Der Mobile-Markt ist in Bewegung: Ein Viertel der Deutschen besitzt mittlerweile ein Smartphone, 26 Prozent nutzen mobiles Internet und 962 Mio. Apps wurden letztes Jahr hierzulande heruntergeladen. Grund genug, um wenige Monate nach dem letzten Überblick erneut eine Zusammenschau zum deutschen Mobile-Markt zu geben.
Gestern hat Apple zusammen mit iBooks 2.0 eine neue Mac-App namens iBooks Author vorgestellt, die das Erstellen eines interaktiven E-Books für alle iOS-Devices (iPhone, iPad etc.) ähnlich einfach macht wie die Gestaltung einer Keynote-Präsentation, zumal sich das eigene iBook dann auch gleich direkt aus dem Programm heraus im iBooks-Store zum kostenfreien Download oder (noch mit ISBN) zum Verkauf anbieten lässt.
Dieser Vorstoß ist Teil einer Strategie, die sich zum Ziel gesetzt hat, das iPad als Standard-Abrufgerät für Bildungsinhalte zu etablieren, weshalb in den USA auch schon weitreichende Kooperationen mit den entsprechenden Verlagen abgeschlossen worden sind. Langfristig aber könnten deren Rückwirkungen weit über den Bildungsbereich hinausgehen, da nicht nur die technische Produktion, sondern auch die Verteilung von E-Books erheblich erleichtert wird. Oder wie Apple selbst wirbt: »Now anyone can create stunning iBooks textbooks, cookbooks, history books, picture books, and more for iPad. All you need is an idea and a Mac.«
Der Unternehmensberater und Business-Motivator Edgar K. Geffroy geht davon aus, dass iBooks Author bzw. das dahinter liegende (und sicherlich bald nachgeahmte) Konzept den Buchmarkt »demokratisieren« wird und marktmächtige IT-Firmen wie Apple als »Türsteher« der digitalen Welt die Buchindustrie »revolutionieren« werden. Steht nun also tatsächlich eine »demokratischere Gestaltung des Marktes« an, wie sie schon 1998 vorhergesagt wurde? Mit Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahre lassen sich folgende Pro- und Contra-Punkte finden:
Mit der Rückkehr von Steve Jobs ist Apple wie Phoenix aus der Asche auferstanden und hat in den letzten 10 Jahren wie kein anderes IT-Unternehmen Innovationen für den Massenmarkt geschaffen. Sicher – Apple hat weder den mp3-Player, das Smartphone oder den Tablet-Computer erfunden, aber Apple hat in all diesen Bereichen Hard- und Software zu alltagstauglichen Technologie-Sets integriert.
Rückblickend lässt sich kaum absehen, ob die schon längst tot geglaubten Tablet-Computer auch ohne die Impulse aus Cupertino irgendwann eine vergleichbare Aufmerksamkeit gefunden hätten, ob die Musikindustrie zusammen mit anderen Plattformanbietern einen Ausweg aus ihrem digitalen Dilemma gefunden hätte oder ob mobiles Internet heute ein so bestimmendes Thema wäre. Relativ sicher lässt sich allerdings zu Protokoll geben, dass Apple die genannten Entwicklungen wesentlich beschleunigen konnte und die strategische Ausrichtung vieler weiterer Unternehmen wie z.B. Amazon (Kindle Fire) mitbestimmt hat.
Die Politik der proprietären Content- und Technologie-Systeme hat zu (berechtigter) Kritik geführt – und eigentlich wirkt es erstaunlich, dass sich die Nutzer in Zeiten von Open-Content und Open-Source auf solche Beschränkungen einlassen. Sie hat aber auch dazu beigetragen, die Verlässlichkeit, Verständlichkeit und Usability der jeweiligen Geräte zu erhöhen: Ich weiß etwa, dass ich auf meinem iPhone nicht jedes Programm ausführen kann oder meine Musik über iTunes synchronisieren muss. Aber ich weiß auch: Mein iPhone funktioniert zuverlässig, intuitiv und zumeist ohne böse Überraschungen. Es funktioniert einfach – so wie mein Fernseher oder mein Toaster. Und das ist ein Versprechen, das (mobile) Computer und Smartphones zwar schon lange mit sich tragen, vor den iGadgets aber nur selten so umfassend eingelöst wurde.
Zweifellos hat Apple also für die Nutzer die Effizienz im Informationsabruf und der medienvermittelten Kommunikation erhöht. Inwieweit das die Gesellschaft jenseits von Beschleunigung verändert, ist eine viel diskutierte Frage, die noch längst nicht abschließend beantwortet werden kann. Das aber ist auch nur die eine Seite.
Steve Jobs ist nach langer Krankheit gestorben – und in einem scheinen sich Apple-Apologeten wie Apple-Apokalyptiker einig zu sein: Er war einer der »crazy ones«, einer der Nonkonformisten, die unsere Welt veränderten, im positiven und vielleicht auch im negativen Sinne (je nach Sichtweise). Technologie ist und bleibt ein zweischneidiges Schwert, das auf verschiedene Weisen genutzt werden kann. Nachfolgend ein Ausschnitt aus einem Rolling Stone-Interview aus dem Jahr 2003:
Rolling Stone: You’re well-known as being a technological optimist. Do you still feel as hopeful about what technology has done for us as a culture as you did, say, twenty years ago?
Steve Jobs: Oh, yeah. I think it’s brought the world a lot closer together, and will continue to do that. There are downsides to everything; there are unintended consequences to everything. The most corrosive piece of technology that I’ve ever seen is called television – but then, again, television, at its best, is magnificent.
Rolling Stone: Why do you call television the most corrosive of technology you’ve ever seen?
Steve Jobs: Because the average American watches five hours a day of television, and television is a passive medium. Television doesn’t turn your brain on. Or, television can be used to turn your brain off, and that’s what it’s mostly used for. And that’s a wonderful thing sometimes – but not for five hours a day.
Apple-Werbewand aus dem Jahr 2000 (Quelle: Wiki Commons)
»Das Internet macht vielleicht doch nicht dumm« überschreibt Die Zeiteinen Artikel zu den Ergebnissen einer aktuellen Studie der Columbia University (»Google Effects on Memory«): In der Untersuchung stellte sich heraus, dass sich die Probanden »besser an den Ort erinnern konnten, an dem die Information zu finden ist, als an die Information selbst«. Daraus leiten die Autoren (Sparrow/Wegener) die Vermutung ab, dass das Web als externes Gedächtnis dienen kann.
Ob das Web als Erweiterung des Gehirns wirkt, hängt allerdings wesentlich auch davon ab, über welche Bewertungs- und Selektionskompetenzen der jeweilige Onliner verfügt bzw. aus welchen Gründen heraus er ins Netz geht. Oder um es in den Worten eines netzbekannten fiktiven Rückblick-Kurzfilms zu sagen:
»Bestenfalls ist [das Netz] für seine klügsten Nutzer einer Zusammenfassung der Welt, tiefer umfassender und nuancierter als alles vorher Erhältliche, aber Schlimmstenfalls ist [es] für allzu viele Menschen lediglich eine Ansammlung von Belanglosigkeiten […].«
Dieser Ausschnitt stammt aus der imaginären filmischen Rückschau EPIC 2015, der als Projekt eines ebenfalls erfundenen Museum of Media History die Geschichte des Internet von 1989 bis 2015 nachzeichnet und im Jahr 2004 veröffentlicht wurde. Er beschreibt, wie sich das Netz unter der Vorherrschaft einer damals angenommenen Allianz von Google und Amazon zu einem automatisierten Evolving Personalized Information System entwickelt, das »für jeden ein Content-Paket zusammen[stellt], das seine Vorlieben, seine Konsumgewohnheiten, seine Interessen, seine demografischen Faktoren und seine sozialen Bindungen nutzt« – ein individuelles externes Gedächtnis also, das alle gewünschten Informationen auf dem silbernen Tablet(t) serviert:
Geht es nach den führenden Web-Unternehmen, gehören selbstständige Exkursionen in die Tiefen des Netzes in einigen Jahren der Vergangenheit an und unser Online-Erlebnis wird maßgeblich durch eine durchgestylte All-in-One-Plattform bestimmt, die uns sowohl die Individualkommunikation in allen erdenklichen Formen, aber auch die alltägliche Medienrezeption durch allseits verständliche Personalisierungsoptionen in der Datenzulieferung erleichtert.
Und trotz aller Bedenken derer, die sich selbst einer intellektuellen Onliner-Elite zuordnen (Stichworte: Datenschutz, Monopolisierung, Verprivatwirtschaftlichung): Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches komplexitätsreduktives Angebot auf breites Interesse stösst, scheint gemessen an aktuellen Eurostat-Erhebungsdaten zu den Internet-Kenntnissen der europäischen Bevölkerung durchaus hoch zu sein: Auch 2010 verfügten z.B. in der BRD nur 8 Prozent der Befragten über ein hohes Online-Kompetenzniveau und 41 Prozent machten im Netz nicht vielmehr als E-Mails versenden und Suchmaschinen bedienen. Es bleibt also augenscheinlich lediglich die Frage offen, welches Unternehmen dieses All-in-One-Portal betreiben wird, und die Abstimmung um diese schöne neue Online-Welt erfolgt per Klick…
In der Taxierung der Rückwirkungen der neuen Technologien auf die Printmedien scheint der Trend in Richtung einer hohen Thesenanzahl zu gehen (vgl. Jeff Jarvis’ 36 Thesen zur Zukunft der News-Branche). Im Juni standen nun 55 Thesen zum deutschen Buchmarkt 2025 in der Diskussion, die von Matthias Ulmer (Verleger-Ausschuss), Heinrich Riethmüller (Sortimenter-Ausschuss) und Matthias Heinrich (Ausschuss für den Zwischenbuchhandel) entwickelt wurden und deren zentrale Aussagen sich im Groben auf 5 Punkte reduzieren lassen:
Gedruckte Medien verlieren an Bedeutung. Insbesondere der stationäre Buchhandel muss in den nächsten 15 Jahren mit einem Rückganz von ca. 30 Prozent rechnen. Paid-Content hingegen wird einen wachsenden Anteil am Gesamtumsatz einnehmen, wobei auf diesem Feld neue Anbieter Markteinfluss gewinnen werden.
Gedruckte Fachbücher und Bildungsmedien verlieren erheblich an Bedeutung (und damit auch deren stationärer Vertrieb). Insbesondere in diesen Bereichen sollten Verlage daher ein erweitertes Know-How hinsichtlich Konzeption, Produktion und Distribution von elektronischem Paid-Content aufbauen.