Heute ist die Zukunft von gestern XIV: Herr B. in der perfekten elektronisch gesteuerten Welt
6. Juli 2013Herr B. lebt in den 2000ern – in der »perfekten elektronisch gesteuerten Welt, in der Mikrofone für ihn hören und Kameras für ihn sehen«. Und manchmal fühlt er sich in dieser Welt »schrecklich einsam«, »aber dann nimmt er schnell eine Tablette Optimum 10 und fühlt sich besser«. Er ist der fiktive Protagonist einer ZDF-Dokumentation aus dem Jahre 1972, die sich mit dem Alltagsleben der Zukunft beschäftigt.
Dabei nimmt sich Richtung 2000 – Vorschau auf die Welt von morgen für die heutigen Sehgewohnheiten mitunter übermäßig viel Zeit und beschreibt minutiös den Tagesablauf von Herrn B., der an elektronischen Schaltpulten Teleshopping betreibt, seinem Chef per Bildtelefon mitteilt, dass er später zur Arbeit (25-Stunden-Woche, Rente mit 50) kommen wird, via riesigem Flachbildschirm zwischen unglaublichen 15 Fernsehprogrammen umherschaltet, nach biologischen Methoden angebautes Essen zu sich nimmt und in einer Welt, in der »Umweltverschmutzung per Gesetz verboten« ist, via Hochgeschwindigkeitszug und Konservenauto zur Arbeit fährt. Herr B. arbeitet übrigens als Administrator für Computersysteme, die »für alle Entscheidungen in Politik oder Wirtschaft blitzschnell exakte Unterlagen« liefern.
Nach rund 15 Minuten Zukunftsvisionen schwenkt die Dokumentation allerdings um und schlägt einen kritischen Ton an: Alle Voraussetzungen für diese Welt von morgen seien geschaffen, aber »nur 28 Jahre vor der Schwelle zum 3. Jahrtausend präsentiert sich unsere Welt in höchst unvollkommener Verfassung« – und ersticke in Abgasen, Abfall, Katastrophen, Giften und Düngemitteln: »Die Industrialisierung brachte Wohlstand, aber auch Bedrohungen für alle« und »begünstigte die Konzentration von Kapital und Sachwerten in den Händen weniger«. Und weiter:
»Wir vermitteln Wissen nach Methoden der Vergangenheit. Wenn es aber nicht gelingt, möglichst viel Wissen an möglichst viele Menschen zu vermitteln, werden wir vor den Problemen der Zukunft kapitulieren müssen. […] Wir reißen das Alte ein, ohne genügend erforscht zu haben, wie das Neue aussehen soll. […] Unsere Vergangenheit erforschen wir gründlich […]. Zukunftsplanung aber findet bis jetzt nur zersplittert […] mit einem lächerlichen Einsatz an Mitteln statt. […] Politiker und Wissenschaftler stehen vor der Aufgabe, den schon weit fortgeschrittenen Zerstörungsprozess zu bremsen, bevor es zu spät ist. Wir haben dafür nicht mehr viel Zeit.«
https://www.youtube.com/watch?v=kaGnBNhE2xI
Richtung 2000 – Vorschau auf die Welt von morgen — Teil 1
Richtung 2000 – Vorschau auf die Welt von morgen — Teil 2
Richtung 2000 – Vorschau auf die Welt von morgen — Teil 3