Heute ist die Zukunft von gestern XXII: »Ihr werdet es erleben« (1967)
27. Januar 2017Es gab eine Zeit, in der ein Buch, das 1967 im englischsprachigen Original vorlag, vier Jahre später als deutschsprachiges Taschenbuch noch als ›brandneu‹ vermarktet werden konnte, »gespickt mit Daten, Kurven, Tabellen, vollgepfropft mit Fakten« (allerdings über eine 30 Jahre entfernte Zukunft). Dieses Buch – Ihr werdet es erleben. Voraussagen der Wissenschaft bis zum Jahre 2000 (Kahn/Wiener 1971) – ist mir jüngst erneut in die Hand gefallen und zeigt meines Erachtens einmal mehr, dass viele Hoffnungen und Ängste, die wir gegenwärtig an neue Technologien knüpfen, ihren Ursprung in einem Diskurs weit vor unserer Zeit finden. Einige Ausschnitte:
Über Computer (102f.)
»Bezeichnet man das zweite Drittel des 20. Jahrhunderts als Atomzeitalter und die frühen Perioden als Zeitalter der Dampfmaschine, des Stahls, der Elektrizität oder des Automobils, dann werden die nächsten drei Jahrzehnte möglicherweise als Zeitalter der Elektronik, der Computer, der Automation, der Kybernetik oder der Datenverarbeitung in die Geschichte eingehen. […] Zusätzlich zu ihren vom Menschen teilweise unabhängigen ›Denkleistungen‹ werden Computer immer mehr als vielseitige Werkzeuge für unsere Bedürfnisse verwendet – oft in so enger Zusammenarbeit mit dem Menschen, dass man von einer Symbiose zwischen Mensch und Maschine sprechen kann. Eines Tages wird es wahrscheinlich in jeder Wohnung einen kleinen Computer geben […]. Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wird also die Computerindustrie so bedeutsam wie die Energieindustrie sein […].«
Über Automation (107f.)
»Die künftige Wirkung der Automation auf Beschäftigungszahl, Arbeitsstunden und Produktivität ist kaum vorherzusagen, da vor allem die Rate der industriellen Automation zunehmen wird und es ungewiß ist, ob sich die Gesellschaft für Produktionszuwachs oder für vermehrte Freizeit entscheiden wird. […] Vielen mag die Idee unglaubwürdig erscheinen, daß es bis zum Jahr 2000 relativ billige Roboter für die Hausarbeit geben wird. […] Ein solcher Haushaltsroboter und seine allgemeine Anwendung dürften bis zum Jahr 2000 möglich sein. Dabei müssen wir den doppelseitigen Einfluss der Automation in Industrie und Haushalt […] in Betracht ziehen.«
Über Überwachung (113f.)
»Freilich wird durch die rapid fortschreitende Informationsverarbeitung in zentralen Sammelstellen der Regierung, der Privatwirtschaft und einzelner Personen die Gefahr einer ernsthaften Störung des Privatlebens akut. […] Tatsächlich könnten sich solche Probleme weniger als Nebenprodukte der normalen Wirtschafts- oder Regierungstätigkeit ergeben, sondern eher auf Grund der Ausarbeitung spezieller Systeme der Überwachung und Kontrolle von Einzelmenschen. […] Künftige Computer und Programme werden […] nicht nur auf sprachliche Informationen reagieren, sondern vielleicht auch auf einen ungewöhnlich ärgerlichen oder drohenden Ton in der Stimme. Ein solcher Computer könnte auch selbst Schlussfolgerungen ziehen […]; dabei verbessert er selbsttätig seine Methoden, in dem er Informationen über kriminelles oder anderes Verhalten […] sammelt. Man wird eigene Gesetze aufstellen müssen, um diese Möglichkeiten des ›nur Zuschauens‹ zu regeln.«
Über Zentralisierung (133f.)
»Die Technologie führt zu Problemen der beschleunigten Verbreitung von Atomwaffen; des Verlustes der Privatsphäre; der übergroßen staatlichen und privaten Macht über die Menschen; der Überzentralisation, die leicht mißbraucht und korrumpiert werden kann; der notwendigen Entscheidungen, die jedoch zu schwerwiegend, kompliziert oder ungewiß sind, um von einzelnen privaten oder öffentlichen Personen getroffen zu werden. Sie bringt neue, gefährliche Fähigkeiten hervor, deren Mißbrauch zu Katastrophen führen kann […].«