6. Mai 2012
Die Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall hat Ende April eine Studie herausgegeben, welche die BILD-Berichterstattung zu Christian Wulff zwischen 2006 und Anfang 2012 – und damit auch ihren folgenschweren Wendepunkt im Dezember 2011 – anhand zahlreicher Schlagzeilen und Artikel-Kostproben nachzeichnet:
»Das Bild-Publikum erfährt im Zeitraum zwischen 2006 und dem 12. Dezember 2011, dass Christian Wulff ein Muster an Erfolgspolitik, moralischer Integrität und familiären Glücks ist. […] Bild zieht in seinen Veröffentlichungen den Wechsel an ein und demselben Tag durch, am 12. Dezember 2011: Tagsüber wird Wulff noch bejubelt, um 22.02 Uhr kommt die Wirbel-Meldung. […] In die Bild-Geschichtsschreibung geht der 12. Dezember 2011 so ein: ›Der Bundespräsident droht mit einer Strafanzeige gegen den verantwortlichen Redakteur. Unbeeindruckt von dieser Drohung veröffentlicht BILD am nächsten Tag die erste Geschichte über die Kredit-Affäre des Bundespräsidenten‹ (13. Januar 2012).«
Wie dieser Umschwung zustande kam, welche Gründe die BILD für ihre Kehrtwende hatte – das ergründen Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz in ihrem Ritt durch eine breite Materialbasis und kommen dabei zu pointierten Thesen, die sicherlich teilweise wiederum hinterfragenswert erscheinen. Zweifelsohne führt die direkte Gegenüberstellung einzelner Fragmente der Boulevard-Poesie mithin zu einem leisen Lächeln (mit bitterem Nachgeschmack) – und die Berichterstattung anderer Medien über die Rolle der BILD in dieser Affäre zu vielen Fragezeichen.

30. April 2012
Ein Ende der Kostenloskultur im Netz ist kaum in Sicht (auch wenn es schon allzu oft angekündigt wurde) und nicht nur hierzulande tun sich die etablierten journalistischen Anbieter schwer, belastbare Erlösmodelle für ihren Online-Content zu finden. Wie eine erfolgreiche Online-Strategie für Printmedien aussehen kann, zeigt indes die New York Times mit ihrem Modell einer »metered paywall«: Seit Ende März 2011 kann auf die Online-Ausgabe der Zeitung nur noch eingeschränkt kostenfrei zugegriffen werden. Nicht-Abonnenten konnten bis April 2012 bis zu 20 Artikel pro Monat abrufen und wurden danach aufgefordert, ein Abonnement abzuschließen. Mittlerweile wurde der freie Zugriff auf 10 Artikel pro Monat eingeschränkt.

Seit der Einführung dieser mehrstufigen bzw. weichen Paywall vor gut einem Jahr konnte die New York Times über 455.000 neue Abonnenten gewinnen und einen Einnahmenzuwachs sowohl im Online- als auch im Printbereich verzeichnen. Nach Aussage des stellvertretenden NYT-Vorsitzenden Michael Golden hatte das Modell überdies keine messbaren Auswirkungen auf den Anzeigenverkauf, der seines Erachtens 2011 aus anderen Gründen zurückging.
Angesichts dieser positiven Nachrichten planen nun auch europäische Anbieter (z.B. NZZ, WAZ-Gruppe), ähnliche Schranken zu errichten, die Nicht-Abonnenten nur noch einen sehr selektiven Blick auf die jeweiligen journalistischen Inhalte lassen. Und spätestens nach einem Bericht auf dem Branchenportal Meedia über mutmaßlich ähnliche Pläne für Spiegel Online, diskutiert die ganze Branche über Sinn und Unsinn des digitalen Mauerbaus (vgl. z.B. Berichte auf/in Horizont, YOUdaz, kress).
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1. März 2012
Facebook erreichte im Dezember 2011 laut comScore 55 Prozent aller Internetnutzer weltweit (Europa: 68%; Nordamerika: 83%) und ist damit der Primus unter den Social-Networking-Diensten. Aber Google+ holt gemessen an den offiziellen Nutzerstatistiken seit seinem Launch vergangenen Sommer in großen Schritten auf und verzeichnete Ende 2011 rund 90 Mio. Nutzer, während es im Oktober noch 40 Mio. waren.
Zu diesem Anstieg der registrierten Google+-Nutzer dürfte allerdings auch das neue übergreifende Anmeldeverfahren für alle Google-Dienste beigetragen haben, dass im November 2011 eingeführt wurde: Google-Kunden erhalten seitdem mit einem einzigen Account Zugriff auf alle Google-Anwendungen, was auch Google+ inkludiert. Vor diesem Hintergrund beziehen sich die Aussagen der Konzernleitung zu den täglichen Nutzern stets auf alle Google-Dienste und nicht gesondert auf Google+.
Frische Zahlen von comScore zur durchschnittlichen monatlichen Verweildauer von registrierten Nutzern auf den beobachteten Websites suggerieren denn auch, dass Google+ eher einer »virtuellen Geisterstadt« als einer lebendigen Plattform gleicht (vgl. aber die nachfolgenden kritischen Anmerkungen):

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8. Februar 2012
Vor rund einem Jahr stieß der Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano im Zuge einer Rezension auf die ersten plagiierten Stellen in K.T. zu Guttenbergs Doktorarbeit und trat damit einen der größten Skandale der letzten Jahre los (SZ-Artikel vom 16.2.2011). Danach folgte ein weitläufiger Medienrummel, das GuttenPlag-Wiki (vgl.: »Wer steckte dahinter?«) und eine rasche (wissenschafts-)politische Flurbereinigung: Am 23. Februar wurde zu Guttenberg der Doktorgrad entzogen; am ersten März trat zu Guttenberg als Verteidigungsminister zurück.
Welche Konsequenzen aber wurden aus der Causa Guttenberg gezogen? Hat die Wissenschaft an politischer Macht zurückgewonnen? Werden wissenschaftlich-politisch-wirtschaftliche Verquickungen nun berechtigterweise wieder mit Argusaugen beobachtet? Haben Universitäten und Hochschulen gar an Autonomie gewonnen? Mit all diesen Fragen befasst sich (der in der Affaire zentrale) Fischer-Lescano am Beispiel der Rechtswissenschaften in einem Artikel, der kürzlich in den Blättern für deutsche und internationale Politik erschienen ist.
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20. Januar 2012
»Bild verliert in sieben Jahren eine Million Käufer« vermeldet in großen Lettern das Branchenportal Meedia mit Blick auf die Auflagenzahlen der IVW. Ein Grund zum Jubeln für die springerkritischen Teile der Bevölkerung? Nur vordergründig, denn parallel zu diesem Rückgang im gedruckten Bereich ist die Zahl der Visits auf Bild.de seit Dezember 2009 mehr oder minder kontinuierlich angestiegen (vgl. auch: »Social Media: Die meistempfohlenen Artikel 2011«):

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15. Januar 2012
Casting-Shows im Fernsehen blicken auf eine längere Geschichte zurück, als sich allgemeinhin denken ließe: Schon Mitte der 1950er Jahre wurden die Wahlen zur Miss America im amerikanischen TV übertragen und ab den 1960er Jahren entwickelten sich die Vorentscheide für den Grand Prix Eurovision de la Chanson (heute: Eurovision Song Contest) auch in Deutschland zu Straßenfegern mit bis zu 15 Mio. Zuschauern.
Bis in die 1990er Jahre trug der deutsche Vorentscheid mithin noch den Titel »Ein Lied für …« und nicht wie heute die Bezeichnung »Unser Star für …«. Erst ab 2010 und mit Stefan Raab entwickelte sich die öffentlich-rechtliche Talentsuche auch in offizieller Lesart von einem Wettbewerb um das beste Songgut zu der Suche nach einem vielfältig vermarktbaren Star, dessen Entwicklung von Beginn an durch Kameraaugen festzuhalten ist. Die seit 2000 durch die Casting-Reality-Shows der Privatsender stetig weiterentwickelten – und in der Zuschauergunst erfolgreichen – Modelle wurden auf diese Weise letztlich zu einer übergreifend akzeptablen Herangehensweise geadelt.

Und so wird sich 2012 wie in den 2 Jahren zuvor in den ARD-Final-Shows die paradoxe Situation einstellen, dass deren Zuschauer zu kostenpflichtigen Voting-Anrufen gereizt werden, die zum Erfolg eben jenes Programms beitragen, für dessen Finanzierung sie als GEZ-Zahler bereits einen Obolus geleistet haben. Dieses Jahr kann sich die Projektliaison zwischen ARD und Pro 7 allerdings sogar noch mit einer mutmaßlich weltweiten Neuerung schmücken, die letztlich eine konsequente, wenn auch hinterfragbare Weiterentwicklung des Casting-Betriebs darstellt: Der Blitztabelle.
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4. Januar 2012
Es ist die Zeit der Jahrescharts – nicht nur musikalisch (alternative Sichtweise hier): Jens Schröder und weitere Autoren von Hyperland haben sich die Mühe gemacht, die 100 deutschsprachigen Beiträge aus dem Netz zu fischen, die im Jahr 2011 am häufigsten von Facebook-, Twitter– und Google+-Nutzern weiterempfohlen (bzw. geliked, geshared, getweeted oder 1+st) wurden:
»Mit Hilfe verschiedenster Recherchewege werden zehntausende Artikel identifiziert, die oft bei Twitter, Facebook und Google+ genannt wurden. Mit Hilfe der offiziellen API-Schnittstellen […] werden anschließend die Gesamtverlinkungen in Tweets, Facebook-Likes, etc. für all diese Beiträge ermittelt und ein Ranking erstellt.«
Zum einen lassen sich aus diesen Nachforschungen nun die Top-Themen im Social Web 2011 herauskristallisieren: Auf den vordersten Plätzen finden sich hierbei die Guttenberg-Affäre, Warnungen vor Facebook-Würmern und -Viren, die Schließung von kino.to, die Tötung von Osama Bin Laden, das Gesichtserkennungs-Feature bei Facebook, eine Kinderschänder-Fahndung und die Causa Wir sind Helden versus Bild.
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