#FreeFortnite: Aushandlungsprozesse in der Plattformökonomie

17. August 2020

Auf digitalen Märkten kristallisieren sich aufgrund von Netzwerkeffekten, der Knappheit kollektiven Vertrauens und der Komplexität ihrer Entwicklung auf Dauer häufig nur sehr wenige erfolgreiche intermediäre Plattformen heraus. Deren Betreiberunternehmen nehmen eine Gatekeeping-Position ein, da sie ähnlich wie mittelalterliche Städte als Veranstalter der damaligen Wochenmärkte festlegen, wer auf ihren Marktplätzen auftreten darf, welche Produkte dort zu welchen Qualitäten und Preisen angeboten werden können und welche Regelüberschreitungen zum (vorübergehenden) Ausschluss führen.

Ein prototypisches Beispiel für diese Definitionsmacht liefern die App Stores für Mobile Devices – also im Wesentlichen der Apple App Store und Google Play, welche ab 2008 gelauncht wurden, um einen Mehrwert für die entsprechenden Endgeräte und Ökosysteme zu schaffen. Inzwischen ermöglicht alleine der Apple App Store mit 200 Millionen Apps in 175 Ländern Umsätze von über 500 Mrd. US-Dollar (2019) und macht einen wesentlichen Teil der Service-Sparte aus, die neben Hardware der zweitgrößte Umsatzbringer für Apple ist – u.a., da das Unternehmen 30 Prozent jedes In-App-Kaufs als Transaktionsgebühr einbehält. Apple argumentiert seit Jahren, dass der Betrieb der Plattform teuer ist und diese Gebühren rechtfertigt; ebenfalls seit Jahren steht dieser ›Zoll‹ (sowie einige undurchsichtige Ausnahmen für große Anbieter wie Amazon) entwicklerseitig in der Kritik.

Inzwischen haben einige Angebote in den App Stores, darunter vor allen Dingen Games, selbst eine Marktmarkt erreicht, die Plattformanbieter wie Google und Apple unter Druck setzen kann. Ein Beispiel dafür ist das 2017 veröffentlichte Spiel Fortnite, das binnen eines Jahres mehr als 120 Millionen Spieler anzog und seitdem zu einem Grundstein der Digitalkultur geworden ist. Das dahinterstehende Softwareunternehmen Epic Games hat sich Mitte August entschloßen, diese Marktmarkt auszuspielen, ein eigenständiges Abrechnungssystem für den Erwerb von Inhalten in Fortnite einzuführen und so die Gatekeeper herauszufordern. Prompt flog das Spiel aus dem Apple App Store und Google Play. Auch wenn das Spiel bereits auf dem persönlichen iPhone installiert ist, lassen sich keine Erweiterungen mehr laden (bei Android-Phones gibt es Alternativen zu Google Play).

Aufgrund der Popularität des Online Games ist dieser Schritt von Epic Games für Apple und Google keine Posse, sondern ein gravierendes Problem, das die Grundfeste ihres Plattformmodells in Frage stellt: Bleiben die Betreiberunternehmen hart, riskieren sie die Unzufriedenheit der meist jungen Fortnite-Nutzerinnen und -Nutzer (die sich in der nächsten Iteration beispielsweise gegen ein iPhone entscheiden könnten); lenken sie ein und konstruieren eine Sonderregelung, kann es passieren, dass ihr gesamtes Abrechnungssystem erodiert.

Epic Games hat sich augenscheinlich jedenfalls von langer Hand auf diesen Konflikt vorbereitet: Zum einen fordert das Unternehmen seine Kundinnen und Kunden u.a. mittels aufwändiger Social-Media-Videos (siehe unten) auf, sich lautstark gegen die ›Machthaber‹ in den App Stores bzw. deren Praktiken zu wehren und gewährt Spielerinnen und Spielern bei dem Erwerb der Spielewährung V Bucks einen 20-prozentigen Rabatt; zum anderen zog das Unternehmen nach der Verbannung des Spiels aus den App Stores von Google und Apple instantan eine vorbereitete 60-seitige Klage aus der Tasche, die das Potential birgt, die Einflussbalancen zwischen App-Entwickelnden und App-Store-Betreibenden weitreichend zu verändern. Es ist und wird nicht die einzige Klage bleiben.


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