re:publica 2011: Zeichen der Professionalisierung

15. April 2011

Die re:publica 2011 ist heute zu Ende gegangen und führt die zunehmende Professionalisierung der deutschen Social-Media-Szene vor Augen: Das erfolgreiche Blog netzpolitik.org (*2002/2004, »Plattform für Freiheit und Offenheit im digitalen Zeitalter«) hat jüngst einen Relaunch hingelegt, wird neuerdings durch ZEIT Online vermarktet und dessen Gründer Markus Beckedahl (der schon 2007 als »digitaler Gesellschafter« firmierte) hat rechtzeitig zur Berliner Konferenz zusammen mit Mitstreitern die Digitale Gesellschaft gegründet, um den Onlinern eine Stimme zu geben und »effektiver für digitale Bürgerrechte einzutreten« – worüber u.a. auf ZEIT Online ausführlich berichtet wurde.

Formiert und organisiert sich die deutsche Social-Media-Gemeinde also in diesen Tagen um mit vereinter Stimme für Freiheit und Offenheit im Netz zu kämpfen? Zumindest Sascha Lobo (der hier nicht wegen seiner Frisur, sondern tatsächlich nur aufgrund seines Vortrags erwähnt wird) war nicht dieser Meinung: »Ihr sollt die digitale Gesellschaft prägen – und ihr habt versagt« ruft er in die Menge. Und weiter: »Ihr redet nur zu den gleichen 1500 Deppen – über Twitter erreicht ihr null die Leute da draußen.« Andererseits kann derartige Kritik auf einer solchen Konferenz ja aber auch ein Schritt in Richtung Selbsterkenntnis sein… Wer mehr zu diesem Thema und über »Trolle« im Netz erfahren möchte, sollte zumindest die ersten und letzten Minuten des nachfolgenden Mitschnitts von Lobos doppelbödigem Vortrag ansehen:

Auch der Philosoph Gunter Dueck mahnte zur Willensbildung und Professionalisierung der Webaktivisten – es gehe darum, »endlich in die digitale Zukunft« aufzubrechen. In seinem vielgelobten Vortrag beschrieb er das »Internet als Betriebssystem für die Gesellschaft« und die Teilnehmer der re:publica als potentielle Verbindungsstellen zwischen Netzgemeinde und Rest-Bevölkerung, welche die Gesellschaft nachhaltig verändern könnten, solange diese »nicht nur immer weiter noch mehr Wissen ansammeln wollen«, sondern damit beginnen, ihre Fähigkeiten aktiv an die breite Masse weitergeben.

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Zurück in die Vergangenheit: Btx vs. WWW

7. April 2011

Das Internet als Grundidee existierte unter verschiedenen Bezeichnungen schon seit 1969 und ermöglichte militärischen und wissenschaftlichen Institutionen die Datenübertragung von Computer zu Computer. Die breite Öffentlichkeit jedoch sah sich kaum mit solchen Kommunikationsmöglichkeiten konfrontiert und schien auch kein gesteigertes Interesse daran zu entwickeln: Die Deutsche Bundespost etwa startete mit dem Bildschirmtext (Btx) schon 1983 einen interaktiven Onlinedienst und erwartete bis 1986 ca. 1. Mio. Nutzer; tatsächlich jedoch konnten Ende des genannten Jahres nur 60.000 Kunden verzeichnet werden (vgl. Pospischil 1987).

Bildschirmtext

Augenscheinlich hielten es nicht nicht genügend Verbraucher für hinreichend sinnvoll, elektronisch Briefe zu schreiben, einzukaufen, Bankgeschäfte zu erledigen oder Informationen zu recherchieren — und das, obwohl die Deutsche Bundespost schon »die größte Informationsrevolution seit der Erfindung des Buchdrucks« heraufbeschwor. Dieser Misserfolg mutet zunächst seltsam an, denn eigentlich bot schon Btx viele der Innovationen, die später mit dem WWW assoziiert wurden. Allerdings existierten folgenschwere Einschränkungen: Die Btx-Inhalte wurden auf zentralen Servern ablegt; wer publizieren wollte, musste sich die Rechte dazu erkaufen; die Btx-Nutzer zahlten pro Seitenabruf; die Bedienung gestaltete sich umständlich; und die Angebote waren nicht verknüpft; Btx-Kunden beklagten neben der mangelhaften Usability primär die Menge an Werbeangeboten (vgl. Spiegel 1984).

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Social Media und die Landtagswahl im Süden

27. März 2011

Wir erinnern uns – Social Media als neue Mobilisierungskanäle im Wahlkampf waren 2008/2009 ein ganz großes Thema:

»Der Wahlkampf von Präsident Barack Obama hat neue Maßstäbe in der Mobilisierung von Bevölkerungsmassen gesetzt. Fundamente dieser Mobilisierung waren die pro-aktive Verwendung von Kommunikationsplattformen des Web 2.0 und das kreieren einer Marke ‘Obama’, die sich über eben diese Plattformen etablierte.«

»Obama« hatte über 3 Mio. Freunde auf Facebook (McCain: 0,6 Mio.), über 1 Mio. Bekannte auf Myspace (McCain: 0,2 Mio.) und über 100.000 Follower auf Twitter (McCain: 5000). Dass Obama 2009 zu Protokoll gab, selbst noch nie Twitter genutzt zu haben, und damit die Social-Media-Aktivitäten in seinem Namen als reine Marketing-Instrumente entlarvte, soll hier nicht erneut in aller Breite diskutiert werden (vgl. einen CARTA-Artikel). Welche Rolle aber spielten Social Media im Landtagswahlkampf 2011 in Baden-Württemberg? Weiterlesen »


Heute ist die Zukunft von gestern — Teil III

23. März 2011

In der Ära von FacebookTwitter und iPad wirkt folgendes Spiegel-Interview mit Mitch Kapor wie ein Fragment aus einer lange vergangenen Urzeit – tatsächlich ist es aber erst knapp 16 Jahre alt:

F: Wo soll denn überhaupt der Nutzen der Datenautobahn liegen?

A: […] Menschen haben ein ungeheures Bedürfnis nach Kommunikation. Sie brauchen den Kontakt zu anderen, beruflich, gesellschaftlich – auf allen Ebenen.

F: Warum brauchen Sie dafür einen Computer, wo es doch das Telefon gibt?

A: Beim Telefonieren müssen die Gesprächspartner gleichzeitig präsent sein, E-Mail funktioniert auch zeitversetzt. […] die Möglichkeit, mit entfernten Partnern zeitversetzt zu kommunizieren, hat enorme Vorteile.

Nun ist Der Spiegel ein Wochenmagazin, das die allgemeine Öffentlichkeit adressiert – und selbst 1997 verfügten erst 6 bis 7 Prozent der Deutschen über einen Internet-Zugang. Insofern erscheint es verständlich, dass der Interviewer 1995 noch eher eine kritische Haltung gegenüber dem Web eingenommen hat.

Das englischsprachige Mechanix Illustrated wagte indes schon 1968 einen beherzteren Blick in die Zukunft und notierte unter der Überschrift »40 Years in the Future«:

»The single most important item in 2008 households is the computer. These electronic brains govern everything […]. Weiterlesen »


US-Studie: »Internet« hat Print als tagesaktuelle Informationsquelle überholt (!?)

19. März 2011

Dem State of the News Media Report 2011 zufolge hat das Internet gedruckte Zeitungen in den USA 2010 als tagesaktuelle Informationsquelle überholt: 34% der Befragen hatten am Tage vor der Umfrage aktuelle Nachrichten im Netz abgerufen, aber nur 31% dafür eine Zeitung konsultiert. Die Stellung des Fernsehens als ubiquitäre Informationsquelle bleibt mit 58% aber (noch) relativ unangefochten:

news-reception-usa-internet-print

Ganz so weit scheint es in der BRD laut der ACTA 2010 noch nicht zu sein (Print: 45%, Internet 23%), trotzdem aber lohnt es sich, solche Daten, die der medialen Revolutionsrhetorik in regelmäßigen Abständen Nahrung geben, zumindest kurz zu hinterfragen: Was genau lässt sich daraus ableiten, dass »die Zeitung« gegenüber dem »Web« als tagesaktuelle Informationsquelle an Bedeutung verliert? Weiterlesen »