26. Juli 2012
In dieser Woche ist im Fachverlag Werner Hülsbusch das Büchlein »Wiederkehrende Erwartungen. Visionen, Prognosen und Mythen um neue Medien seit 1970« (vwh-Shop, Amazon; 60 Seiten, 12 Euro) erschienen – eine erweitere und überarbeitete Version meines Artikels zum selben Thema auf medialekontrolle.de. Klappentext:
Das Ende der klassischen Massenmedien, die zunehmende Auflösung der Rollenverteilung zwischen Konsumenten und Produzenten und nicht zuletzt eine Demokratisierung gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse: Die Erwartungen, die mit den erweiterten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten im Internet verknüpft werden, sind nach wie vor hoch. Entsprechende Zukunftshorizonte sind allerdings nicht erst mit dem Web (2.0) entstanden, sondern zirkulieren seit über 40 Jahren in der allgemeinen Öffentlichkeit sowie im sozialwissenschaftlichen Diskurs.
Das Büchlein gibt einen Überblick zu verbreiteten Erwartungen, die seit den 1970er-Jahren an neue Medien (z.B. Btx, Kabel, frühes WWW, Social Media) geknüpft werden, und kontrastiert diese mit den jeweils empirisch beobachtbaren Entwicklungen. Daran anknüpfend wird die Frage diskutiert, weshalb in medialen Innovationsprozessen immer wieder radikale Veränderungsthesen Verbreitung erfahren, obwohl sich frühere ähnliche Vorhersagen in den meisten Fällen als übersteigert kennzeichnen lassen.

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8. Juli 2012
Update: Siehe auch Teil 2!
Niklas Luhmann hat sich nicht nur einmal mit dem Themenkomplex ›Protest‹ beschäftigt (vgl. »Luhmann und Stuttgart 21«). In relativ verständlicher Form und mit Rückgriff auf die Beatles nähert sich Luhmann dem Thema in einem taz-Artikel aus dem Jahr 1988 an, der auf der hier verlinkten (wohl etwas älteren) Quellseite mit einer kritischen Antwort von Urs Jaeggi garniert wird. Dabei lässt sich der Text zum einen als zeitgenössisches Dokument lesen – als wortgewandte Abrechnung mit der alternativen Gesellschaftskritik in der ›68er‹-Tradition. Zum anderen finden sich aber auch heute noch höchst anschlussfähige Thesen:
»Gewiß: die Idee ist unabweisbar, daß alles auch ganz anders gehen könnte. Eine ganze Armee von Intellektuellen hat sich dadurch inspirieren lassen – nur um letztlich auf einer Ja/Aber-Position zu landen, ohne dann erkennen zu können, daß man falsch gestartet war. […] Was gescheitert ist, ist die Naivität und die Leichtfertigkeit der Beschreibung.
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15. Mai 2012
Auf Youtube lassen sich einige wenige Video-Interviews mit Niklas Luhmann finden (z.B. aus dem Jahre 1973 – inklusive Bildern seines Hauses) und seit ein paar Wochen auch ein Gespräch mit dem griechischen Fernsehen aus dem Jahr 1993, das Luhmann im Kontext einer Konferenz auf der Insel Samos mit Panagiotis Karkatsoulis geführt hat, der in den 1980er Jahren u.a. in Bielefeld studierte (und erst kürzlich zum ›besten Beamten der Welt‹ gekürt wurde).
In diesem Interview, das dem Bewegtbild-Betrachter angesichts extensiver Intros, Zwischenszenen und Outros ein heute ungewohntes Maß an Geduld abverlangt (erster Auftritt N.L. nach knapp 2 Minuten), versucht Luhmann, seinen soziologischen Impetus und die Grundzüge seiner Theorie in verständlichen Worten zu erklären:
»Historisch gesehen leben wir in einer Umbruchszeit – oder anders gesagt: in einer Zeit, die erstmalig die wirklichen Konsequenzen der modernen Gesellschaft erfahren kann. […] Supertheorie… Ja, ursprünglich habe ich den Begriff eigentlich selber gebraucht – und zwar ironisch. Ich habe mir vorgestellt: eine Theorie, die so wie Superbenzin mit einer etwas höheren Oktanzahl ausgestattet ist als andere Theorien.
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25. April 2012
Die Soziologie an sich ist eine relativ junge akademische Disziplin: Erst im 19. Jh. setzte sich die Überzeugung durch, dass neben den Geistes- und Naturwissenschaften eine eigene Wissenschaft für das Soziale notwendig wird. Auguste Comte (1798– 1857) sah in ihr sogar die bedeutendste aller Wissenschaften, welche die Entdeckungen aller anderen Disziplinen in ein zusammenhängendes Ganzes integrieren sollte. Mittlerweile allerdings untergliedert sich der Fachbereich in viele spezialisierte ›Bindestrichsoziologien‹, die jeweils ein bestimmtes Beobachtungsinteresse verfolgen.

Eine dieser Teildisziplinen ist die Innovationssoziologie: In ihrem Fokus steht – so eine erste Definition von Braun-Thürmann (2005: 9) – »das Unkontrollierbare, Nicht-intendierte und Differierende von Technik, was sich im Innovationsprozess manifestiert«. Es geht also u.a. um die ungeplanten bzw. unvorhersehbaren Wechselwirkungen zwischen technischem und sozialem Wandel.
Was aber ist Innovationssoziologie genau? Eine mögliche Annäherung und einen Überblick zu einigen verbreiteten Zugriffsweisen bietet nachfolgendes Skript.
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4. März 2012
Im Kursbuch 20 (1970) vermutete Hans Magnus Enzensberger, dass die entfremdenden Effekte der Massenkommunikation einzig durch die Aufhebung der Rollenverteilung von Produzenten und Konsumenten überwunden werden könnten und die neuen elektronischen Medien dabei eine tragende Rolle spielen würden (Auszüge):
»In der heutigen Gestalt dienen Apparate wie das Fernsehen oder der Film [.] nicht der Kommunikation sondern ihrer Verhinderung. Sie lassen keine Wechselwirkung zwischen Sender und Empfänger zu […]. Dieser Sachverhalt lässt sich aber nicht technisch begründen. Im Gegenteil: die elektronische Technik kennt keinen prinzipiellen Gegensatz von Sender und Empfänger.
Die neuen Medien sind ihrer Struktur nach egalitär. Durch einen einfachen Schaltvorgang kann jeder an ihnen teilnehmen; die Programme selbst sind immateriell und beliebig reproduzierbar. […] Schon aus den angegebenen strukturellen Eigenschaften der neuen Medien geht hervor, dass keines der heute herrschenden Regimes ihr Versprechen einlösen kann. Nur eine freie sozialistische Gesellschaft wird sie produktiv machen können.«
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25. Februar 2012
Der Mobile-Markt ist in Bewegung: Ein Viertel der Deutschen besitzt mittlerweile ein Smartphone, 26 Prozent nutzen mobiles Internet und 962 Mio. Apps wurden letztes Jahr hierzulande heruntergeladen. Grund genug, um wenige Monate nach dem letzten Überblick erneut eine Zusammenschau zum deutschen Mobile-Markt zu geben.

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15. Januar 2012
Casting-Shows im Fernsehen blicken auf eine längere Geschichte zurück, als sich allgemeinhin denken ließe: Schon Mitte der 1950er Jahre wurden die Wahlen zur Miss America im amerikanischen TV übertragen und ab den 1960er Jahren entwickelten sich die Vorentscheide für den Grand Prix Eurovision de la Chanson (heute: Eurovision Song Contest) auch in Deutschland zu Straßenfegern mit bis zu 15 Mio. Zuschauern.
Bis in die 1990er Jahre trug der deutsche Vorentscheid mithin noch den Titel »Ein Lied für …« und nicht wie heute die Bezeichnung »Unser Star für …«. Erst ab 2010 und mit Stefan Raab entwickelte sich die öffentlich-rechtliche Talentsuche auch in offizieller Lesart von einem Wettbewerb um das beste Songgut zu der Suche nach einem vielfältig vermarktbaren Star, dessen Entwicklung von Beginn an durch Kameraaugen festzuhalten ist. Die seit 2000 durch die Casting-Reality-Shows der Privatsender stetig weiterentwickelten – und in der Zuschauergunst erfolgreichen – Modelle wurden auf diese Weise letztlich zu einer übergreifend akzeptablen Herangehensweise geadelt.

Und so wird sich 2012 wie in den 2 Jahren zuvor in den ARD-Final-Shows die paradoxe Situation einstellen, dass deren Zuschauer zu kostenpflichtigen Voting-Anrufen gereizt werden, die zum Erfolg eben jenes Programms beitragen, für dessen Finanzierung sie als GEZ-Zahler bereits einen Obolus geleistet haben. Dieses Jahr kann sich die Projektliaison zwischen ARD und Pro 7 allerdings sogar noch mit einer mutmaßlich weltweiten Neuerung schmücken, die letztlich eine konsequente, wenn auch hinterfragbare Weiterentwicklung des Casting-Betriebs darstellt: Der Blitztabelle.
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