15. Oktober 2017
In dieser Woche ist die aktuelle ARD/ZDF-Onlinestudie erschienen, die bereits seit 1997 erhoben wird und insofern einen guten Überblick zu den langfristigen Verschiebungen im medialen Nutzungsverhalten bietet. Einige Kernergebnisse:
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1. Oktober 2017
Michael Seemann und Michael Kreil haben auf ctrl+verlust die Ergebnisse einer interessanten Datenstudie zu Filterblasen-/Echokammer-Effekten in webzentrierten Öffentlichkeiten bzw. zu »digitalem Tribalismus« zur Diskussion gestellt:
»Unsere These lautet also, dass wir es bei der roten Fake-News-Gruppe mit einem ›digitalen Stamm‹ zu tun haben und dass die Unterschiede zu der Richtigsteller-Gruppe aus ihren spezifisch tribalen Eigenschaften resultieren. Diese Eigenschaften sind: engere interne Vernetzung bei gleichzeitiger ›Abspaltung‹ vom Mainstream (Restnetzwerk), eine intensive thematische Fokussierung und daraus resultierend eine Anfälligkeit zur Verbreitung von Fake News, die in das thematische Raster fallen.
[…] Der Traum der freien Vernetzung war ein naiver. Nimmt man alle vergesellschaftenden Zwänge weg, treten unsere prädispositiven Sozialisationsmuster nur umso deutlicher hervor. Menschen haben einen fest verdrahteten Hang, Gruppen zu bilden, sich zu identifizieren, sich abzugrenzen. Ja, wir sind freier in unserer Sozialisation denn je, aber das führt eben nicht zu mehr Individualismus, sondern paradoxerweise in vielen Fällen zu einer stärkeren Gruppenaffinität. Der Stammes-Trieb kann sich nur umso freier entfalten und kommt umso unbändiger zum Tragen.«
Mir kommt da nicht zufälligerweise sofort Marshall McLuhan in den Sinn, der 1962 folgende Zukunftsvorhersage gemacht hat:
»Instead of tending towards a vast Alexandrian library the world has become a computer, an electronic brain […]. And as our senses have gone outside us, Big Brother goes inside. So, unless aware of this dynamic, we shall at once move into a phase of panic terrors, exactly befitting a small world of tribal drums, total interdependence, and superimposed co-existence. […] In our long striving to recover for the Western world a unity of sensibility and of thought and feeling we have no more been prepared to accept the tribal consequences of such unity than we were ready for the fragmentation of the human psyche by print culture.«
27. September 2017
Auf den Seiten der Uni Stuttgart findet sich ein kompaktes Gespräch mit mir zu Massenphänomenen, Gemeinschaften und Bewegungen in der digitalen Gesellschaft sowie den Einfluss von Algorithmen auf unsere Kommunikation.
»Die Möglichkeiten des Internets sind vergleichbar mit Strukturen im Städtebau: große Plätze ermöglichen große Versammlungen. Wie diese aber genutzt werden, was daraus entsteht, ist damit noch nicht vorgegeben« […].
[…] Algorithmen sind dafür verantwortlich, dass dem Nutzer vorwiegend das geboten wird, was auf ihn abgestimmt ist. […] Dadurch können […] Filterblasen entstehen, in der die Nutzerinnen und Nutzer praktisch nur noch von dem umgeben sind, was für sie gefiltert wurde. Was nicht ihren Interessen und Meinungen entspricht, nehmen sie kaum noch wahr. »Das kann vor allem im politischen Bereich gefährlich werden“, sagt Schrape, da so in sich geschlossene ›Gegenöffentlichkeiten‹ entstehen können […].
»Schülerinnen und Schüler sollten nicht nur lernen, wie ein Computer funktioniert. Sie sollten sich auch mit den Funktionsweisen der Plattformen, den beteiligten Unternehmen und den Aufmerksamkeitsdynamiken im Netz auseinandersetzen, um besser zu verstehen, warum ihnen bestimmte Meldungen angezeigt werden, welche Daten sie wann freigeben und welche Zusammenhänge dahinter stecken.«
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19. September 2017
Im Sommer ist ein Diskussion Paper von Renate Mayntz mit dem Titel »Zählen – Messen – Entscheiden: Wissen im politischen Prozess« (PDF) erschienen, das sich mit der Quantifizierung politischer Entscheidungsprozesse auseinandersetzt:
»Quantifizierung heißt nicht nur Zählen, sondern auch Indexbildung, Ranking und formale Modellierung […] Der Rückgriff auf quantifiziertes, formalisiertes Wissen dient dabei nicht nur der Effektivität politischer Intervention, sondern auch ihrer Legitimierung.
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4. September 2017
Im Herbst 2017 nimmt der Forschungsverbund »Digitalisierung, Mitbestimmung, gute Arbeit« der Hans-Böckler-Stiftung seine Arbeit auf. Insgesamt beschäftigen sich 15 Projektvorhaben mit den Auswirkungen digitaler Technologien auf die Arbeitswelt, darunter auch das Stuttgarter Projekt »Digitale Projektgemeinschaften als Innovationsinkubatoren«.
»Der Prozess der Digitalisierung hat grundlegende Auswirkungen auf alle Bereiche der Gesellschaft. Digitale Technologen entstehen jedoch nicht von selbst. Ihre Entwicklung wird vielmehr von Unternehmen, Organisationen und einzelnen Menschen mit ihren je eigenen Interessen und Zielvorstellungen gestaltet. Für ein tieferes Verständnisses dieses Prozesses kommt es darauf an, die Akteurs- und Machtkonstellationen in den Blick zu nehmen, die ihn vorantreiben. Der Forschungsverbund ›Digitalisierung, Mitbestimmung, gute Arbeit‹ widmet sich vor diesem Hintergrund der Frage, wie sich der Prozess der Digitalisierung im Sinne von Mitbestimmung und guter Arbeit gestalten lässt.«
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5. August 2017
In der Radiosendung Breitband auf Deutschlandfunk Kultur vom 5. August 2017 durfte ich im Gespräch mit Vera Linß und Marcus Richter meine Einschätzung zum Verhältnis von journalistischer Arbeit und algorithmischer Selektion im Social Web kundtun. Der Teaser zur zum Thema:
Im Netz lässt sich mit Angst und Wut gut Geld machen. Doch dafür müssen die entsprechenden Artikel erstmal in den Newsfeeds und auf den Websites geklickt werden. Die Folge: Emotionalisierte Headlines locken die User permanent an und dieser ›Katastrophenjournalismus‹ führt dann nach und nach zu Veränderungen in der Wahrnehmung der Welt. Wie kann ein positives, weniger aufgeregtes Weltbild aufrecht erhalten werden? Und wie kann die journalistische Kuration bei der algorithmischen Steuerung mithalten?
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3. August 2017
Seit dem mittlerweile allseits bekannten Aufschlagstext (2001) von Marc Prensky hat die Unterscheidung von »Digital Natives« und »Digital Immigrants« eine erstaunliche diskursive Karriere hingelegt.
»What should we call these ›new‹ students of today? Some refer to them as the N-[for Net]-gen or D-[for digital]-gen. But the most useful designation I have found for them is Digital Natives. Our students today are all ›native speakers‹ of the digital language of computers, video games and the Internet.
So what does that make the rest of us? Those of us who were not born into the digital world but have, at some later point in our lives, become fascinated by and adopted many or most aspects of the new technology are, and always will be compared to them, Digital Immigrants.«
Ein in diesem Sommer erschienener feldüberblickender Artikel (Kirschner/Bruyckere 2017) kommt nun allerdings zu dem Schluss, dass es diesen in den Feuilletons und in den Sozialwissenschaften vielreferenzierten, technikkompetenten und zum ständigen Multitasking befähigten »Digital Native« realiter gar nicht gibt:
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