Blogschau: Google & Leistungsschutzrecht

28. November 2012

Kurz vor Schluss ist Google in aller Öffentlichkeit in die Debatte um das Leistungsschutzrecht eingetreten und fordert unter dem griffigen Titel »Verteidige Dein Netz« seine Nutzer auf, sich – unterstützt durch Googles Kartendienste und Suchfunktionen – an ihre Abgeordneten im Deutschen Bundestag zu wenden. Was sagt eigentlich die deutschsprachige Blogosphäre dazu? Eine kleine Blogschau:

Tobias Schwarz auf netzpiloten.de:

»Ja, ich bin Nutzer von Google-Diensten und trotzdem kein Freund des Beinahe-Monopolisten. Trotzdem halte ich die Unterstützung der Aktion für sinnvoll, denn Google stellt hier die Infrastruktur für eine Kampagne, die die deutsche Netzgemeinde noch nicht regelmäßig anbieten kann. Das Prinzip ›Der Feind meines Feindes ist mein Freund‹ mag kurzsichtig erscheinen, profitiert doch gerade ein Unternehmen wie Google vom Stopp eines Leistungsschutzrecht, aber die Vorteile für unsere Gesellschaft sind zu wichtig, als das Akteure in der Debatte mit dem Vorwurf des Google-Lobbyismus einen Keil in den Widerstand für ein freies Netz treiben dürfen.«

Marcel Weiss auf neunetz.com:

»Beide Seiten mögen ihre Macht- und Marktpositionen missbrauchen, wobei ich das bei Google hier nicht unbedingt sehe. Während die Presseverlage in Gestalt von Christoph Keese einen Lobbyisten in Hinterzimmern verhandeln ließen, setzt Google zumindest jetzt auf die eigenen Endnutzer und die Öffentlichkeit. (Nicht unwahrscheinlich, dass Google als Reaktion auch Lobbyisten diesbezüglich beschäftigt. Nur erfolgreich waren sie nicht.) Ich kann daran nichts Verwerfliches erkennen. Es steht jedem frei, gegen das extrem gefährliche Leistungsschutzrecht aktiv zu werden – oder nicht.«

John F. Nebel auf netzpolitik.org:

»Natürlich ist richtig, dass Google hier aus rein kapitalistischen Interessen handelt. […] Natürlich ist es ungewöhnlich und neu, wenn eine Firma Menschen politisch mobilisieren will. Aber kann mir das nicht egal sein, wenn das Ziel richtig ist? Das Leistungsschutzrecht ist ein von Verlegerinteressen geprägtes, gegen die freie Verbreitung von Information gerichtetes Gesetz, das für mich als Blogger und für viele andere Menschen Rechtsunsicherheit schafft. […] Natürlich muss man Google angehen und auch gesetzlich Grenzen setzen. Aber das sind zwei grundverschiedene Dinge. Ich kann Google aus Datenschutzsicht scheisse finden – und gleichzeitig in anderen politischen Fragen zusammenarbeiten. So ist eben politische Bündnisarbeit. So war sie immer.«

Stefan Niggemeier schreibt:

»Das Kampagnenvideo von Google zeigt eindrucksvoll, wie sehr die Suchmaschine in der alltäglichen Erfahrung vieler Nutzer synonym mit dem Netz ist. […] Die überschäumende Empörung darüber, dass ein kommerzielles Unternehmen wie Google sein Eigeninteresse als Gemeinwohl ausgibt, lässt sich auch dadurch erklären, dass sich Google diesen Trick von den Verlagen abgeschaut haben könnte. […] Wenn Google wegen seiner Kampagne als ein kommerzielles Unternehmen wahrgenommen wird, das seine Macht rücksichtslos für eigene Zwecke ausnutzt, kann es damit eher leben, als wenn die Verlage so wahrgenommen werden. Auch Google ist auf das Vertrauen der Nutzer angewiesen, aber Google steht gerade nicht mit dem Rücken an der Wand […].

Axel Springers Außenminister Christoph Keese twitterte: ›Heute blicken wir in düstere Zukunft: So sieht es aus, wenn ein Netzmonopol Politik macht. Dem liefern wir uns aus, wenn Zeitungen sterben.‹ Vielleicht merkt er wirklich nicht, dass diese ›düstere Zukunft‹ den Schrecken verliert, wenn sie sich so wenig unterscheidet von der Gegenwart. Wenn der kritische Beobachter den Eindruck bekommen könnte, dass der Unterschied minimal ist, ob ein riesiger amerikanischer Suchmaschinenkonzern die Leute aus Eigennutz (des)informiert oder eine deutsche Zeitung. Sie haben immer noch nicht gemerkt, dass sie im vermeintlichen Kampf ums Überleben gerade ihre Lebensgrundlage verspielen.«

Frederic Schneider schreibt:

»Wie folgt dokumentiere ich mein heutiges Schreiben an die FAZ als offenen Brief: ›Sie berichten [.] sehr eindeutig einseitig über die Meinung der Deutschen Zeitungsverleger und verurteilen die gestern gestartete Google-Kampagne ziemlich deutlich als unmoralisch. In Ihren drei (!) Artikeln kommt in keinem einzigen die Meinung von Google als Gegenseite vor. Das finde ich journalistisch sehr fragwürdig […]. Sie werfen im Besonderen in Ihrem Artikel Google vor, seine Machtstellung für die eigenen Zwecke zu missbrauchen. Daher frage ich mich: Was ist das, was Sie machen? Während bei Google auf der Kampagnen-Seite zumindest noch jeder weiß, dass hier jemand mit offenem Visier für seine Zwecke streitet, nutzen Sie das Visier des ›unabhängigen Journalismus‹, um für Ihre Ziele zu werben. Das ist der journalistischen Institution FAZ nicht würdig.‹«

Jan Kercher auf campaignwatchers:

»Google ist schon lang kein reiner Suchmaschinen-Betreiber mehr. Sondern ein Big Player in der Medienpolitik – mit handfesten kommerziellen Interessen, die für Kampagnen wie die oben dargestellte aber gerne als (selbstloser) Kampf für Informationsvielfalt und allgemeine Wohlstandsförderung dargestellt werden.«

Ina Janssen auf social-move.de:

»Der Suchmaschinenriese nutzt seine Macht, weil er den Usern suggeriert, dass alle Internetfreiheitskämpfer auch für Google kämpfen sollten. Auch wenn der Gesetzesentwurf für das Leistungsschutzrecht ohne Frage umstritten ist, muss man sich nicht gleich auf Googles Seite stellen. Man sollte nämlich nicht vergessen, dass Google grundsätzlich seine eigenen Interessen vertritt und beispielsweise eigenmächtig über die Sperrung gewisser Suchbegriffe entscheidet. Den Kampf für die Internetfreiheit sollte man daher nicht einem Konzern überlassen, der über kein nachvollziehbares Regelwerk über das Herabstufen oder Hervorheben bestimmter Inhalte entscheidet. Google ist nicht das Internet und vertritt vor allem seine eigenen Interessen und nicht die aller Internetnutzer.«

Sascha Pallenberg auf mobilegeeks.de:

»Richtig spannend wird es [..], wenn man sich die Reaktion der Verleger und Politik auf Googles Kampagne anschaut: Es sei ein Unding, dass der Suchmaschinenkonzern seine marktbeherrschende Stellung einseitig für die eigenen Ziele nutze. Da wird von einer ›historisch beispiellosen politische Kampagne‹ und ›übler Propaganda‹ gefaselt. […] Moment… Kann es sein, dass ich genau diese Floskeln immer wieder mit den deutschen Zeitungen in Verbindung gebracht habe? […] Eine minimale Änderung in der robots.txt-Datei würde ausreichen und die Onlineangebote dieser Trafficvampire würden nicht mehr indexiert. Der Google-Traffic würde innerhalb kürzester Zeit gen Null gehen und ich garantiere, dass innerhalb der ersten 6 Monate der ›Entgooglefizierung‹ der deutschen Medienlandschaft, mehr als 90% dieser Angebote sich ins digitale Nirvana verabschieden. Liebe deutsche Verleger, bitte tut mir den Gefallen und zieht endlich den Stecker raus. Verabschiedet euch aus dem Google-Index und zeigt der Welt da draussen, welch nachhaltigen Businessplan ihr in euren Glaspalästen des Qualitätsjournalismus ausgeheckt habt.«

Benjamin Schötz auf niemandhatdieabsicht.de:

»Sicherlich hat Google bei all seinen Aktivitäten vorrangig Geschäftsinteressen. Das heißt allerdings nicht, dass der Gedanke eines freien Internets ohne unsinnige Beschränkungen nicht mit diesen Interessen parallel laufen würde. Was Hanfeld und Neuroth hier schreiben, entspricht in etwa einem Vorwurf an einen ostdeutschen Reiseveranstalter, der sich gegen den DDR-Mauerbau auflehnt: Sicherlich hat er dabei auch wirtschaftliche Interessen – die Aufhebung der Reisefreiheit bleibt trotzdem eine anprangerungswürdige Rechtsbeschneidung.«

Und hier abschließend: Das Max-Planck-Institut  für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht hat folgende Stellungnahme veröffentlicht:

»Dabei ist [.] nicht anzunehmen, dass die Presseverleger dieses Verbotsrecht tatsächlich durchsetzen werden. Sie sind ganz im Gegenteil auf die Linksetzungen der Suchmaschinenbetreiber angewiesen, um die Leserschaft auf ihre Inhalte zu lenken. Dieses Interesse, von Suchmaschinen berücksichtigt zu werden, zeigt sich darin, dass es mit einfachen technischen Mitteln ohne weiteres möglich wäre, die heute üblichen Linksetzungen zu unterbinden. […] In Wahrheit geht es also darum, dass Presseverleger gestützt auf das Verbotsrecht Nutzungserlaubnisse erteilen wollen […]. Verkannt wird dabei freilich, dass von einer gesetzlichen Regelung nicht nur große Akteure betroffen wären. Im Internet finden sich unzählige kleine Anwendungen, deren Betreiber finanziell weder in der Lage noch willens wären, Lizenzgebühren zu bezahlen.

[…] Suchdienste gefährden nicht die Möglichkeit der Presseverleger, ihre eigenen Inhalte auf dem Internet zur Verfügung zu stellen. Denn solche Angebote werden durch Suchmaschinen nicht substituiert, sondern das Gegenteil ist der Fall: Die Möglichkeit, solche Inhalte aufzufinden, wird gefördert […]. Im Ergebnis landet der die Information Suchende beim Verlagserzeugnis […]. Die Funktionsfähigkeit von Suchmaschinen beruht vielmehr auf einer selbständigen, abgrenzbaren Leistung ihrer Betreiber. […] Dass diese erbracht werden, liegt ebenso im Interesse aller Beteiligten wie die Tatsache, dass Presseverleger in die Erzeugung der Inhalte investieren. […] Ohne Inhalte würden die Suchmaschinen nichts finden – und ohne Suchmaschine würde in der unübersehbaren Informationsfülle des Internets nichts gefunden […].«


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4 Kommentare zu “Blogschau: Google & Leistungsschutzrecht”

  1. Wulle says:

    Du hast mspr0 vergessen, der gibt bei solchen Sachen ja meist ganz gut verwertbaren Senf von sich:

    http://mspr0.de/?p=3143

    “Für mich ist es etwas völlig normales, dass ein Player in diesem Spiel wie Google hier seine Interessen vertritt. Und ich habe kein Problem damit, Seit an Seit mit dem Konzern gegen das Leistungsschutzrecht zu kämpfen, wenn unsere Interessen sich matchen. …
    Hier, beim Leistungsschutzrecht, lässt sich die antiimperialistische Denke recht gut herausextrahieren, denn die altlinken Netzaktivisten distanzieren sich völlig ohne Not vom “amerikanischen Konzern”, dessen Interessen sie teilen. Der Datenschutzdiskurs ist da viel verstellter. Da ist nicht mehr zu trennen, was jetzt reines Ressentiment und was echte Besorgnis ist. Aber es besteht kein Zweifel, dass die altlinken Reflexe beim Datenschutz ebenfalls die Debatte bestimmen. Und ich finde das immer extrem anstrengend.”

  2. Nicht vergessen; nur zu früh drangewesen 🙂

  3. FreakyJ says:

    Hier die Wortbeiträge der gestrigen Debatte im Video:
    http://www.bundestag.de/Mediathek/index.jsp?isLinkCallPlenar=1&action=search&contentArea=details&ids=2040460&instance=m187&categorie=Plenarsitzung&destination=search&mask=search

    Auffällig: Wenig Publikum (um kurz nach 23 Uhr)! Und: Wenig Expertise – aber ist das aus Sicht der Betroffenen auf die Politik nicht immer so?

  4. ThomasWeber says:

    Ist doch gar nicht so schlecht, was die Dame der Grünen zu sagen hat…