Facebook vs. Google+: Verweildauer
1. März 2012Facebook erreichte im Dezember 2011 laut comScore 55 Prozent aller Internetnutzer weltweit (Europa: 68%; Nordamerika: 83%) und ist damit der Primus unter den Social-Networking-Diensten. Aber Google+ holt gemessen an den offiziellen Nutzerstatistiken seit seinem Launch vergangenen Sommer in großen Schritten auf und verzeichnete Ende 2011 rund 90 Mio. Nutzer, während es im Oktober noch 40 Mio. waren.
Zu diesem Anstieg der registrierten Google+-Nutzer dürfte allerdings auch das neue übergreifende Anmeldeverfahren für alle Google-Dienste beigetragen haben, dass im November 2011 eingeführt wurde: Google-Kunden erhalten seitdem mit einem einzigen Account Zugriff auf alle Google-Anwendungen, was auch Google+ inkludiert. Vor diesem Hintergrund beziehen sich die Aussagen der Konzernleitung zu den täglichen Nutzern stets auf alle Google-Dienste und nicht gesondert auf Google+.
Frische Zahlen von comScore zur durchschnittlichen monatlichen Verweildauer von registrierten Nutzern auf den beobachteten Websites suggerieren denn auch, dass Google+ eher einer »virtuellen Geisterstadt« als einer lebendigen Plattform gleicht (vgl. aber die nachfolgenden kritischen Anmerkungen):
Den comScore-Zahlen zufolge verweilten die auf der jeweiligen Plattform registrierten Nutzer, welche sich über einen stationären PC oder Laptop einloggten (weltweit, Daten zu Mobile Devices liegen nicht vor), im Januar 2012 im Schnitt 405 Minuten auf Facebook, jeweils 89 Minuten auf tumblr (Microblogging) oder pinterest (photo sharing), 21 Minuten auf Twitter (nur .com), 17 Minuten auf LinkedIn, 8 Minuten auf MySpace und 3 Minuten auf Google+. Als möglichen Grund für diese geringen Werte für Google+ nennt das Wall Street Journal dessen mangelnde Unterscheidbarkeit zu Facebook: Die originären Möglichkeiten von Google+ (z.B. »Hangouts«) reichten nicht aus, um Facebook-Mitglieder zu einem Wechsel zu bewegen.
Die Aussagekraft der comScore-Zahlen hinsichtlich des direkten Vergleichs zwischen Google+ und Facebook lässt sich allerdings aus zwei Gründen hinterfragen: Einerseits existiert Google+ als öffentlich zugängliches Social Network erst seit einigen Monaten, während Facebook schon seit vielen Jahren im Online-Nexus zugegen ist – und auch das Aufbauen von digitalen Verbindungen kostet Zeit. Andererseits liegt die Vermutung nahe, dass sich aufgrund der zeitweilig massiven Hinweise auf der Google-Startseite und des vereinheitlichten Google-Logins schlicht sehr viele Google-User aus Neugierde bei Google+ angemeldet haben, aber den Dienst so gut wie nie nutzen.
Dementsprechend könnte es durchaus sein, dass sich von den 90 Millionen registrierten Google+-Nutzern zwei Drittel (oder auch 9 Zehntel) nie auf der Plattform aufhalten, während einige Millionen Onliner Google+ tagtäglich äußerst rege nutzen. Insofern lassen sich die von comScore erhobenen Durchschnittswerte allenfalls als sehr allgemeine Momentaufnahme lesen, die kaum etwas darüber aussagt, wie intensiv Google+ von seinen aktiven Nutzern tatsächlich genutzt und wie sich das Verhältnis von Google(+) und Facebook in Zukunft entwickeln wird, das letztlich in einen Kampf um den Einstiegspunkt ins Web (vgl. PWC-Studie) für »Otto Normalverbraucher« münden könnte.
P.S.: Mit den Gründen für den Einstieg von Google in das Geschäft mit sozialen Netzwerken hat sich im vergangenen Herbst ein äußerst lesenswerter Artikel von Ulrich Dolata in den Blättern für deutsche und internationale Politik beschäftigt.