Kurz notiert: Rezension zu »Digitale Transformation« (5)

9. Mai 2023

In der Zeitschrift Medien & Kommunikationswissenschaft 71 (1/2023) bespricht Gerhard Vowe mein Buch »Digitale Transformation« wie folgt:

»Dieses Lehrbuch des Techniksoziologen Jan-Fe­lix Schrape ist hochwillkommen. Denn es hat Stärken und es hat Schwächen, aus denen sich zu lernen lohnt. Die erste Stärke ist die bemerkenswerte Sorg­falt. Sie zeigt sich in der akribischen Gestaltung und vor allem im didaktischen Bemühen, die Komplexität des Themenfelds zu reduzieren […]. Die zweite Stärke ist der weit gefasste Ansatz. Schrape geht von einer ›Koevolution‹ von Tech­nik und Gesellschaft aus […]. Insgesamt aber sind seine Beobachtungen auch deshalb hilfreich, weil er ›sozialwissen­schaftlich‹ nicht eng fasst und mit ›soziolo­gisch‹ gleichsetzt, sondern auch kommunikati­ons- und politikwissenschaftliche Studien heran­zieht. […] Die dritte Stärke ist sein distanzierter Blick. Schrape verzichtet auf eine normative Positionie­rung und fragt nicht, was Öffentlichkeit soll, was also ›demokratietheoretisch‹ geboten wäre. Er arbeitet vielmehr die Ambivalenzen der Verände­rungen heraus […].

Bisweilen vermisst der Leser mögliche und not­wendige Differenzierungen. In seiner Argumenta­tion strebt Schrape ein hohes Abstraktionsniveau an […]. Schrape konzentriert sich auf den Makroaspekt des gesamtgesellschaftlichen Wan­dels und auf den Mesoaspekt des organisationa­len Wandels. An den Rand rückt dadurch der Mikroaspekt individuellen Wandels. Die individu­ellen Differenzen in den Motiven, vor allem in den Kosten-Nutzen-Kalkülen, in den Kognitio­nen, vor allem in den Perzeptionen von Technik, in den Emotionen und in den Handlungsprak­tiken und Interaktionen – alle diese Unterschei­dungen bleiben außerhalb des Gesichtsfelds […].«


Digitalisierung, KI: Interessenkonjunkturen

20. April 2023

Mit Google Trends lässt sich das Suchinteresse der Nutzer:innen auf der hauseigenen Suchplattform weit zurückverfolgen. Für Google Deutschland lassen sich dabei mit Blick auf einige debattenprägende Begriffe im Digitalisierungsdiskurs interessante Interessen- und Themenkonjunkturen herausarbeiten.

Während das Suchinteresse an dem Begriff »Web 2.0« bereits ab 2009 merklich abgenommen hat sich und der Begriff »Big Data« ungefähr ab 2012 auf mittlerem Level bewegt, ist der sehr breite Dachbegriff »Digitalisierung« erst ab 2015 so richtig in den Fokus des öffentlichen Interesses getreten. Seit Ende 2022 tritt der Begriff »Künstliche Intelligenz« zunehmend in den Vordergrund (was angesichts des ubiquitären Hypes um Anwendungen wie ChatGPT kaum überrascht).

Was sich aus solchen Interessenkonjunkturen aus innovationssoziologischer Sicht lernen lässt, zeigt unter anderem Hartmut Hirsch-Kreinsen in seinem aktuellen Buch »Das Versprechen der Künstlichen Intelligenz: Gesellschaftliche Dynamik einer Schlüsseltechnologie« (2023) auf (siehe auch mein Buch »Digitale Transformation«).


Platform Companies on the Internet as a New Organizational Form. A Sociological Perspective

16. März 2023

Der von Ulrich Dolata und mir verfasste Artikel »Platform Companies on the Internet as a New Organizational Form. A Sociological Perspective« ist nun in Innovation: The European Journal of Social Science Research erschienen. Abstract:

Today’s internet is shaped by privately operated platforms that not only organize economic processes but also coordinate and regulate broader societal contexts. Against this background, this conceptual paper develops a sociological notion of platform companies and the platforms they operate as a new type of enterprise that consists not only of economic features (business and revenue models, exploitation patterns, market relations) but also of action-orienting rules, institutional infrastructures and social relations between a great variety of individual, corporate and collective actors that clearly reach beyond economic contexts and far into society. To this end, we specify the often fuzzy talk of ‘the platforms’ by drawing an analytical distinction between (1) the platform-operating companies as organizing cores whose goal is to operate a profitable business; (2) the platforms belonging to them as technically mediated market and social action spaces that provide the basis for not only economic but also genuine social activities on today’s internet; and (3) the institutionalized coordination, control and exploitation mechanisms implemented by the platform operators, linking these two constitutive levels of the platform architecture.


Splitter: Programm STS-hub.de 2023

10. März 2023

Nach zwei Jahren Vorbereitung ist es nun endlich soweit: Nächste Woche (15.–17. März 2023) findet der erste aus der Community heraus organisierte STS-hub.de in Aachen mit über 400 Teilnehmenden statt. Alle weiteren Informationen und das aktuelle Programm finden sich unter https://sts-hub.de.


Künstliche Intelligenz und Technikfolgenabschätzung

7. Februar 2023

»ChatGPT is at capacity right now.« Aus gegebenem Anlass ein kleiner Ausschnitt aus meinem Beitrag in dem insgesamt sehr instruktiven Band »Technikfolgenabschätzung: Handbuch für Wissenschaft und Praxis« (2021: 83–96):

Das Potenzial für eine öffentlich wirksame TA in der digitalisierten Gesellschaft bestimmt sich […] weniger in der dezidierten Vorhersage der künftigen Verläufe der Technikentwicklung und ihrer Folgen, sondern in der sozialwissenschaftlich fundierten Entzauberung von eingeschliffenen Beobachtungsmythen, in einer Dekonstruktion von übersteigerten Hoffnungen und Befürchtungen sowie in einer Erweiterung des gegenwärtigen Diskursraums um mögliche künftige Entwicklungslinien und bereits erkennbare soziotechnische Dynamiken, die in entsprechende Richtungen weisen.

[…] Einer dieser Trends ist – gemessen an den derzeit kursierenden Erwartungen – die zukünftige gesellschaftliche Zentralstellung selbstlernender informationstechnischer Systeme in der Datenauswertung sowie Steuerung von Robotern und Infrastruktursystemen als konsequente Weiterentwicklung der Informatisierung und Datafizierung (schwache KI) bzw. ferner die Entstehung einer algorithmischen ›Superintelligenz‹ (Bostrom 2018), die neben logischem Denkvermögen über eigenständige Lern- und Entscheidungsfähigkeiten verfügt und diese auch unter Unsicherheit zielgerichtet kombinieren kann (starke KI). Ähnlich wie schon im Falle der Diskurse um die frühe Informationsgesellschaft, das Internet, das Web 2.0 und Big Data reichen die heute formulierten positiven und negativen Visionen hierbei weit über technisch unmittelbar umsetzbare Szenarien hinaus und prägen nichtsdestotrotz gegenwärtige normative Diskurse um Informationstechnologien erheblich mit (Kehl/Coenen 2016).

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