Querverweis: Illusion der Regulierung (Räwel)
1. Januar 2014In einem aktuellen Telepolis-Diskussionsbeitrag setzt sich Jörg Räwel mit der immer wieder aufkommenden Forderung nach einer Regulierung der Finanzmärkte auseinander und kennzeichnet diese – aus systemtheoretischer Sicht – als Illusion:
»Es sollte deutlich geworden sein, dass mit der abstrakten Forderung, die Finanzmärkte zu ›regulieren‹, der Politik ein wirtschaftliches Detailwissen aufgebürdet werden soll, das sie nicht nur gegenwärtig nicht hat, sondern, gemäß der Logik ihres politisches (und eben nicht: wirtschaftlichen) Funktionierens, nie haben kann. Es handelt sich um eine unrealistische Forderung.
[…] Selbst Regulierungen, bei denen eine Mehrheit von einem sinnvollen Nutzen ausgeht (etwa Finanztransaktionssteuern), lassen sich politisch, angesichts des Wettbewerbs international fragmentierter Börsen, kaum durchsetzen. ›Wirtschaftspolitik‹ unterliegt derzeit nicht politischer Kontrolle […], sondern folgt weltwirtschaftlichen Notwendigkeiten.[…] Die Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise sind also nicht einem ›verrückt‹ gewordenen Finanzsystem […]. Dysfunktional wäre vielmehr eine Wirtschaft, welche die sich aus globalen Wirtschafträumen ergebenden Möglichkeiten nicht nutzen würde […], sondern wirtschaftliche Entscheidungen etwa von wie immer fragwürdigen moralischen Überlegungen […] abhängig machen würde.
[…] Verantwortung für die Krise trägt eine Politik, die seit Jahren schon unterlässt, sich eine Machtfülle zu erarbeiten, die einem faktisch bestehenden Weltwirtschaftssystem eine allgemeinverbindliche Steuer- bzw. Mindestlohngesetzgebung aufzwingen kann. Gelingt es einer transnationalen Politik die Kontrolle über die Steuergesetzgebung von ›den Märkten‹ zurückzuerobern, ist es unnötig, ihr eine umfassende, dabei ohnehin unrealistische und dysfunktionale Regulierung ermöglichende Transparenz und Kontrolle der Finanzmärkte aufzubürden. Hochrisikoreiche Spekulationsgeschäfte etwa ließen sich schlicht und politisch tatsächlich realisierbar nur schon durch eine hinreichend hohe allgemeinverbindliche (also transnationale) Besteuerung von Gewinnen entgegnen.«