Literaturhinweis: Tagesschau und Social Media
19. April 2013Das Hans-Bredow-Institut (Hamburg) hat im März einen Fallstudienbericht mit dem Titel »Publikumsinklusion bei der Tagesschau« veröffentlicht. Auf der Grundlage von qualitativen Interviews mit Redaktionsmitgliedern und Rezipienten sowie einer standardisierten Befragung der Journalisten und Nutzer von tagesschau.de wird eruiert, wie im Kontext eines etablierten Nachrichtenformats Publikumsbeteiligung organisiert wird und in welchem Umfang (und mit welchen Erwartungen) nutzerseitig partizipative Angebote wahrgenommen werden.
Im Schlussteil diagnostizieren die Autoren – Wiebke Loosen, Jan-Hinrik Schmidt, Nele Heise, Julius Reimer und Mareike Scheler – u.a. eine »doppelte Schieflage«:
»Einerseits erbringt die Tagesschau nicht nur im Hinblick auf ihr ›Kerngeschäft‹ der TV-Nachrichten umfassende Inklusionsleistungen, sondern bietet auch im Internet viele partizipative Angebote an. Ein großer Teil des befragten Publikums nimmt diese Angebote allerdings gar nicht in Anspruch oder beschränkt sich auf eher ›niederschwellige‹ Formen der Anschlusskommunikation wie das Weiterleiten und Bewerten von journalistischen Inhalten. Weitergehende Publikumsinklusion, z. B. das Aufgreifen von nutzergenerierten Inhalten, wird wenn überhaupt nur in engen Grenzen als legitimer Bestandteil der Tagesschau gesehen.
Andererseits produziert selbst der relativ kleine Teil des Publikums, der sich aktiv zu Wort meldet und journalistische Inhalte kommentiert, bereits so viel Feedback, dass es die Inklusionsstrukturen auf Seiten der Journalisten zu überfordern droht. Mit den Social Media-Redakteuren sind Rollen […] eingerichtet worden, die Scharnier- und Filterfunktionen innerhalb der Redaktion […] innehaben. Nur durch erheblichen personellen Einsatz […] sowie durch die Beschränkung der Zeitspanne, in der neue Artikel kommentiert werden können, ist der Moderations- und Betreuungsaufwand zu leisten und lassen sich die selbstgesetzten redaktionellen Standards für eine konstruktive, an den Themen der Berichterstattung orientierte Anschlusskommunikation umsetzen«.