Zusammen mit der ÖGS-Sektion Technik- und Wissenschaftssoziologie organisiert die DGS-Sektion Wissenschafts- und Technikforschung auf dem diesjährigen Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie im Juli 2023 an der Wirtschaftsuniversität Wien eine Veranstaltung zum Thema »Krise und Kritik im Social Web«. Aus dem Call for Papers:
Die Krisen unserer Zeit spiegeln sich in radikalisierter und polarisierter Form im Social Web wider. Nie zuvor waren politische Konflikte und diskursive Differenzen, soziale Ungleichheiten und globale Ungleichzeitigkeiten, divergente Wirklichkeitssichten, Dynamiken der Selbstvergewisserung und die Abgründe menschlichen Kommunikationsverhaltens sichtbarer als in den soziotechnisch strukturierten Sozialräumen, die digitale Social-Media- und Social-Networking-Plattformen im Internet aufspannen.
Anknüpfend an das Themenpapier des diesjährigen ÖGS-Kongresses fragt diese gemeinsame Sektionsveranstaltung nach dem Verhältnis von Krise und Kritik im Social Web und den empirisch beobachtbaren Konsequenzen für Politik und Öffentlichkeit: Inwiefern befördern die Strukturen des Social Webs eine fortschreitende Polarisierung und Radikalisierung der politischen Krisenkommunikation? Oder sind sie eher ein Surrogat schon zuvor angestoßener Veränderungen im öffentlichen Austausch? Verstärkt sich der Eindruck fortlaufend emergierender Krisenphänomene durch die ubiquitäre Sichtbarkeit von Kritik, Unzufriedenheit und Unvereinbarkeit im Social Web? Wie wirken technische und soziale Strukturierungsleistungen in den dort beobachtbaren Dynamiken der Polarisierung und Radikalisierung ineinander? Wie verändert sich die demokratische Erwägungskultur und Urteilsbildung durch die kontinuierliche Sichtbarkeit von Brüchen und differierenden Weltbildern im Social Web? Gerät die Kritik als Resultat substanzieller Auseinandersetzung selbst in die Krise? In welchem Verhältnis stehen die Sichtbarkeit polarisierter Kritik und Skepsis im Social Web und das Entstehen neuer radikaler Protestformen? Und: Kann die Gesellschaft unter diesen Prämissen überhaupt noch eine als gemeinsam markierte Bezugsgrundlage zur Legitimation politischer Krisenbewältigung herstellen?
»So vermittelt dieses Studienbuch kompakt, transparent und gründlich ohne Frage ein ›Gespür für den Gesamtzusammenhang von Technik und Gesellschaft‹, wie es im Resümee (202) heißt […]. Dabei ist ihm eine Einführung in und ein Überblick über die Thematik der Digitalisierung gelungen, wie sie in dieser argumentativen Stringenz und strukturierten Konsequenz, theoretischen Komplexität und Pluralität, thematischen Breite und Vielfalt und vor allem im gründlichen Verständnis für historische Prozesse und gesellschaftliche Entwicklungen in der Tat (zumindest deutschsprachig) noch nicht vorgelegen hat.«
Auf dem 41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (Bielefeld, 26.–30.9.2022) richten die Sektionen Medien- und Kommunikationssoziologie sowie Wissenschafts- und Technikforschung gemeinsam eine Veranstaltung mit dem Titel »Polarisierte Zukünfte? Zur Konstruktion, Kommunikation und Konstitution polarisierter und polarisierender Zukunftserwartungen« aus. Aus dem Call for Papers (PDF), der bis zum 14. April 2022 offen ist:
In der öffentlichkeitsorientierten Kommunikation denkbarer zukünftiger Entwicklungslinien […] bietet die Komplexität und Vieldeutigkeit sozialer Erwartungen oftmals auch die Folie für unterschiedliche Polarisierungen […]. Ebenso typisch, aber in sich vielschichtiger, sind binäre Ordnungen des Zukünftigen mit unterschiedlichen normativen Prämissen – so etwa Utopien versus Dystopien, Erlösungs- versus Verdammnisvorstellungen oder Hoffnungen und Potenziale, die Befürchtungen und Risiken entgegengestellt werden. […] Stets aber erweitern all diese Ausprägungen von Zukunftsentwürfen die jeweils adressierten Diskursräume – ausgerichtet an höchst verschiedenartigen Interessen. Sie überziehen die Gesellschaft gleichsam mit Kontingenz und zeichnen sich durch einen auffordernden Charakter aus, der je nach Geltungsanspruch zum Neudenken, Handeln oder Entscheiden aufruft.
[…] Diese gemeinsame Sektionsveranstaltung adressiert einen Forschungshorizont, zu welchem inzwischen ein sehr weites Spektrum an empirischen und theoretisch-konzeptionellen Forschungsarbeiten vorliegt. Wir wollen durch die dargelegte Fokussierung insbesondere drei Schlüsselbereiche in diesem Forschungszusammenhang zu einem intensiven Austausch einladen: (1) Fiktionale Zukunftsentwürfe (z.B. Film, Serien, Games, Clipkulturen), (2) wissenschaftliche Zukunftsentwürfe (z.B. Prototypen, Prognosen, Beratung) sowie (3) algorithmenbasierte Zukunftsentwürfe (z.B. Wirtschaft, Technik, Journalismus).
Leitend sind dabei zwei Fragen: Welche verschiedenen Typen und Formen der Polarisierung von Zukunft charakterisieren die Diskurse? Und: Wie werden die polarisierten Zukunftserwartungen medial konstruiert, authentifiziert und kommuniziert?
Today’s internet is shaped largely by privately operated platforms of various kinds. This paper asks how the various commercially operated communication, market, consumption and service platforms can be grasped as a distinct organizational form of enterprise. To this end, we make a basic distinction between (1) the platform-operating companies as organizing and structuring cores whose goal is to run a profitable business, and (2) the platforms belonging to these companies as more or less extensive, rule-based and strongly technically mediated social action spaces. While platform companies are essentially organizations in an almost archetypical sense, the internet platforms they operate constitute socio-technically structured social, market, consumption or service spaces in which social actors interact on the basis of detailed and technically framed rules, albeit, at the same time, in a varied and idiosyncratic manner.
The thesis of this paper is that the coordination, control and exploitation mechanisms characteristic of the platform architectures are characterized by a strong hierarchical orientation in which elements of co-optation and the orchestrated participation of users are embedded. In this hybrid constellation, the platform companies have a high degree of structure-giving, rule-setting and controlling power—in addition to exclusive access to the raw data material generated there. While this power may manifest, at times, as rigid control, direct coercion or enforceable accountability, for the majority of rule-obeying users it unfolds nearly imperceptibly and largely silently beneath the surface of a (supposed) openness that likewise characterizes the platforms as technically mediated spaces for social and economic exchange.
»Im öffentlichen wie im sozialwissenschaftlichen Diskurs über Digitalisierung finden sich zahlreiche Disruptionsnarrative: Buzzwords wie Web 2.0, Big Data oder künstliche Intelligenz wollen jeweils einen epochalen Umbruch markieren. Es ist vor diesem Hintergrund so bemerkenswert wie angenehm, dass das jüngste Buch von Jan-Felix Schrape die Digitalisierung eben ›nicht als disruptive[n] Bruch […], sondern als inkrementelle[n] Veränderungsprozess‹ (S. 81) perspektiviert. Digitale Transformation[…] versteht sich dabei in erster Linie als Lehrbuch und Einführung (S. 12 f.), ist darüber hinaus aber auch Forschenden zu empfehlen, die sich mit Fragen der Digitalisierung beschäftigen und sich einen flüssig zu lesenden und aktuellen Überblick wünschen.
[…] In der Gesamtschau sind das gewissenhafte Vorgehen und die differenzierte Argumentation des Autors hervorzuheben. Schrape betont durchgängig die Ambivalenz der beschriebenen Entwicklungen. Mal schlage das Pendel stärker in Richtung einer Erweiterung und Ermöglichung von Handlungsoptionen, Kreativität und Spontanität aus, mal schwinge es eher in Richtung einer vermehrten Strukturierung und sozialen Kontrolle. Zudem ist durchweg seine Skepsis gegenüber geschichtsvergessenen Erzählungen erkennbar, etwa wenn er betont, dass die Digitalisierung viele bereits bestehende Trends im Bereich der Arbeit lediglich verstärkt, nicht aber hervorgebracht hat (vgl. S. 101–105).
Den Kapiteln ist anzumerken, dass der Autor zu den jeweiligen Themen bereits seit einigen Jahren regelmäßig publiziert. Entsprechend klar und fundiert fällt die Darstellung aus […]. So lässt sich zusammenfassend konstatieren, dass der Band erkennbar von den Vorarbeiten und der Forschungsperspektive des Autors geprägt ist. Die Darstellung von Forschungsfeld und -gegenstand weist damit einen leichten Bias auf; ich möchte das Buch Lernenden und Lehrenden der Soziologie trotzdem empfehlen, kann es ihnen doch als gleichzeitig historisch informierter und aktueller Einstieg in das Thema der digitalen Transformation nützlich sein. Hilfreich dabei ist insbesondere die übersichtliche Gestaltung, unterstützt durch einen klaren Aufbau, zahlreiche Abbildungen und Tabellen sowie stichwortartige Zusammenfassungen am Seitenrand […].«
Die ARD-ZDF-Onlinestudie 2021 (CATI, 40% Mobilfunkanteil, N=2001, Erhebungszeitraum März/April 2021) ist im Anfang November erschienen. Mit Blick auf die tägliche Nutzung – und damit die Alltagsintegration – von Social Media zeigt sich anhand ihrer Erhebungsergebnisse, dass es mit Ausnahme des seit 2009 operierenden Messaging-Dienstes WhatsApp nach wie vor keine allseits verwendete Plattform gibt, sondern die populären Angebote u.a. je nach Altersgruppe eine alternierende Verwendung erfahren. Anders als das ausgehend von der journalistischen Berichterstattung angenommen werden könnte, spielt Twitter in der alltäglichen Social-Media-Nutzung in Deutschland keine prominente Rolle.
The platformization of communication architectures is accompanied by a diversification of individual media use and an erosion of clear structural boundaries between different streams of public exchange. Nevertheless, it is by now evident that the digital transformation does not lead to a general loss of relevance of journalistic services or mass-received content per se and that selection thresholds remain in public communication despite increased connectivity. Against this backdrop, this paper argues that it is still instructive to describe the negotiation of public visibility as a multi-level process, which is now essentially shaped by the peculiarities of digital platforms: First, it examines the increasing platform orientation in media diffusion. Second, it discusses the associated diversification of individual media repertoires and the pluralization of public exchange. Then, the paper elaborates on three basic levels of public communication characterized by a heterogenous interplay of social and technical structuring services.