›Brenner‹-Studie 2011: Klauen wie die Raben?

30. August 2011

Die alljährliche »Brenner-Studie« der GfK für 2011 ist erschienen und wurde in »Studie zur digitalen Content-Nutzung« umbenannt, da dieses Jahr auch der Download und die Nutzung von weiteren Medienprodukten reflektiert wird und neben dem Bundesverband der Musikindustrie auch die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels als Kooperationspartner hinter der Untersuchung stehen.

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Diese Zusammenarbeit, wie auch die einseitige initiale Interpretation der Ergebnisse durch die Verbände (vgl. Buchreport, Spiegel Online), zeigt, dass die einzelnen Mediensektoren Raubkopien als gemeinsames Problem erkannt haben. Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, gibt denn auch angesichts der Studienergebnisse sogleich zu Protokoll, es sei »nicht erkennbar, dass die Bundesregierung das kulturelle und wirtschaftliche Gefahrenpotenzial erkennt. Wenn nicht bald eine vernünftige Regelung für den Umgang mit urhe­berrechtlich geschützten Inhalten im Netz entwickelt wird, entzieht das den Kreativen und ihren Verlagspartnern nach und nach die wirtschaftliche Grund­lage.«

Es ist bis zu einem gewissen Grad verständlich, dass die Auftraggeber einer solchen Studie deren Ergebnisse nutzen, um ihre Standpunkte zu verdeutlichen, weshalb die Aufregung um ihre Statements nur bedingt nachvollziehbar erscheint. Dankenswerterweise werden die Ergebnisse der Erhebung aber auch in Reinform zur Verfügung gestellt, so dass sich jeder interessierte Leser ein eigenes Bild machen kann. Nachfolgend eine unaufgeregte Präsentation der Kernergebnisse der repräsentativen Studie, die im Februar 2011 anhand einer Stichprobe von 10.000 Personen (BRD, ab 10 Jahre, Selbsteinschätzung) durchgeführt wurde:

  • 32 Prozent der Befragten (gesamt) gaben an, Medieninhalte im Internet genutzt oder heruntergeladen zu haben. Rund 24 Prozent haben Musik aus dem Internet genutzt, ca. 9 Prozent TV-Serien, ca. 7 Prozent Spiel- oder Kinofilme, 6 Prozent PC- oder Videospiele, 5 Prozent Hörbücher oder -spiele und rund 3 Prozent E-Books.
  • Die Befragten, die 2010 nicht nur Inhalte online genutzt, sondern auch heruntergeladen haben (22 Prozent des Samples, geschätzte 14,3 Mio. Deutsche), sollten nachfolgend bilanzieren, wieviele Inhalte sie auf welchen Plattformen illegal oder legal heruntergeladen haben (die sehr weite Interpretation von illegal – Tauschbörsen, Sharehoster, privaten Websites, Blogs, Foren, ftp-Server, Newsgroups – wird in den genannten Artikeln kritisiert). Gemäß der Studie haben 1,8 Mio. Deutsche 185 Mio. Musik-Tracks, 1,7 Mio. Deutsche 46 Mio. Musik-Alben und 0,8 Mio. Deutsche 14 Mio. E-Books illegal heruntergeladen. Insgesamt gaben 6 Prozent des Gesamtsamples an, illegal Dateien aus dem Netz zu laden.
  • Rund 11 Mio. Deutsche laden dagegen ausschließlich legal Musik-Tracks (Alben: ca. 6 Mio.) und rund 1,9 Mio. legale E-Books jeglicher Form aus dem Internet.
  • 45 Prozent der Musik-Einzeltracks wurden via Filesharing heruntergeladen, 74 Prozent waren es im Falle der Musikalben, 27 Prozent bei Hörbüchern, 62 Prozent bei E-Books, 83 Prozent bei Kinofilmen und 61 Prozent bei TV-Serien.
  • Rund 80 Prozent der legal oder illegal heruntergeladenen Musik wird auf Festplatten gespeichert (Filme/Serien: 90+ Prozent). Dies gilt auch für über 70 Prozent der E-Books. 16 Prozent der Musik-Downloads werden auf mp3-Playern oder Mobiltelefonen gespeichert, aber lediglich 9 Prozent der E-Books werden laut Selbstauskunft auf Tablets oder E-Readern gespeichert.
  • 80 Prozent wussten, dass das unbezahlte Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Inhalten rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Einmal angenommen, dass eine Abfrage der Mediennutzung nach Selbsteinschätzung die tatsächlichen Gegebenheiten adäquat darstellen kann, spricht die vorliegende GfK-Studie dafür, dass der Anteil an regelmäßigen illegalen Downloadern in der BRD relativ gering ist, diese ›Illegalen‹ aber äussert viele Inhalte herunterladen. Es kann also kaum pauschal die Rede davon sein, dass »die Deutschen« online klauen, was das Zeug hält: Der hohe Anteil an illegalen Downloads in den verschiedenen Mediensparten wird von einem relativ kleinen Bevölkerungsteil generiert und es stellt sich die Frage, inwieweit diese Zahlen mit Statistiken zu den Home-Tapern und Bücher-Kopierern aus der analogen Zeit vergleichbar wären, wenn es sie denn in ähnlicher Form gäbe (vgl.: »Fair bleiben, Freunde, klaut nix im Internet«).

Zudem scheinen E-Books als Lektüre auf E-Readern oder Tablets – also in direkter Konkurrenz zu gedruckten Büchern und nicht als Nachschlagewerk auf dem Computerbildschirm – in der BRD noch immer ein Nischendasein zu fristen.


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2 Kommentare zu “›Brenner‹-Studie 2011: Klauen wie die Raben?”

  1. Oliver says:

    Plus die Millionen, die noch mit Abmahnungen abkassiert werden. 🙂

  2. Leo says:

    Ganz interessanter Kommentar von Manuel Bonik dazu auf http://www.buchreport.de:

    “E-Book-Piraterie ist in Deutschland noch ein neues, ein dafür jetzt umso stärker und schneller um sich greifendes Problem. Dies ist eine Folge von Fehlern, die die deutsche Buchwirtschaft gemacht hat. Die Akzeptanz des (bezahlten) E-Books krankt hier an bekannten Problemen: DRM. E-Books sind zu teuer. Verglichen mit dem Angebot von Piratenseiten ist das legale deutsche Angebot im Internet (abgesehen von Amazon) fast unsichtbar. Und es ist deutlich zu klein: Die Mehrzahl der piratierten E-Books wurde von den Piraten selbst digitalisiert. Sucht man bei Libreka nach z. B. Science-fiction-E-Books deutscher Sprache, werden einem 171 Bücher angeboten. Zum Vergleich: Auf dem bekannten deutschen Piratenforum b***.bz finden sich auf einem einzigen Science-fiction-Thread ca. 6000 E-Books.”