Sommerlektüre: Etablierte und Außenseiter (Elias/Scotson 1965)

14. August 2015

Aus aktuellem Anlass möchte ich auf eine klassische figurationssoziologische Studie von Norbert Elias und John L. Scotson hinweisen, die 1965 unter dem Titel The Established and the Outsiders erschienen ist und sich mit dem spannungsreichen Verhältnis von etablierten, alteingesessenen Bewohnern und neu hinzugezogenen Außenseitern in einer englischen Gemeinde Ende der 1950er Jahre beschäftigt:

»Diese Spannungen traten nicht auf, weil die eine Seite böse oder hochfahrend war und die andere nicht. Sie waren in dem Muster begründet, das sie miteinander bildeten. Hätte man die ›Dörfler‹ gefragt, hätten sie vermutlich geantwortet, daß sie keine Neubausiedlung vor ihrer Haustür haben wollten; und hätte man die ›Siedlungsleute‹ gefragt, hätte man wahrscheinlich zu hören bekommen, daß sie lieber anderswo wohnen wollten als neben einer solchen älteren Gemeinde.

Einmal zusammengeworfen, waren sie in einer Konfliktsituation gefangen, die keine der beiden Seiten zu steuern vermochte und die man als solche verstehen muß, wenn man in anderen, ähnlichen Fällen eine bessere Lösung sucht. Die ›Dörfler‹ behandelten die Neuankömmlinge natürlich so, wie sie Abweichler in ihrer eigenen Nachbarschaft zu behandeln pflegten. Und die Zuwanderer benahmen sich an ihrem neuen Wohnort ganz unschuldig so, wie es ihnen natürlich erschien. Sie waren sich nicht bewußt, daß sie dort auf eine etablierte Ordnung trafen, mit eingespielten Machtdifferentialen […]. Für die meisten von ihnen war unbegreiflich, warum die Alteingesessenen ihnen mit Verachtung begegneten und sie auf Distanz hielten. Aber die Rolle einer niedrigeren Statusgruppe, in die sie versetzt wurden, und die unterschiedslose Diskriminierung aller Zuzügler in der ›Siedlung‹ muß sie früh davon abgeschreckt haben, sich um engere Kontakte mit den älteren Einwohnern zu bemühen. Beide Seiten agierten […] ohne recht zu verstehen, was da geschah […].«

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