11. Februar 2020
Der Call for Papers für eine (der zwei) Veranstaltungen der Sektion Wissenschafts- und Technikforschung auf dem diesjährigen DGS-Kongress (14.-18. September 2020 in Berlin) zum Thema »Digitale Daten und neue Methoden: Chancen und Herausforderungen für die Soziologie« liegt nun vor:
Das Internet bzw. das Social Web bieten der Soziologie heute einen gewaltigen Pool an potenziell verfügbaren Daten (‚Big Data‘). Aus dieser Disponibilität ergibt sich allerdings eine Vielzahl an Schwierigkeiten – von der Problematik der Datenauswahl über wissenschaftliche Zugriffsrechte bis hin zu Fragen der Reliabilität, Repräsentativität und forschungsethischen Verortung. Da die zu analysierenden Daten zudem im Regelfall nicht durch die Forschenden selbst erhoben wurden, werden übliche Verfahren des Testens der Datengüte in Frage gestellt und die Möglichkeit zur (Selbst-)Täuschung über Korrelationen und Kausalitäten wächst. Daneben haben sich durch die verbreitete Nutzung von mobilen Geräten wie Smartphones aber auch die Möglichkeiten der sozialwissenschaftlichen Datenerhebung erweitert. Über entsprechende Smartphone-Anwendungen lassen sich beispielsweise Daten in unterschiedlicher Granularität kontinuierlich generieren und über verteilte Systeme kollaborativ auswerten.
Aber wie valide sind die so gewonnenen Daten – gerade auch im Vergleich zu etablierten Erhebungsmethoden? Wie lassen sich die sehr weitreichenden Versprechen, die an ‚Big Data‘ geknüpft werden, in der empirischen Sozialforschung einlösen und welche Kritik lässt sich im Gegenzug anbringen? Welche Rolle spielen neue technische Infrastrukturen bei der Registrierung und Auswertung der Daten und welche Bedeutung hat dies für eine digitale Soziologie bzw. Computational Sociology? Inwiefern kann die Soziologie angesichts ihrer theoretischen Fundierung und ihrer umfänglichen Erfahrung mit komplexen Datenbeständen zu einer belastbaren Auswertung digitaler Massendaten beitragen?
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28. Januar 2020
Das Programm für den dritten Workshop im Arbeitskreis Digitalisierung und Organisation in der Sektion Organisationssoziologie zum Thema »Theoretische und empirische Grundlagen einer soziologischen Digitalisierungsforschung« (5. und 6. März, TU Berlin) ist fertiggestellt und kann hier abgerufen werden.
20 Vorträge aus vielfältigen Themenfeldern und eine Keynote von Sabine Pfeiffer stehen auf der Liste. Dazu organisieren wir auch diesmal einen interaktiven Austausch im Kontext unseres Workshops. Wir freuen uns auf spannende Diskussionen mit allen Teilnehmenden. Eine Teilnahme ist auch ohne eigenen Vortrag möglich.
7. Januar 2020
Vor rund 85 Jahren – 1934 – ist Lewis Mumfords (1895–1990) Buch »Technics and Civilization« erschienen, welches sich auf monoskop.org als photographisches PDF einsehen lässt. Schon in dieser Zeit war Mumford ein Technikkritiker, Apokalyptiker und Kulturpessimist mit einem stellenweise stark moralisierenden Tonfall, der das Buch mitunter fast unlesbar macht und später in The Myth of the Machine (1967/1970) vollkommen die Oberhand gewinnen sollte. Nichtsdestoweniger stellt Mumford Fragen, die auch heute noch – in einer Phase, in der sich die Gesellschaft ihrer umfassenden Digitalisierung bewusst wird – überaus anregend sind (S. 3):
»During the last thousand years the material basis and the cultural forms of Western Civilization have been profoundly modified by the development of the machine. How did this come about? Where did it take place? What were the chief motives that encouraged this radical transformation of the environment and the routine of life: what were the ends in view: what were the means and methods: what unexpected values have arisen in the process? […] While people often call our period the ›Machine Age‹, very few have any perspective on modern technics or any clear notion as to its origins. […] Men had become mechanical before they perfected complicated machines to express their new bent and interest […]. Behind all the great material inventions of the last century and a half was not merely a long internal development of technics: there was also a change of mind. Before the new industrial processes could take hold on a great scale, a reorientation of wishes, habits, ideas, goals was necessary.«
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6. Dezember 2019
Christian Katzenbach (HIIG Berlin) und Lena Ulbricht (WZB) haben einen handlichen und systematisierenden Artikel zu »Algorithmic Governance« verfasst, der sich kostenfrei abrufen lässt. Das Abstract:
Algorithmic governance as a key concept in controversies around the emerging digital society highlights the idea that digital technologies produce social ordering in a specific way. Starting with the origins of the concept, this paper portrays different perspectives and objects of inquiry where algorithmic governance has gained prominence ranging from the public sector to labour management and ordering digital communication. Recurrent controversies across all sectors such as datafication and surveillance, bias, agency and transparency indicate that the concept of algorithmic governance allows to bring objects of inquiry and research fields that had not been related before into a joint conversation. Short case studies on predictive policy and automated content moderation show that algorithmic governance is multiple, contingent and contested. It takes different forms in different contexts and jurisdictions, and it is shaped by interests, power, and resistance.
20. November 2019
Auf der STS Conference Graz 2020 organisiere ich eine Session zum Thema »Digital Platforms and the Transformation of Public Communication« und freue mich auf instruktive Einreichungen zum angeschlagenen Thema:
Intermediary media platforms are not an exclusive phenomenon of the digital age […]. However, only with the establishment of the Internet and easy-to-use devices, recipients see themselves in a position to access the catalogue of the platforms themselves and to select the content with algorithmic tools—just as all usage dynamics can be aggregated and evaluated. Thus, on the one hand, ‘platforms’ as socio-technical coordination structures become the focus of attention; on the other hand, this change results in serious shifts in media economics and in the structures of public communication […]. Against this background, this session aims to explore the potentials and limits of given conceptions of the public sphere:
To what extent do well-established theories continue to offer an informative classification foil in the investigation of public communication?
Which novel dynamics of interaction and exchange remain invisible in traditional models of the public sphere?
Which alternative conceptions of networked platform publics have so far proven to be instructive beyond individual case studies?
Do the empirically observable dynamics in contemporary public communication even speak in favor of saying goodbye to ideas of a public sphere as a whole and of starting from multiple arenas of public communication that are at best loosely coupled with one another?
5. November 2019
In diesen Tagen sind die Verhandlungen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Göttingen 2018 erschienen. Darin finden sich auch die verschriftlichten Vorträge des Plenums »Digital Lives«, so auch der Beitrag von Marc Mölders und mir zum Thema »Digitalisierung @ zivilgesellschaftliche Gegenmächte. Erwartungen und Empirie in der Organisation von Gesellschaftskorrektur«:
Unsere These lautet, dass Digitales durchaus bezeichnenswerte Unterschiede für die Korrektur der Gegenwartsgesellschaft macht, diesbezüglich aber Probleme auftauchen bzw. bleiben, die nicht technisch überbrückbar sind. Ein genauerer Blick auf die hilfreichsten Technologien zeigt zudem, dass diese bei weitem nicht so schillernd sind, wie sie sowohl Apologet/-innen als auch Kritiker/-innen der ›digitalen Gesellschaft‹ zeichnen. Zwar nehmen wir eine differenzierungstheoretische Perspektive ein, werden aber auch dieser, nach der Erörterung dreier Fallbeispiele zur Arbeit zivilgesellschaftlicher Gegenmächte (Soziale Bewegungen, Online-Petitionsplattformen, Transnationaler Investigativ-Journalismus), einige Anpassungsvorschläge nahelegen. Wir schließen den Beitrag mit dem Plädoyer für eine evolutionstheoretische Sicht auf soziale Wirklichkeitskonstruktion. Mit dem Hinweis auf Evolution soll gerade nicht gesagt sein, dass das Anregen zur Bearbeitung der Folgen funktionaler Differenzierung – der Korrektur der Gesellschaft – ganz und gar zufällig prozessiert, wohl aber, dass der Weg vom Anregen bis zur Korrektur einen historischen Blick verlangt, der durch einen Einbezug der evolutionären Mechanismen der Variation, Selektion und (Re-)Stabilisierung geschärft werden kann.
23. Oktober 2019
Bei Springer ist jüngst der Band »Privatsphäre 4.0. Eine Neuverortung des Privaten im Zeitalter der Digitalisierung« (Hg. von Hauke Behrendt, Wulf Loh, Tobias Matzner und Catrin Misselhorn) erschienen. Klappentext:
»Wie lässt sich der Bereich des Privaten heute genau beschreiben? Welchen Wert besitzt Privatheit in digitalisierten Gesellschaften für den Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes? Welche Werte und Lebensformen werden durch Privatheit geschützt, welche eingeschränkt? Entstehen durch die Informationsasymmetrie zwischen Technologieunternehmen, staatlichen Verdatungsinstitutionen und Verbrauchern/Bürgern möglicherweise neue Machtstrukturen? Welche rechtlichen Implikationen ergeben sich hieraus.«
Darin findet sich auch ein Beitrag von mir zum Thema »Big Data und Privatheit«, der u.a. herausarbeitet wie »die Grenze zwischen ›privat‹ und ›öffentlich‹ […] mit jeder als neu wahrgenommenen Medientechnik sowie den damit einhergehenden Erwartungsdiskursen neu austariert, spezifiziert und für das Individuum in seiner alltagspraktischen Erfahrungswelt reaktualisiert« wird.