Querverweis: Professoren als öffentliche Intellektuelle?

4. Oktober 2015

Wir leben in krisenreichen Zeiten – und nichtsdestotrotz schweigen (scheinbar) weite Teile der akademischen Welt. Diese Beobachtung ist jedenfalls der Stein des Anstoßes für eine Debatte in der Zeit, in welcher Bernhard Pörksen vor einigen Wochen einen provokanten Aufschlag lieferte (»Ende der Einmischung« – »Selbstkastration einer kritischen Intelligenz« – »Selbstabschottung des Systems«).

In der Zeit 38/2015 findet sich nun ein Beitrag von Armin Nassehi, der drei Anmerkungen zu »Bernhard Pörksens Phantomschmerz über den Verlust des Intellektuellen als Anwalt der Zivilgesellschaft« in die Diskussion einbringt:

(1) »[Es] reicht [.] heute nicht mehr aus, eine zivilgesellschaftliche Parteinahme gegen die Entscheidungsinstanzen zu üben. Politische und ökonomische, rechtliche und wissenschaftliche, mediale und kulturelle Perspektiven treffen aufeinander, und manche Lösung aus der einen Perspektive ist ein Problem aus der anderen – und umgekehrt. Dafür muss es in öffentlichen Debatten Beschreibungsmöglichkeiten geben, die zwischen diesen unterschiedlichen Perspektiven übersetzen. […] das ist übrigens das, was gute Forschung ausmacht: zu zeigen, was man so noch nicht wusste oder was man auch anders sehen könnte.«

(2) »Der Komplexität der Gesellschaft einen Ausdruck zu geben […] – dafür braucht es wissenschaftliche Beobachter, die die notwendigen Kategorien für solche Beschreibungen entwickeln. […] Nicht zufällig stammen öffentliche intellektuelle Sprecher oft aus den Zonen dieser Bürgerlichkeit – mit ebenso großer Distanz zu den Unterprivilegierten wie zu den Entscheidungseliten. Es ist dann einfacher, nur Partei zu sein […]. Doch das ist zu wenig. Es geht darum, der Komplexität der Probleme einen verstehbaren Rahmen zu geben […].«

(3) »Vielleicht würde es manchen Kollegen helfen, biografisch auch etwas außerhalb der Universität gesehen zu haben. Denn unser Beruf ist wohl immer noch derjenige mit den höchsten Freiheitsgraden, die überhaupt denkbar sind […]. Und wer, wenn nicht Professoren an Universitäten, sollte die Möglichkeit zu solch engagierter Distanzierung haben, die über die Bedingungen von Parteilichkeit aufklärt?«

Die Frage nach dem Sinn oder Unsinn ›öffentlicher Soziologie‹ bzw. der Rolle von Sozialwissenschaftlern in gesellschaftspolitischen Debatten (Inwieweit kann bzw. soll die Soziologie den Anspruch verfolgen, durch ihr Wissen die Gesellschaft verändern zu wollen?) ist freilich alles andere als neu, sondern wurde u.a. bereits von Niklas Luhmann, Jürgen Habermas, Norbert Elias, Renate Mayntz oder auch schon von Auguste Comte und Ferdinand Tönnies diskutiert, die jeweils ganz eigene Antworten auf ebendiese Frage gefunden haben. Sie begleitet die Soziologie als Disziplin seit Anbeginn. Vielleicht lohnt sich hin und wieder ein Blick zurück (siehe dazu: »Was ist die ›Markenidentität‹ der Soziologie?«).


Ähnliche Artikel