Print vs. Online: Bleibt alles anders?
7. April 2012Mit Blick auf die Zahlen des State of the News Media Report 2012 für die USA scheint es schleichend, aber unausweichlich näher zu rücken: Das Ende der Printmedien, wie wir sie kennen (vgl. nachfolgende Abbildung). Die daran anknüpfende Frage lautet freilich: Ist dies für die betroffenen Sektoren zwangsläufig als negativ zu bewerten? Martin Eiermann meint: Nein – »Wir brauchen Medien, keine Zeitungen« (A. s.u.).
Das Pew Research Center’s Project for Excellence in Journalism publiziert jedes Frühjahr den State of the News Media Report, der einen Überblick über zahlreiche Marktdaten für den amerikanischen Markt gibt. Für 2012 erkennen dessen Macher folgende Trends:
- Nutzer von Tablets, Smartphones oder E-Readern beschäftigen sich intensiver mit journalistischen Inhalten als vor dem klassischen Computerbildschirm (Anteil der News-Leser auf Mobile Devices in den USA: 27 Prozent). Wie sich u.a. anhand von Tagesverlaufskurven zeigen lässt, ergänzt der mobile Medienkonsum andere Medienkanäle, substituiert diese aber nicht.
- Social Media spielen in der Nachrichtenverteilung (noch) keine gesteigerte Rolle, obgleich mittlerweile über 50 Prozent der US-Bevölkerung Facebook nutzen und im Schnitt ca. 7 Stunden pro Monat auf dieser Plattform verbringen: »[…] the notion that large percentages of Americans now get their news mainly from recommendations from friends does not hold up, according to survey data released here. No more than 10% of digital news consumers follow news recommendations from Facebook or Twitter ›very often‹ […]. And almost all of those who do are still using other ways like going directly to the news website or app as well.«
- Die TV-Zuschauerzahlen stiegen 2011 unerwartet an und seit über 10 Jahren konnten überdies auch die Nachrichtensendungen der großen TV-Networks Zuschauerzuwächse verzeichnen (Ausnahme: Fox News).
- Insbesondere Zeitungen und Magazine verlieren weiter an Umsatz (u.a. durch Werbeeinnahmen), weshalb Pew vermutet, dass die meisten amerikanischen Online-Nachrichtenangebote 2012 auf digitale Abo-Modelle umsteigen werden, da sie anders nicht überleben können. Ein erfolgreiche und daher nachahmenswerte Paywall-Spielweise scheint derzeit das »metered model« der New York Times zu sein (10 Artikel pro Leser/Monat frei, danach günstige und gerätespezifische Rates).
- Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sind die wachsenden Datenschutzbedenken in der Bevölkerung: »For their part, consumers are becoming more conscious of their digital profiles. […] But consumers are also more dependent on the free and efficient services available from the web platforms that gather the data. This places conflicting pressures on the news industry. To survive, news must find a way to make its digital advertising more effective — and more lucrative — and the gathering of consumer data is probably the key. Yet news organizations also must worry about violating the trust of their audiences.«
Insgesamt kommt der Report zu dem Schluss, dass sich die amerikanische News-Branche hinsichtlich des Wechsels ihrer Trägermedien sputen sollte, insbesondere wenn sie gegenüber führenden Technologie-Unternehmen im Online-Werbebereich nicht den Anschluss verlieren will: Mittlerweile teilen sich fünf große Unternehmen – darunter mit einem stetig wachsenden Anteil Google – rund 68 Prozent der Werbeeinnahmen im Onlinebereich (vgl. Abb.).
Für den deutschsprachigen Print-Markt stehen die Zeichen der Zeit indes bekanntlich noch nicht so sehr auf Sturm wie in den USA, aber auch hierzulande wird das gedruckte Magazin oder die gedruckte Zeitung in absehbarer Zukunft für journalistische Inhalte nur noch ein Distributions- und Präsentationskanal unter vielen (ansonsten digitalen Kanälen) sein. Aber muss das ein Grund zur Trübsal sein? Der junge Journalist Martin Eiermann kommt in einem lesenswerten Überblicksartikel (vgl. verlinktes PDF, S. 98–102) zu den gegenwärtigen Wandlungsprozessen in seinem Tätigkeitsfeld zu folgendem Schluss:
»Arthur Ochs Sulzberger, der Herausgeber der New York Times, hat seine Haltung zum Online-Journalismus einmal so formuliert: ›Ich weiß wirklich nicht, ob wir die New York Times in fünf Jahren noch drucken werden‹ Und wissen Sie was? Es interessiert mich auch nicht!‹ Recht hat der Mann. Können wir Finanzierungsmodelle entwickeln, die es uns ermöglichen, den Informationsauftrag auch im Netz wahrzunehmen? Können wir die eigene Arbeit so justieren, dass Qualität und Innovation zum täglichen Credo werden? Auf diese Fragen müssen wir Antworten geben können; an diesen Standards müssen wir uns auch weiterhin messen lassen. Um Clay Shirky zu paraphrasieren: Wir brauchen Medien, keine Zeitungen! Guter Journalismus bleibt guter Journalismus, ob Online oder Offline.«