oktober 2010

Gerade in Zeiten, in denen eine mediale Konfiguration vermeintlich abgelöst wird, macht es Sinn, einen kurzen Rückblick zu wagen. Daher an dieser Stelle eine kurze Geschichte der Printmedien, bevor wir uns wieder den aktuellen Entwicklungen um E-Books und Mobile Devices zuwenden… Initialpunkt für das Erstarken der Print- und Buchindustrie war die Institutionalisierung massenfähiger Druckverfahren in der Frühen Neuzeit, auch wenn es Gutenberg selbst keineswegs die preiswerte Vervielfältigung von Schriften ging (Bloom 2001): Zusammen mit seinem Investor Fust wollte er einen exklusiven Markt für handschriftlich ko- pierte Texte bedienen, der durch die Resultate der Skriptoren geprägt war. Ziel war es, mit einer »Schönschreibmaschine ohne Schreibrohr, Griffel und Feder« (Giesecke 2006: 134) kunstvolle und teuere Bücher zu produzieren. Dieses Ziel wurde durch die rekombinatorische Weiterentwicklung vorhandener Techniken (wie z.B. die Spindelpresse) erreicht (Hadorn/Cortesi 1985: 145).

(1533) Quelle: Wiki Commons

(1533) Quelle: Wiki Commons

Ökonomen wie Beck (2005: 76) vermuten, dass Gutenberg durch die Urbarmachung dieser Techniken für den Druck die Reproduktionskosten für seine 180 Bibeln zwischen 1452 und 1454 mehr als halbieren konnte und schätzen seine Gewinnspanne auf über 200 Prozent. Das zog Nachahmer an und da die Buchdruckkunst zunächst frei von zünftischen Regeln war, breitete sich die Drucker schnell entlang der europäischen Handelswege aus. Schon Anfang des 16. Jh. befand sich die Branche mithin in ihrer ersten Krise, denn der eingegrenzte Absatzmarkt für repräsentative Drucke war übersättigt. Also nahmen die Druckwerkstätten zusätzlich illustrierte Flugblätter und Schriften ins Programm, die weit größere (auch nicht lesefähige) Rezipientenkreise erreichen konnten und – wie einige große Zeitungen auch noch heute – alle Themen behandelten, die ihren Absatz steigern konnten, so auch Übernatürliches, Kuriositäten und Klatsch (Stöber 2000: 43) …  Weiterlesen!


E-Books II: Nachrichten aus der Vergangenheit

14. September 2010

Prognosen sind kein einfaches Geschäft, keine Frage. Hin und wieder zeigt freilich ein Blick in die Vergangenheit, wie vorsichtig man mit weitreichenden Transformationshypothesen sein sollte: Microsofts Vorstellungen zum  E-Book-Markt 2020 aus dem Jahre 2000 könnte jedenfalls nur noch wahr werden, falls sich die Entwicklungsgeschwindigkeit in den kommenden Jahren erheblich steigern sollte (siehe Screenshot)…

Microsoft Prognose E-Books

Solche übersteigerten Visionen werden ja allgemeinhin gerne wieder vom Netz genommen, via Web Archive bleiben sie allerdings der Nachwelt erhalten.