›Brenner‹-Studie 2011: Klauen wie die Raben?

30. August 2011

Die alljährliche »Brenner-Studie« der GfK für 2011 ist erschienen und wurde in »Studie zur digitalen Content-Nutzung« umbenannt, da dieses Jahr auch der Download und die Nutzung von weiteren Medienprodukten reflektiert wird und neben dem Bundesverband der Musikindustrie auch die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels als Kooperationspartner hinter der Untersuchung stehen.

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Diese Zusammenarbeit, wie auch die einseitige initiale Interpretation der Ergebnisse durch die Verbände (vgl. Buchreport, Spiegel Online), zeigt, dass die einzelnen Mediensektoren Raubkopien als gemeinsames Problem erkannt haben. Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, gibt denn auch angesichts der Studienergebnisse sogleich zu Protokoll, es sei »nicht erkennbar, dass die Bundesregierung das kulturelle und wirtschaftliche Gefahrenpotenzial erkennt. Wenn nicht bald eine vernünftige Regelung für den Umgang mit urhe­berrechtlich geschützten Inhalten im Netz entwickelt wird, entzieht das den Kreativen und ihren Verlagspartnern nach und nach die wirtschaftliche Grund­lage.«

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Splitter: Regelmäßige Social-Media-Nutzung

28. August 2011

Die Ergebnisse der repräsentativen ARD/ZDF-Onlinestudie 2011 (Basis: deutschsprachige Onliner) deuten darauf hin, dass das Interesse an der aktiven Teilhabe im Web sinkt. Selbiges illustriert auch die nachfolgende Grafik: Mit Ausnahme von privaten Communities wie Facebook oder Google+ und Videoportalen wie Youtube nehmen die Werte zur mindestens wöchentlichen Nutzung von Social Media seit 2010 (nach einer Phase der Neugierde) wieder ab. Dies gilt insbesondere für Weblogs und Twitter, also für jene Teile des »Web 2.0«, in denen am ehesten Alternativen zu den Beobachtungsangeboten der klassischen Massenmedien erarbeitet und verbreitet werden können.

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»Liebe Geisteswissenschaftler, […] vielleicht braucht Euch ja doch keiner«

19. August 2011

Eigentlich sollte sich der nächste Gedankenstrich-Beitrag um die Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2011 drehen, da sich aber augenscheinlich in der Rezeption wenig am Verhältnis von Social Media und Massenmedien geändert hat und es in den letzten zwei Tagen ein polemischer Artikel des Attention-Bloggers Martin Seemann zum Verhältnis der Geistes- und Sozialwissenschaften mit der digitalen Gesellschaft geschafft hat, 80 Kommentare (!) zu generieren und ein Interview auf süddeutsche.de nach sich zu ziehen, erhält dieses Thema den Zuschlag.

Der Artikel

Michael Seemann ist »ein Fan der Geisteswissenschaft«, hält aber augenscheinlich nicht viel von ihren derzeitigen Vertretern:

»Ich habe ein Problem mit Euch, dem denkfaulen, behäbigen und selbstgerechten Personal, das bräsig in der Uni sitzt, Paper über Themen schreibt, die keinen interessieren und die keiner liest, während die Welt sich rasant verändert. […] Ich habe ein Problem mit Euch, die Ihr aus eitler Attitüde heraus das neue Feld des Geistes, der Kultur und des Menschen habt links liegen lassen und damit Euch selbst – Eure gesamte gesellschaftliche Relevanz – aufgegeben habt!«

Der Autor hat sich vermutlich gedacht, es sei besser mit dem Holzhammer eine Diskussion anzustossen als gar nicht – oder aber der gemeine Geistes- und Sozialwissenschaftler hat sich schlicht noch nicht daran gewöhnt, dass sich im Netz aus Sicht Seemanns nur mit Brachialthesen Aufmerksamkeit gewinnen lässt. Der Artikel fährt denn auch mit folgenden Anfragen an einzelne Subdisziplinen fort:

@Sozialwissenschaftler: »Hast Du schon Kooperationen mit Facebook, Google oder wenigstens StudiVZ gesucht, um an Daten heranzukommen, wie Menschen tatsächlich miteinander interagieren? Das, was Ihr all die jahrelang vor Euch hinfabuliert habt, harrt der empirischen Überprüfung. Die Daten sind da. Menschliche Interaktion ist heute messbar. Wann fangt Ihr an?«

@Politikwissenschaftler: »Hast Du Dich schon mal mit der Unternehmensstruktur des Googlekonzerns befasst? Kennst Du Dich aus, mit dem Plattformstreit? Verfolgst Du die aktuelle Evolution vom Dienst, zur Plattform, zum Markt, zum Ökosystem? […] Im Internet werden die Weichen der Zukunft gestellt, dort verlagern sich Gesellschaft und damit Macht, Aushandlungsprozesse und die Normativität des Faktischen hin.«

@Philosophen: »Hier werden Sprechakte und ihre Wirkung erfahrbar. Hier entstehen neue Formen des gemeinsamen Denkens, vielleicht sogar neue Formen von Bewusstsein. […] Warum müssen Journalisten, Techies, Ex-Hippies und Blogger Deinen Job übernehmen und die großen neuen Theorien, Utopien und Ethiken spinnen?«

Die Kommentare

Seemann selbst bezeichnet den Artikel in seiner Reaktion auf die Kommentare als »Rant« (Gerede), trotzdem aber fühlten sich in den vergangenen Tagen rund 80 Leser gemüßigt, auf die getätigten Aussagen zu reagieren. Nachfolgend eine selbstredend kontigente Auswahl:

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TA’11: Partizipation in Technikfragen — Nachlese

10. August 2011

Im Juni durfte ich an der diesjährigen Konferenz des Instituts für Technikfolgenabschätzung (ITA) der Österreichische Akademie der Wissenschaften in Wien teilnehmen, welche sich mit der Partizipation bzw. Beteiligung von Bürgern und Bürgerinnen in Technikfragen beschäftigte. Es ging also u.a. um folgende Fragen:

»Können partizipative Verfahren tatsächlich dazu beitragen, alternative Rationalitäten, Interessen und Werte sichtbar zu machen? Erhöhen sie die Legitimität von Entscheidungen, indem sie vormals nicht-involvierten BürgerInnen eine Stimme geben?«

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»Das Web hat sich schneller als andere Medien ausgebreitet« — ein Mythos?

8. August 2011

Norbert Elias hat dem Sozialwissenschaftler in »Was ist Soziologie?« (1970) einst die Funktion eines »Mythenjägers« zugesprochen und auch in der modernen Informationsgesellschaft durchkreuzen noch immer zahlreiche Legenden die Öffentlichkeit, die hinterfragenswert erscheinen – darunter die Erzählung, dass sich das Internet schneller ausgebreitet hat als alle Medien je zuvor (siehe etwa hier). Und tatsächlich: Während z.B. in den USA das Radio nach 20 Jahren Marktpräsenz 99 Mio. Nutzer und das Fernsehen deren 160 Mio. verzeichnen konnte, wird das Web bis Ende 2011 rund 250 Mio. US-Amerikaner erreichen.

Der norwegische Informatik-Dozent Gisle Hannemyr stellte allerdings schon 2003 in einem Artikel fest, dass an dieser einfachen Rechnung vieles nicht stimmt: Einerseits sollte zwecks Vergleichbarkeit darauf geachtet werden, dass der Startpunkt der Verbreitungskurven für jedes Medium eine ähnliche Ausgangssituation beschreibt, und andererseits müsste die Bevölkerungsentwicklung mit in die Berechnung mit einbezogen werden. Wird beides getan, kommt folgende Grafik heraus (die Hannemyrs Daten um aktuellere Nutzer- und Bevölkerungszahlen ergänzt):

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