Splitter: Digital Markets Act und Digital Services Act – »Die Demokratie ist zurück«?

25. April 2022

Der Digital Markets Act und der Digital Services Act der EU – und damit die ersten ernsthaften übergreifenden Regulierungsmaßnahmen gegenüber Internetplattformen in Europa – sind nun (bald) einsatzbereit und Margrethe Vestager, seit 2014 EU-Kommissarin für Wettbewerb und seit 2019 geschäftsführende Vizepräsidentin und Kommissarin für Digitales, kommentiert: »Die Demokratie ist zurück.«

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Skript: Kurze Einführung in den operativen Konstruktivismus

31. März 2022

Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme irritiert seit Generationen Studierende aller sozialwissenschaftlichen Fachbereiche und ruft im soziologischen Alltagsgeschäft unter Forschenden abweichender Provenienz regelmäßig eingespielte Abwehrreaktionen hervor, die sich vor allem anderen auf die theoriefundamentale Entscheidung beziehen, »den Menschen als Teil der Umwelt der Gesellschaft« anzusehen (Luhmann 1984: 228f.). Dieses Skript will sich nicht an den damit verknüpften innerdisziplinären Debatten beteiligen, die durch zahlreiche Vermittlungsversuche zwischen handlungs- und systemtheoretischen Perspektiven und mehr oder minder belastbare Weiterentwicklungen durch Schülerinnen und Schüler Luhmanns bzw. neuerliche Vertreter seiner Gesellschaftstheorie geprägt sind.

Vielmehr geht es an dieser Stelle darum, mit dem operativen Konstruktivismus in eine grundlegende Denkfigur der Theorie sozialer Systeme einzuführen, die Luhmanns Soziologie im Kern als ein Theorie gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion ausweist und vielfältige Erklärungspotenziale für die Analyse der digitalisierten Gesellschaft bereithält. Denn: Ein zentraler Bezugspunkt Luhmanns bestand in der Kontingenz aller Erkenntnis und der Pluralität divergent ausgerichteter Wirklichkeitssichten in einer polykontexturalen Weltgesellschaft, die von Ungleichheit und Ungleichzeitigkeit geprägt ist. Und an dieser Diagnose hat sich im Zeitalter von Social Media, Big Data und algorithmischer Selektion nichts geändert – im Gegenteil. 

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Querverweis: Innovative Ansätze der Berichterstattung über den Ukrainekrieg

17. März 2022

Das European Journalism Observatory, ein 2004 gegründetes gemeinnütziges Medienrecherche-Institut an der Universität Lugano, hat sich die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine in verschiedenen europäischen Ländern genauer angeschaut und eine Reihe an innovativen Ansätzen und Formaten der digitalen Berichterstattung identifiziert (Überblicksartikel). Vier Beispiele:

  • Großbritannien: Full Fact ist eine Wohltätigkeitsorganisation aus London, die Nachrichten und Inhalte (auch Bildmaterial) auf Social-Media-Plattformen überprüft und korrigiert.
  • Deutschland: Das stiftungsfinanzierte Recherchezentrum Correctiv hat mit dem »Sanktions-Tracker« eine Website geschaffen, die in Form von interaktiven Visualisierungen einen tagesaktuellen Überblick über die gegen Russland verhängte Sanktionen bietet und Hintergrundinformationen bereitstellt.
  • Schweiz: Der News plus-Podcast, der vom SRF und SRG SSR produziert wird, zeichnet sich durch eine interaktive Einbindung des Publikums über Online-Communities, E-Mails- und WhatsApp aus.
  • Polen und Lettland: Das polnische Nachrichtenportal Onet bietet (ebenso wie das öffentlich-rechtliche Radio 1) Nachrichten in ukrainischer Sprache, die neben anderem Informationen für Geflüchtete bereit halten. Auch lettische Medien senden regelmäßig Sonderausgaben und Nachrichten auf ukrainisch.


Kurz notiert: Plattformzentrierte Arbeitskoordination im kommerziellen und kooperativen Fahrradkurierwesen

28. Februar 2022

In dem derzeit kostenfrei abrufbaren Aufsatz »Plattformzentrierte Arbeitskoordination im kommerziellen und kooperativen Fahrradkurierwesen« (Arbeit 30, Heft 4) vergleichen wir den Einsatz digitaler Plattformen in kommerziellen und kooperativen Arbeitszusammenhängen. Auf der Basis zweier Fallstudien zu dem automatisierten Arbeitsmanagement in der kommerziellen Gig Economy und der kollektiven Nutzung informationstechnischer Plattformen in kooperativen Projekten diskutieren wir das veränderte Zusammenspiel von technischen und sozialen Strukturierungsleistungen in der Koordination von Arbeit. Der Artikel kommt zu folgendem Schluss:

Wie sich die Plattformisierung von Arbeitszusammenhängen ausspielt und welche der ermöglichenden, strukturierenden und kontrollierenden Eigenheiten informationstechnischer Plattformen fallweise hervortreten, hängt […] vor allem anderen von den konkreten Implementationsweisen und den in den jeweiligen Arbeitszusammenhängen gegebenen sozioökonomischen Grundkonstellationen ab. Eine offen gehaltene informationstechnische Infrastruktur, die von ihren Nutzer*innen angepasst werden kann, mehrere komplementäre Kommunikationskanäle anbietet und in horizontal angelegte Arbeitszusammenhänge eingebettet ist, eröffnet vielfältige Möglichkeiten zur Mitbestimmung und Mitgestaltung. Geschlossene und proprietär betriebene Koordinationsplattformen, wie sie sich in […] der Gig Economy finden lassen, folgen hingegen rein ökonomischen Orientierungen und können den Austausch unter den Arbeitnehmenden effektiv behindern, deren Atomisierung befördern und in einem weitreichenden Kontrollregime resultieren.

Gleichzeitig zeigt sich […], dass technisch eröffnete Möglichkeitsräume der Automatisierung, Standardisierung und Kontrolle mit zunehmender sozioökonomischer Lebensdauer regelmäßig Objekt arbeitspolitischer Aushandlungsprozesse und öffentlicher Debatten werden, auf die Plattformunternehmen in der Ausgestaltung der soziotechnischen Regulationsmuster ihrer Plattformen und der anliegenden Arbeitsbedingungen in der einen oder anderen Form reagieren müssen, um ihr Geschäft einträglich zu halten.


CfP: Polarisierte Zukünfte?

11. Februar 2022

Auf dem 41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (Bielefeld, 26.–30.9.2022) richten die Sektionen Medien- und Kommunikationssoziologie sowie Wissenschafts- und Technikforschung gemeinsam eine Veranstaltung mit dem Titel »Polarisierte Zukünfte? Zur Konstruktion, Kommunikation und Konstitution polarisierter und polarisierender Zukunftserwartungen« aus. Aus dem Call for Papers (PDF), der bis zum 14. April 2022 offen ist:

In der öffentlichkeitsorientierten Kommunikation denkbarer zukünftiger Entwicklungslinien […] bietet die Komplexität und Vieldeutigkeit sozialer Erwartungen oftmals auch die Folie für unterschiedliche Polarisierungen […]. Ebenso typisch, aber in sich vielschichtiger, sind binäre Ordnungen des Zukünftigen mit unterschiedlichen normativen Prämissen – so etwa Utopien versus Dystopien, Erlösungs- versus Verdammnisvorstellungen oder Hoffnungen und Potenziale, die Befürchtungen und Risiken entgegengestellt werden. […] Stets aber erweitern all diese Ausprägungen von Zukunftsentwürfen die jeweils adressierten Diskursräume – ausgerichtet an höchst verschiedenartigen Interessen. Sie überziehen die Gesellschaft gleichsam mit Kontingenz und zeichnen sich durch einen auffordernden Charakter aus, der je nach Geltungsanspruch zum Neudenken, Handeln oder Entscheiden aufruft.

[…] Diese gemeinsame Sektionsveranstaltung adressiert einen Forschungshorizont, zu welchem inzwischen ein sehr weites Spektrum an empirischen und theoretisch-konzeptionellen Forschungsarbeiten vorliegt. Wir wollen durch die dargelegte Fokussierung insbesondere drei Schlüsselbereiche in diesem Forschungszusammenhang zu einem intensiven Austausch einladen: (1) Fiktionale Zukunftsentwürfe (z.B. Film, Serien, Games, Clipkulturen), (2) wissenschaftliche Zukunftsentwürfe (z.B. Prototypen, Prognosen, Beratung) sowie (3) algorithmenbasierte Zukunftsentwürfe (z.B. Wirtschaft, Technik, Journalismus).

Leitend sind dabei zwei Fragen: Welche verschiedenen Typen und Formen der Polarisierung von Zukunft charakterisieren die Diskurse? Und: Wie werden die polarisierten Zukunftserwartungen medial konstruiert, authentifiziert und kommuniziert?