Das Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, (3. Auflage, Hg. von Nina Baur und Jörg Blasius) findet sich nun auf SpringerLink.
Das Handbuch vergleicht systematisch Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich Problemen, Prinzipien, Vorgehensweisen, Standards und Gütekriterien für verschiedene qualitative und quantitative Methoden der Sozialforschung. Um diese Fragen zu beantworten, diskutieren ausgewiesene Experten in 122 Beiträgen den aktuellen Stand der Forschung und bieten Forschenden, Lehrenden und Studierenden einen detaillierten Überblick über die verschiedenen Methoden der empirischen Sozialforschung. Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Datenerhebung, also auf digitalen Methoden, standardisierten und offenen Befragungen, sowie zahlreichen anderen aktuell verwendeten Datentypen.
Das Social Web bietet […] vorderhand einen gewaltigen Pool an mehr oder minder unkompliziert verfügbaren Daten und Inhalten, die durch die Forschenden nicht mehr in klassischer Manier erhoben werden müssen. Schon aus dieser schieren Disponibilität ergeben sich allerdings eine Vielzahl an Herausforderungen – von der Problematik der Datenauswahl über Fragen der Reliabilität bis hin zu Problemen der Repräsentativität und Generalisierbarkeit sowie der Zeitstabilität der Medien selbst. Darüber hinaus resultieren aus den vielfältigen Mischformen zwischen privater und öffentlicher Kommunikation im Social Web bzw. der Multiplizität technisch vermittelter Öffentlichkeiten, der je nach Plattform divergenten Medienlogiken und der nutzungspraktischen Verschränkung unterschiedlicher Medien- und Kommunikationskanäle eine Vielzahl weiterer Problemstellungen […].
Der in der ersten Jahreshälfte erschienene Global Music Report 2022 der IFPI bestätigt die seit Jahren erkennbare Dominanz von Streaming-Plattformen im weltweiten Musikkonsum: Während im Jahr 2001 noch 97 Prozent der Umsätze der globalen Musikindustrie durch recorded music auf physischen Trägermedien generiert wurden, wurden 2021 rund 65 Prozent der globalen Umsätze durch Streaming auf Plattformen wie Spotify, Apple Music oder Amazon Music erzielt.
Das Streaming von Medieninhalten, das zuerst im illegalen Bereich auf Filesharing-Plattformen erprobt wurde, bevor es im Zuge der Verbreitung kostengünstiger Breitband-Internetzugänge massenkompatibel wurde, wird mit der Digitalisierung folglich im alltäglichen Musikkonsum (wie auch im Falle von Videoinhalten) zur Regel. Damit hat sich für den Bereich der Unterhaltungsmedien (all ihrer politischen Implikationen entkleidet) Jeremy Rifkins (2000) These bewahrheitet, dass das Streben nach Eigentum mit der digitalen Transformation durch ein Streben nach Zugang verdrängt wird (vgl. auch Kap. 5.1 in dem Buch Digitale Transformation).
Der Online-Kauf und Download von Musikinhalten spielt hingegen von Jahr zu Jahr eine immer geringere Rolle und zeichnete sich 2021 nur noch für gut 3 Prozent der globalen Umsätze verantwortlich. Wachstum konnten allerdings physische Trägermedien verzeichnen, deren Umsatzanteil sich mit über 19 Prozent gegenüber 2020 leicht erhöht hat. Insbesondere das sich weiter steigernde Interesse an Vinylplatten trug laut dem Global Music Report zu diesem Trend bei. Dazu passt, dass dem deutschen Bundesverband der Musikindustrie zufolge im ersten Halbjahr 2022 hierzulande mehr als 6 Prozent des Gesamtumsatzes mit Vinyl-Alben generiert wurden (Streaming: 73 Prozent; Download: 2,4 Prozent; CD: 13 Prozent).
»So vermittelt dieses Studienbuch kompakt, transparent und gründlich ohne Frage ein ›Gespür für den Gesamtzusammenhang von Technik und Gesellschaft‹, wie es im Resümee (202) heißt […]. Dabei ist ihm eine Einführung in und ein Überblick über die Thematik der Digitalisierung gelungen, wie sie in dieser argumentativen Stringenz und strukturierten Konsequenz, theoretischen Komplexität und Pluralität, thematischen Breite und Vielfalt und vor allem im gründlichen Verständnis für historische Prozesse und gesellschaftliche Entwicklungen in der Tat (zumindest deutschsprachig) noch nicht vorgelegen hat.«
Der Reuters Institute Digital News Report 2022 ist erschienen und bietet wie in den Jahren zuvor einen Überblick zur weltweiten Rezeption von Nachrichtenangeboten und Nutzung der unterschiedlichen Medienkanäle in der individuellen Versorgung mit tagesaktuellen Informationen. In Deutschland fand die Erhebung zwischen dem 14. Januar und dem 10. Februar 2022 statt; die Stichprobe ist für Internetnutzende ab 18 Jahren repräsentativ. Hier die wichtigsten Links dazu:
Inzwischen sind fast alle Beiträge des 62. Sonderhefts der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS) ›online first‹ in Open-Access-Form erschienen. Die Beiträge des Sonderhefts mit Titel »Internet, Big Data und digitale Plattformen: Politische Ökonomie – Kommunikation – Regulierung« (hg. v. U. Dolata & J.-F. Schrape) befassen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln – empirisch, theoretisch und historisch rekonstruierend – mit den organisationalen, sozioökonomischen und regulativen Eigenheiten des plattformbasierten Internets, analysieren dessen Auswirkungen auf die politische Kommunikation und Öffentlichkeit, untersuchen die Lebenszyklen und Ausprägungen von vorderhand offen strukturierten Online-Gemeinschaften und diskutieren zentrale methodologische Herausforderungen für die empirische Sozialforschung, die mit dem rasant anwachsenden Bestand an (oft in privatwirtschaftlichen Zusammenhängen generierten) digitalen Daten verbunden sind (vgl. Einführung in das Heft).
Themenfeld 1: Politische Ökonomie und Organisation
Das heutige Internet wird durch privatwirtschaftlich betriebene Plattformen der unterschiedlichsten Art geprägt. Dieser Beitrag fragt danach, wie sich die kommerziellen Kommunikations‑, Markt‑, Konsum- und Serviceplattformen als distinkte Unternehmensform fassen lassen. Dazu wird eine basale Unterscheidung zwischen (1) den plattformbetreibenden Unternehmen als organisierenden und strukturierenden Kernen und (2) den ihnen gehörenden Plattformen als mehr oder minder ausgreifenden sozialen Handlungsräumen vorgenommen. Während sich Plattformunternehmen als Organisationen im geradezu klassischen Sinne darstellen lassen, konstituieren die von ihnen betriebenen Internetplattformen soziotechnisch strukturierte Sozial‑, Markt‑, Konsum- oder Serviceräume, in denen soziale Akteure zwar auf der Grundlage detailliert ausgestalteter und technisch eingefasster Regeln, aber zugleich variantenreich und eigenwillig interagieren. Die für die Plattform-Architekturen charakteristischen Koordinations‑, Kontroll- und Verwertungsmechanismen zeichnen sich durch eine starke hierarchische Ausrichtung aus, in die Elemente der Kooptation und des orchestrierten Mitwirkens der Nutzer eingelagert sind. Die Plattformunternehmen haben in dieser hybriden Konstellation ein hohes Maß an strukturgebender, regelsetzender und kontrollierender Macht – und verfügen überdies über den exklusiven Zugriff auf das dort produzierte Rohmaterial an Daten. Diese Macht äußert sich auch, aber längst nicht ausschließlich als rigide Kontrolle, als direktiver Zwang oder einklagbare Rechenschaftspflicht, sondern entfaltet sich für die große Zahl regelkonformer Nutzer weitgehend geräuschlos unter der Oberfläche einer (vermeintlichen) Offenheit, die die Plattformen als Markt- und Sozialräume auch auszeichnet.
Der Digital Markets Act und der Digital Services Act der EU – und damit die ersten ernsthaften übergreifenden Regulierungsmaßnahmen gegenüber Internetplattformen in Europa – sind nun (bald) einsatzbereit und Margrethe Vestager, seit 2014 EU-Kommissarin für Wettbewerb und seit 2019 geschäftsführende Vizepräsidentin und Kommissarin für Digitales, kommentiert: »Die Demokratie ist zurück.«
Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme irritiert seit Generationen Studierende aller sozialwissenschaftlichen Fachbereiche und ruft im soziologischen Alltagsgeschäft unter Forschenden abweichender Provenienz regelmäßig eingespielte Abwehrreaktionen hervor, die sich vor allem anderen auf die theoriefundamentale Entscheidung beziehen, »den Menschen als Teil der Umwelt der Gesellschaft« anzusehen (Luhmann 1984: 228f.). Dieses Skript will sich nicht an den damit verknüpften innerdisziplinären Debatten beteiligen, die durch zahlreiche Vermittlungsversuche zwischen handlungs- und systemtheoretischen Perspektiven und mehr oder minder belastbare Weiterentwicklungen durch Schülerinnen und Schüler Luhmanns bzw. neuerliche Vertreter seiner Gesellschaftstheorie geprägt sind.
Vielmehr geht es an dieser Stelle darum, mit dem operativen Konstruktivismus in eine grundlegende Denkfigur der Theorie sozialer Systeme einzuführen, die Luhmanns Soziologie im Kern als ein Theorie gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion ausweist und vielfältige Erklärungspotenziale für die Analyse der digitalisierten Gesellschaft bereithält. Denn: Ein zentraler Bezugspunkt Luhmanns bestand in der Kontingenz aller Erkenntnis und der Pluralität divergent ausgerichteter Wirklichkeitssichten in einer polykontexturalen Weltgesellschaft, die von Ungleichheit und Ungleichzeitigkeit geprägt ist. Und an dieser Diagnose hat sich im Zeitalter von Social Media, Big Data und algorithmischer Selektion nichts geändert – im Gegenteil.
Großbritannien: Full Fact ist eine Wohltätigkeitsorganisation aus London, die Nachrichten und Inhalte (auch Bildmaterial) auf Social-Media-Plattformen überprüft und korrigiert.
Deutschland: Das stiftungsfinanzierte Recherchezentrum Correctiv hat mit dem »Sanktions-Tracker« eine Website geschaffen, die in Form von interaktiven Visualisierungen einen tagesaktuellen Überblick über die gegen Russland verhängte Sanktionen bietet und Hintergrundinformationen bereitstellt.
Schweiz: Der News plus-Podcast, der vom SRF und SRG SSR produziert wird, zeichnet sich durch eine interaktive Einbindung des Publikums über Online-Communities, E-Mails- und WhatsApp aus.
Polen und Lettland: Das polnische Nachrichtenportal Onet bietet (ebenso wie das öffentlich-rechtliche Radio 1) Nachrichten in ukrainischer Sprache, die neben anderem Informationen für Geflüchtete bereit halten. Auch lettische Medien senden regelmäßig Sonderausgaben und Nachrichten auf ukrainisch.
In dem derzeit kostenfrei abrufbaren Aufsatz »Plattformzentrierte Arbeitskoordination im kommerziellen und kooperativen Fahrradkurierwesen« (Arbeit 30, Heft 4) vergleichen wir den Einsatz digitaler Plattformen in kommerziellen und kooperativen Arbeitszusammenhängen. Auf der Basis zweier Fallstudien zu dem automatisierten Arbeitsmanagement in der kommerziellen Gig Economy und der kollektiven Nutzung informationstechnischer Plattformen in kooperativen Projekten diskutieren wir das veränderte Zusammenspiel von technischen und sozialen Strukturierungsleistungen in der Koordination von Arbeit. Der Artikel kommt zu folgendem Schluss:
Wie sich die Plattformisierung von Arbeitszusammenhängen ausspielt und welche der ermöglichenden, strukturierenden und kontrollierenden Eigenheiten informationstechnischer Plattformen fallweise hervortreten, hängt […] vor allem anderen von den konkreten Implementationsweisen und den in den jeweiligen Arbeitszusammenhängen gegebenen sozioökonomischen Grundkonstellationen ab. Eine offen gehaltene informationstechnische Infrastruktur, die von ihren Nutzer*innen angepasst werden kann, mehrere komplementäre Kommunikationskanäle anbietet und in horizontal angelegte Arbeitszusammenhänge eingebettet ist, eröffnet vielfältige Möglichkeiten zur Mitbestimmung und Mitgestaltung. Geschlossene und proprietär betriebene Koordinationsplattformen, wie sie sich in […] der Gig Economy finden lassen, folgen hingegen rein ökonomischen Orientierungen und können den Austausch unter den Arbeitnehmenden effektiv behindern, deren Atomisierung befördern und in einem weitreichenden Kontrollregime resultieren.
Gleichzeitig zeigt sich […], dass technisch eröffnete Möglichkeitsräume der Automatisierung, Standardisierung und Kontrolle mit zunehmender sozioökonomischer Lebensdauer regelmäßig Objekt arbeitspolitischer Aushandlungsprozesse und öffentlicher Debatten werden, auf die Plattformunternehmen in der Ausgestaltung der soziotechnischen Regulationsmuster ihrer Plattformen und der anliegenden Arbeitsbedingungen in der einen oder anderen Form reagieren müssen, um ihr Geschäft einträglich zu halten.