Splitter: Theorien der digitalen Gesellschaft

20. März 2024

Die ersten Beiträge des Handbuchs Medientheorien im 21. Jahrhundert (2024, hrsg. von Christoph Ernst, Katerina Krtilova, Jens Schröter, Andreas Sudmann) werden nun sukzessive als Live Reference Work Entry auf SpringerLink veröffentlicht, darunter auch der Übersichtstext »Theorien der digitalen Gesellschaft«. Aus der Einleitung:

In der gegenwärtigen Phase des offenkundigen Umbruchs, in der neue Medien- und Technikformen schrittweise sämtliche Teilbereiche der Gesellschaft durchdringen, werden medientechnische Strukturen, ihre Entwicklung und ihren Wirkungen zu einem sichtbaren Gegenstand öffentlicher Diskussion, bevor diese mit der Zeit zu einer Selbstverständlichkeit in der Lebenswelt avancieren. Dabei kommt ein Paradoxon zum Tragen, das bereits Marshall McLuhan (1968, S. 364) mit Blick auf den Medienwandel im 20. Jahrhundert aufgezeigt hat: Einerseits ist »jede Generation, die am Rande einer gewaltigen Wandlung steht, […] von der Kraft der neuen Technik hypnotisiert« und daher kaum in der Lage, ihre Effekte mit kritischer Distanz zu reflektieren. Andererseits birgt jeder Umbruch einen Moment der Klarheit darüber, wie grundlegend die Gesellschaft durch Medien bzw. Technik an sich geprägt ist.

Eine abgeschlossene Theorie der Digitalisierung kann insofern noch gar nicht vorliegen – schon alleine, da sich auch Gesellschaftsforschende dem Strudel der Faszination und Nervosität um einen andauernden soziotechnischen Umbruch nicht entziehen können. Nichtsdestominder wurden, auch angesichts des wachsenden öffentlichen Orientierungsbedarfs, in den letzten Jahren in der deutschsprachigen Soziologie vielfältige Theorien zur »digitalen Gesellschaft« mit gesellschaftsumspannenden Erklärungsanspruch formuliert, während in der englischsprachigen Theoriebildung gegenstandsbezogene Perspektiven vorherrschen.

Der vorliegende Beitrag gibt zunächst einen Überblick über einschlägige system- und kulturtheoretische Theorien der digitalen Gesellschaft, die den sozialwissenschaftlichen Diskurs geprägt haben. Nach einer kritischen Würdigung dieser Gesellschaftsentwürfe werden anschließend mit einem Fokus auf den Wandel der Öffentlichkeit und der Arbeitswelt spezifischer zugeschnittene Ansätze zusammengeführt, die auf eingegrenzte Aspekte der digitalen Transformation fokussieren. Abschließend werden die aktuellen Entwicklungen mit der langfristigen Koevolution von Medien und Gesellschaft in Beziehung gesetzt.


Querverweis: »Gefällt mir? 20 Jahre Facebook«

3. Februar 2024

Deutschlandfunk Nova hat sich in der Reihe »Eine Stunde History« am 2. Februar 2024 mit der inzwischen bereits 20-jährigen Geschichte von Facebook beschäftigt.

Facebook ist die Mutter aller Sozialen Netzwerke, mit heute immer noch rund drei Milliarden Nutzenden. Im Februar 2004 begann die Erfolgsgeschichte. Wir blicken zurück auf die Anfänge von Social Media – und was daraus wurde. […] Ihr hört in »Eine Stunde History«:

  • Der Sozialwissenschaftler Jan-Felix Schrape beschreibt die Gründungsphase von Facebook.
  • Der Journalist Sascha Adamek hat das Buch »Die Facebook-Falle« geschrieben und Kritik an dem sozialen Netzwerk geübt.
  • Die Wirtschafts- und Organisationspsychologin Sarah Diefenbach geht der Frage nach, ob Soziale Netzwerke Segen oder Fluch sind.
  • Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld blickt zurück auf die Anfangsjahre der Karriere von Mark Zuckerberg.
  • Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Wiebke Lehnhoff beschreibt die Entstehung von Facebook Anfang der 2000er Jahre.

Zum Beitrag (Audiopodcast) »


ARD/ZDF-Onlinestudie 2023

15. November 2023

Die seit 1997 und für die deutschsprachige Bevölkerung repräsentative ARD/ZDF-Onlinestudie für 2023 ist heute erschienen (Befragungszeitraum: März/April 2023). An dieser Stelle wie jedes Jahr einige Kernergebnisse im kompakten Überblick:

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Digitale Medien und Wirklichkeit (Springer essential)

7. November 2023

In der Reihe Springer essentials ist in diesen Tagen der Band »Digitale Medien und Wirklichkeit. Eine aktuelle Einführung in den operativen Konstruktivismus« erschienen, der auf knapp 40 Seiten in die erkenntnistheoretischen Grundlagen von Niklas Luhmanns Soziologie einführt und diese auf den gegenwärtigen Medienwandel bezieht. Die Perspektive des operativen Konstruktivismus steht dabei dem Eindruck eines disruptiven Umbruchs in kurzer Frist entgegen und kann insofern als eine instruktive Ergänzung zu der Flut an kurzfristigen Zeitdiagnosen im Diskurs um die Digitalisierung gelesen werden. Das Abstract:

Dieser Band führt in Niklas Luhmanns erkenntnistheoretische Perspektive des operativen Konstruktivismus ein und diskutiert auf dieser Grundlage das Zusammenspiel von Massenmedien, Many-to-Many-Kommunikation und publizistischen Angeboten im Social Web in der gesellschaftlichen Wirklichkeitskonstruktion.

Wie bildet sich in der digitalisierten Gesellschaft, in der das Nebeneinander unterschiedlicher Sichtweisen zur Alltagserfahrung wird, eine gemeinsame Gegenwartsbeschreibung heraus? Welche Chancen und Herausforderungen bieten sich für die Integration neuartiger Standpunkte? Wie wirken Prozesse sozialer Komplexitätsreduktion und algorithmische Selektionsmechanismen ineinander?


Splitter: »Digitalzwang im Alltag«

6. September 2023

Bereits Anfang August ist ein reporterdesk-Artikel zum Thema »Digitalzwang im Alltag« erschienen, zu dem auch ich einige Einschätzungen beisteuern durfte. Darin geht es vor allen Dingen um die nicht zu unterschätzende Gruppe der Senior:innen, die weder das Internet noch das Smartphone im Alltag regelmäßig nutzen und deshalb viele Services nur noch eingeschränkt nutzen können.

»Der Sozialwissenschaftler Jan-Felix Schrape forscht an der Universität Stuttgart zu den Schwerpunkten Innovations- und Techniksoziologie. Er sagt: ›Ganz grundsätzlich geht es Unternehmen meist darum, persönliche Beratung jetzt in automatisierter Form digital stattfinden zu lassen.‹ […] ›Ein Problem besteht darin, dass die verantwortlichen Unternehmen und deren Abteilungen, die Apps und Software entwickeln, nicht hinreichend reflektieren, dass es viele Menschen gibt, die bislang noch kaum Bezug zur digitalen Welt haben‹, sagt Schrape. Aus techniksoziologischer Sicht lasse sich ›aber immer wieder feststellen, dass es bei neuen Entwicklungen eine große Gruppe an Nachzüglern gibt‹.

[…] Für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist die Digitalisierung von zentraler Bedeutung. Experten wie Rena Tangens von Digitalcourage plädieren allerdings dafür, bei allen digitalen Umwälzungen wo es geht analoge Zugänge offenzuhalten. Kurz: Es braucht die analoge Alternative. Der Soziologe sagt es so: ›Neue Technologien eröffnen neue Spielräume, gleichzeitig gehen wir damit aber auch immer neue Abhängigkeitsverhältnisse ein.‹

[…] Der Soziologe Jan-Felix Schrape beobachtet, dass ganze gesellschaftliche Gruppen während der laufenden digitalen Transformation aus dem Blick geraten sind. ›Senior:innen und randständige Milieus spielen in vielen politischen und gesellschaftlichen Fragen der Digitalisierung kaum eine Rolle.‹ Er vermutet, das liege an der vorherrschenden Wahrnehmung, Deutschland sei in Sachen Digitalisierung auf einer Nachholposition. […] dadurch fehle die Zeit ›eine Art Interessenausgleich zu diskutieren oder tatsächlich zu sehen, welche Gruppen marginalisiert sind‹.«