»Auch wenn einige Medienwissenschaftler_innen dem Social Web die Hervorbringung von Demokratisierung und Partizipationen absprechen (vgl.Münch/Schmidt 2005; Schrape 2010), möchte ich ein anderes Resümee ziehen: Da die Macht in allen gesellschaftlichen Teilen allgegenwärtig ist, ist sie auch veränderbar und umkehrbar. Das Selbst kann so Praktiken des Widerstands und der Gegenmacht entwickeln, um sich zu emanzipieren (vgl. Demirovic 2009: 10). Menschen könnten Selbsttechnologien variieren und soziale Praktiken […] neu bestimmen (vgl. Lemke/Krasmann/Bröckling2000: 28). Medienentwicklung (als technischer Wandel) und eine Veränderung gesellschaflicher Strukturen (als kultureller Wandel) bedingen sich wechselseitig, wobei neue soziale Praktiken und Techniken einen langen Weg des Aushandelns und Ausprobierens gehen (vgl. Jäckel 2005; Rammert 2007; Ogburn1969) […].
Aktuell scheinen Social Media mit ihren interaktiven und vernetzten Plattformen ein medial alternatives Werkzeug für Freiräume und Gegenöffentlichkeiten anzubieten, das als sozio-technische Innovation in starre Herrschaffsregime eingreifen und Machtverhältnisse demokratisieren kann. (Vgl. Bryan/Tsagarousianou/Tambini 1998: 5)«
Wir befinden uns im Jahre 2011 n. Chr. Das ganze soziale Web ist von Facebook besetzt… Die ganze soziale Web? Nein! Einige von unbeugsamen Onlinern bevölkerte Länder hören nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten… Allerdings werden die Widerständler beständig weniger: Bis Juni 2011 konnten sich nur noch weite Teile von Asien und Brasilien gegen das gräuliche Facebook-Blau wehren (vgl. animierte Karte), das aufgrund der Farbenblindheit von Gründer Mark Zuckerberg entstanden ist (»The C.E.O. of Facebook wants to create, and dominate, a new kind of Internet«).
Die Stuttgarter Innovationssoziologie ist in diesem Sommer mit einer Reihe an Diskussionspapieren und Konferenzbeiträgen präsent, auf die an dieser Stelle kurz hingewiesen werden soll:
Der 1983 durch die Deutsche Post eingeführte Bildschirmtext (BTX) hatte es ja bekanntlich nicht gerade leicht, das breite Publikum zu erreichen (vgl. den Artikel »Zurück in die Vergangenheit: Btx vs. WWW«). Vermutlich haben sich die Verantwortlichen im Jahre 1986 auch deshalb entschlossen, auf einen Werbespot der etwas anderen Art zu setzen. Auf jeden Fall können wir froh sein, dass unsere Gesellschaft in den letzten 25 Jahren nicht nur in Sachen Online- und Computertechnik eine iterative Weiterentwicklung durchlaufen hat (2 Minuten Retrogenuss, die sich lohnen – inklusive Ur-Social-Media):
In regelmäßigen Abständen ermittelt das Branchenportal Meedia die Top-20 der Sozialen Netzwerke in Deutschland anhand der Daten des Google Ad Planners. Das eröffnet die Gelegenheit, die Entwicklung der »Marktanteile« der einzelnen Anbieter in einer Langfrist-Darstellung nachzuvollziehen. Verglichen wird dabei die Zahl der Unique Visitors für den jeweiligen Monat. Die Kennziffer »Unique Visit(or)« wird durch Wikipedia wie folgt definiert:
»Unique Visit (englisch für „eindeutiger Besuch“) ist ein Begriff im Zusammenhang mit der Zugriffshäufigkeit einer Website. Dabei wird jede IP-Adresse in einem bestimmten Zeitraum nur einmal gezählt, egal wie oft sie in diesem Zeitraum die Website besucht (Seitenabrufe) oder wie viele Elemente dabei heruntergeladen werden.«
Die nachfolgende Grafik visualisiert die monatlichen Unique Visitors (in Millionen) für die führenden Sozialen Netzwerke in Deutschland seit Februar 2009. Im April 2011 haben sich dabei die Bemessungsgrundlagen von Google Ad Planner leicht verändert, daher verzeichnen fast alle Angebote einen leichten Anstieg. Die Relationen zwischen den einzelnen Werten bleiben davon allerdings unberührt und insbesondere die Dominanz von Facebook (38 Mio. Unique Visitors im April 2011), der allmähliche Aufstieg von Twitter und die Nutzungserosionen bei Myspace und StudiVZ werden deutlich vor Augen geführt (Datenquelle: Meedia):
Vor fünf Monaten wurden hier dieeindrücklichen Weltkarten des Projekts Worldmapper vorgestellt. Mittlerweile haben die Online-Fluten einige weitere Charts und Karten an die Gedankenstrich-Küste gespült. Die Interessantesten werden im Folgenden präsentiert:
Social Media: Die Erfolgsgeschichte von Facebook und der Verfall von MySpace lassen sich ganz gut anhand der Online-Communities-Karten von Randall Munroe (von 2007 und 2010) nachvollziehen.
Der New Yorker Medienprofessor Jeff Jarvis hat in seinem Blog 36 Thesen zur Zukunft der Nachrichtenbranche zur Diskussion gestellt (auch auf deutsch). Einige erhellende Schlaglichter sollen hier zusammengefasst werden:
Geschäftsmodelle: »Tugend ist kein Geschäftsmodell. Nur weil Sie gutes tun, verdienen Sie es nicht, dafür bezahlt zu werden. […] Geschäftsmodelle basieren weder auf Ansprüchen, noch auf Emotionen. […] Auf dem Markt zählt nur der Wert. Wert wird durch Nachfrage bestimmt. Welches Problem lösen Sie? Wenn jemand Ihre Aufgabe günstiger, besser und schneller anbieten kann, wird er es machen.«
Digitale Regeln: »Sie werden den Markt nicht länger kontrollieren. […] Sie sind ein Mitglied eines Ökosystems. Gehen Sie gut mit Anderen um. […] Überfluss wird die Preise digital noch stärker nach unten treiben als in Print. […].«
Chancen I (lokale Angebote): »[…] es geht darum, Angebote für lokale Händler zur Serienreife zu bringen (über alle Plattform – nicht einfach Platz auf einer Medienseite zu verkaufen, sondern auch bei der Umsetzung mit Google Places, Foursquare, Facebook-Deals und Twitter-Specials zu helfen) und neue, unabhängige, unternehmerische Verkaufskräfte zu etablieren.« Weiterlesen »