»Plattformen, die allen gehören« (re;publica 19)

18. April 2019

Auf der re:publica 19 (07. Mai, Stage 3, 13:45–14:45 Uhr) diskutiere werde ich zusammen mit Claudia Henke (h3-o eG), Magdalena Ziomek-Frackowiak (SMartDe eG) und Thomas Gegenhuber (Leuphana Universität Lüneburg) über die aktuelle Plattformökonomie und die Frage, wie sich plattformbasierte Geschäftsmodelle und Arbeitsformen gemeinwohlorientiert gestalten lassen:

Amazon, Google, Facebook und Co generieren mit den von den Nutzer/innen unentgeltlich bereitgestellten Daten enorme Profite, geben aber nur einen Bruchteil ihrer Gewinne an die Gesellschaft zurück. […] Bemühungen, diese Daten-Monopole, die unsere digitale Infrastruktur dominieren, auf europäischer Ebene kartellrechtlich oder in puncto Datenschutz zu regulieren, gibt es bereits.

Aber auch arbeitsrechtlich entstehen durch die Plattformökonomie neue Herausforderungen: Mechanical Turk, Uber, Helpling, Deliveroo und Foodora treten als reine „Vermittler“ von digitalen („Clickworker“) oder analogen (Taxi- und Essenslieferdienste) Dienstleistungen auf und lehnen jede Verantwortung für die nach Aussage der Plattformen „selbständigen Auftragnehmer/innen“ ab. Kündigungsschutz, Mindestlöhne, Arbeitsschutz und Arbeitszeitregeln werden so umgangen, an vielen Stellen entsteht schon heute ein „digitales Prekariat“. […] Gleichzeitig ermöglichen die permanent gesammelten Daten ein umfassendes Kontrollregime […].

Wie können wir also neue Geschäftsmodelle und neue Arbeitsformen so gestalten, dass sie zum sozialen Fortschritt beitragen? Alternative Modelle wie digitale Genossenschaften, die mit Blick auf Partizipation, Datensicherheit, fairere Arbeitsbedingungen und gesellschaftlichem Nutzen andere Wege beschreiten wollen, haben es aufgrund des sog. Netzwerkeffekts bisher sehr schwer auf den Markt zu kommen und sich gegen die großen Player durchzusetzen. Wir möchten diskutieren, wie ein Ökosystem aussehen muss, in dem sich gemeinwohlorientierte Ansätze wie genossenschaftlich organisierte Plattformen entwickeln können.


Technikutopismus: Vom Whole Earth Catalog zur Maker Economy — Teil 2

5. August 2018

Nachfolgend Ausschnitte aus einem im Herbst erscheinenden Diskussionspapier zu offenen Werkstätten und Collaborative Commons — Teil 2 von 3 (Teil 1):

In der BRD gewannen politisch begründete DIY-Praktiken, nachdem sich in der Nachkriegszeit aus wirtschaftlichen Engpässen heraus bereits eine Kultur des Selbermachens ausgebildet hatte (z.B. entlang der Schnittmuster der Zeitschrift Burda Moden), mit den Umweltbewegungen der 1970er-Jahre an Prominenz (Andersen 1997): Neben im Fernsehen omnipräsenten Natur- und Tierfilmern wie Horst Stern und Bernhard Grzimek, die Umweltsünden stetig expliziter herausstellten, stellte der 1972 erschienene Report »The Limits to Growth« des Club of Rome den zuvor in der Bevölkerung verankerten Fortschrittsglauben in Frage und schuf ein Grundverständnis für ökologische Ungleichgewichte (Engels 2006; Brand et al. 1997). Eine Antwort auf das daraus resultierende Unbehagen bestand in alternativen Szenen nach dem großpolitischen Scheitern der »68er«-Bewegung in einer Änderung des persönlichen Lebensstils, der sich von Marktzwängen freizumachen suchte und in einer Wiederentdeckung des kleinen Handwerks mündete (Radkau 2011). Eine koordinierende Funktion übernahmen Stattzeitungen, die in ihrer Aufmachung Ähnlichkeit zum WEC aufwiesen (Drücke 1998).

Die konzeptuelle Basis hinter dieser Hinwendung zu dezentral organisierten Produktions- und Konsumweisen bestand – neben einem Konvolut an alarmierenden Schriften zum naturzerstörenden Einfluss des Menschen (Hermand 1991) – in zahlreichen großindustriekritischen Arbeiten u.a. von Robert Jungk (1973), Otto Ullrich (1977) und Ernst F. Schumacher (1973). Insbesondere Schumachers Vorstellung einer »economics of permanence«, die großen Einfluss auf die internationale Umweltbewegung hatte, nahm zentrale Ideen einer Postwachstumsgesellschaft vorweg und sah den Schlüssel für ein Überleben der Menschheit ähnlich wie Stewart Brand in einem veränderten Umgang mit existenten und künftigen Technologien:

»[…] a technology with a human face, is in fact possible […]. It serves production by the masses instead of mass production. […] I have no doubt that it is possible to give a new direction to technological development, a direction that shall lead it back to the real needs of man, and that also means: to the actual size of man. Man is small, and, therefore, small is beautiful. To go for gigantism is to go for self-destruction.« (Schumacher 1973: 117f.)

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Kurz notiert: Rezension zu »Kollektivität und Macht im Internet«

16. Juli 2018

In der aktuellen TATuP – Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis findet sich eine Rezension von Maximilian Roßmann zu den Büchern »Kollektivität und Macht im Internet« sowie »Collectivity and Power on the Internet« von Ulrich Dolata und mir. Roßmann kommt dabei zu folgendem Schluss:

»Das Buch liest sich einerseits als gelungene Erklärung von Macht und Kollektivität im Internet entlang der Co-Evolution von Open-Source-Projekten und Plattformanbietern. Es mag durchaus überraschen, dass all die großen Open-Source-Projekte klassische Organisationsformen teilen und in ökonomischer Abhängigkeit zu den Internet-Riesen existieren. […] Andererseits taugt das Buch auch als praktische Einführung in die problemorientierte Forschungsheuristik des akteurszentrierten Institutionalismus. Hervorzuheben ist die Kritik am Technik-Determinismus der Digital-Utopien […]. Die Ausgangspunkte und die Typologie des Buches zeigen sich jedenfalls äußerst vielversprechend für eine zeitgemäße und problemorientierte Technikgeneseforschung, die Bedingungen digitaler Welten ernst nimmt ohne davon geblendet zu sein.«


Technikutopismus: Vom Whole Earth Catalog zur Maker Economy — Teil 1

9. Juli 2018

Nachfolgend Ausschnitte aus einem im Herbst erscheinenden Diskussionspapier zu offenen Werkstätten und Collaborative Commons (Projektkontext) — Teil 1 von 3:

Ein wesentlicher Ausgangspunkt für die Idee einer modernen Do-it-yourself-Kultur besteht in dem ab 1968 erschienen Whole Earth Catalog, der als eines der Zentralorgane der kalifornischen Gegenkultur der späten 1960er-Jahre gilt […]. Der Katalog definierte sich als »evaluation and access device« für Werkzeuge und technische Hilfsmittel und propagierte als Gegenreaktion auf die zunehmende industrielle Arbeitsteilung sowie politische bzw. ökonomische Zentralisierung eine Rückbesinnung auf Praktiken der individuellen und dezentralen Produktherstellung:

»So far, remotely done power and glory—as via government, big business, formal education, church—has succeeded to the point where gross defects obscure actual gains. In response to this dilemma and to these gains a realm of intimate, personal power is developing—power of the individual to conduct his own education, find his own inspiration, shape his own environment, and share his adventure with whoever is interested. Tools that aid this process are sought and promoted by the WHOLE EARTH CATALOG.« (Brand 1968: 2)

Bildquelle: Nicolás Boullosa, Flickr (https://www.flickr.com/photos/faircompanies/14628349513/)

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Foyer Forschung: »Digitale Gesellschaft – informiert, manipuliert, polarisiert?«

7. Juni 2018

Update: Der Postcast zum ersten Teil der Veranstaltung ist nun verfügbar (mp3); Update 2: Der Veranstaltungsbericht ist verfügbar.

Am 7. Juni 2018 darf ich im Rahmen der Veranstaltungsreihe Foyer Forschung in Konstanz mit Andreas Jungherr (Universität Konstanz) und Jasmin Siri (Kulturwissenschaftliches Kolleg Konstanz) über das weite Themenfeld ›Digitalisierung, Öffentlichkeit und Politik‹ diskutieren. Aus der Pressemitteilung:

Im Internet sind Informationen wie Meinungen in Unmengen zugänglich. Ermöglicht uns dies eine informierte Beteiligung an demokratischen Prozessen? Oder spielt das Social Web der netzbasierten sozialen Strukturen und Interaktionen Manipulatoren und Demagogen in die Hand? Das Foyer Forschung »Digitale Gesellschaft – informiert, manipuliert, polarisiert?« geht am Donnerstag, 7. Juni 2018, um 20 Uhr diesen Fragen nach. […]

Digitale Medien haben die Art und Weise verändert, wie wir uns informieren, wie wir miteinander kommunizieren. Sie unterstützen die Entstehung neuartiger sozialer Bewegungen wie Occupy Wall Street und können Themen spontan ins öffentliche Bewusstsein rücken, wie die über Twitter verbreitete #metoo-Kampagne zeigt. »Ganz so radikal jedoch, wie manche in den 1990er-Jahren erwarteten, fielen die Veränderungen nicht aus«, stellt Jan-Felix Schrape fest […]. Im Foyer Forschung spricht der Soziologe über das Verhältnis von Social Media und Massenmedien […].

Auch die Prognose, dass das Internet die politische Informiertheit der Bevölkerung enorm steigern würde, hat sich bislang nicht bewahrheitet. […] Andreas Jungherr […] erklärt: »Es war schon immer schwierig, zwischen öffentlichen Auftritten politischer Akteure im Wahlkampf und deren tatsächlicher Wirkung auf das Wählerverhalten zu unterscheiden. Wenn datenbasierte Strategien in Kampagnen integriert werden, wird dies fast unmöglich.« Die öffentlichen Debatten über Cambridge Analytica und über den Missbrauch von Facebook-Daten […] zeigen deutlich, so der Politologe, dass das öffentliche Vertrauen in die freie, demokratische Wahl und das demokratische System generell auf dem Spiel stehen.