Künstliche Intelligenz und Technikfolgenabschätzung

7. Februar 2023

»ChatGPT is at capacity right now.« Aus gegebenem Anlass ein kleiner Ausschnitt aus meinem Beitrag in dem insgesamt sehr instruktiven Band »Technikfolgenabschätzung: Handbuch für Wissenschaft und Praxis« (2021: 83–96):

Das Potenzial für eine öffentlich wirksame TA in der digitalisierten Gesellschaft bestimmt sich […] weniger in der dezidierten Vorhersage der künftigen Verläufe der Technikentwicklung und ihrer Folgen, sondern in der sozialwissenschaftlich fundierten Entzauberung von eingeschliffenen Beobachtungsmythen, in einer Dekonstruktion von übersteigerten Hoffnungen und Befürchtungen sowie in einer Erweiterung des gegenwärtigen Diskursraums um mögliche künftige Entwicklungslinien und bereits erkennbare soziotechnische Dynamiken, die in entsprechende Richtungen weisen.

[…] Einer dieser Trends ist – gemessen an den derzeit kursierenden Erwartungen – die zukünftige gesellschaftliche Zentralstellung selbstlernender informationstechnischer Systeme in der Datenauswertung sowie Steuerung von Robotern und Infrastruktursystemen als konsequente Weiterentwicklung der Informatisierung und Datafizierung (schwache KI) bzw. ferner die Entstehung einer algorithmischen ›Superintelligenz‹ (Bostrom 2018), die neben logischem Denkvermögen über eigenständige Lern- und Entscheidungsfähigkeiten verfügt und diese auch unter Unsicherheit zielgerichtet kombinieren kann (starke KI). Ähnlich wie schon im Falle der Diskurse um die frühe Informationsgesellschaft, das Internet, das Web 2.0 und Big Data reichen die heute formulierten positiven und negativen Visionen hierbei weit über technisch unmittelbar umsetzbare Szenarien hinaus und prägen nichtsdestotrotz gegenwärtige normative Diskurse um Informationstechnologien erheblich mit (Kehl/Coenen 2016).

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Querverweis: »Zur Vermessung des ›Digitalen‹«

8. Dezember 2022

In der Rezensions-Zeitschrift Soziologischen Revue 45(4) sind zwei Beiträge zu ›neuerer‹ Literatur aus dem Feld der soziologischen Forschung zur digitalen Transformation erschienen, die sich kostenfrei (Open Access) abrufen lassen:

Ingo Schulz-Schaeffer fasst die Erträge in seinem Editorial wie folgt zusammen:

»Wie Göttlich herausstellt, konstituiert sich die Erforschung von Phänomenen der Digitalisierung in der Soziologie (bislang) nicht als ein Forschungsfeld. Zwar beginnen sich, so Göttlich, Konturen einer Soziologie der Digitalisierung abzuzeichnen. Neben Ansätzen, die Digitalisierung als ein Totalphänomen thematisieren, das alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringt, zeichne sich die soziologische Forschung zur Digitalisierung jedoch wesentlich durch Arbeiten aus, die Fragen der digitalen Transformation bereichsspezifisch […] bearbeiten. Wesentlich für das Verständnis soziologischer Forschung zur Digitalisierung sei darüber hinaus der interdisziplinäre und internationale Rahmen, in den diese Forschungen eingebunden sind.

Mit neuer Forschung zu Fragen der digitalen Transformation befasst sich […] auch die Sammelbesprechung von Jan-Felix Schrape mit dem Titel ›Algorithmische Strukturen in der alltäglichen Lebenswelt‹. […] Schrapes Sammelbesprechung stellt insofern eine sehr schöne Ergänzung zu Göttlichs Gebietsrezension dar, weil sie den Blick auf einzelne konkrete empirische Forschungen lenkt. [Diese weise] darauf hin, ›wie wichtig es gerade mit Blick auf einen auch öffentlich vieldiskutierten Gegenstandsbereich bleibt, zuerst empirisch genauer hinzuschauen, bevor diese [die gesellschaftstheoretische, Anm. d. Verf.] Einordnung eingeleitet wird und Thesen zu einer ›nächsten‹ Gesellschaft formuliert werden‹.«


Kurz notiert: Rezension zu »Digitale Transformation« (4)

1. November 2022

In der Zeitschrift mediendiskurs 26/4/2022 wird der von mir verfasste Einführungsband »Digitale Transformation« (2021) wie folgt besprochen:

»Schrape gelingt es, die Aspekte der digitalen Transformation ausführlich zu strukturieren und zu diskutieren. Zahlreiche Beispiele veranschaulichen seine Ausführungen. Auch wenn seine Überlegungen auf die Entwicklungen in der westlichen Welt beschränkt bleiben, wie er selbst kritisch anmerkt, zeigt das Buch doch, von welchen Ambivalenzen die digitale Transformation gekennzeichnet ist. Damit bietet es genügend Argumente, um sowohl den Apologeten als auch den Apokalyptikern der Digitalisierung entgegenzutreten. In einer Empörungsgesellschaft sind Bücher wie dieses, das aktuelle Phänomene nüchtern beschreibt und analysiert, für Diskussionen in den verschiedenen Öffentlichkeitsarenen unverzichtbar.«


Querverweis: »Metaverse through the prism of power and addiction«

30. Oktober 2022

Der Belgrader Digitalisierungsforscher Ljubisa Bojic hat im European Journal of Futures Research einen ordnenden und mitunter auch spekulativen Artikel zu den Forschungsperspektiven zu Mark Zuckerbergs Vision eines aufkommenden ›Metaverse‹ veröffentlicht (»Metaverse through the prism of power and addiction«):

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Splitter: JIMplus 2022 – Fake News und Hatespeech im Alltag von Jugendlichen

12. Oktober 2022

Im Sommer ist die ergänzende JIMplus-Studie 2022 erschienen. In einer qualitativen (n=36) und quantitativen (n=1060) Untersuchung wurde zwischen April und Juni das Informationsverhalten von Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren in Deutschland sowie ihr Umgang mit Fake News und Hatespeech beobachtet. Drei Kernergebnisse:

  • Tagesaktuelle Nachrichten werden häufig zufällig wahrgenommen, vor allen Dingen über »Gespräche in der Peergroup, gefolgt von algorithmusgesteuerten Vorschlägen (wie z.B. YouTube, TikTok, Instagram) und dem klassischen Fernsehen«. Dabei werden primär Themen als relevant bewertet, die einen Einfluss auf die eigene Lebenswelt haben.
  • Der Wahrheitsgehalt einer Nachricht wird vor allen Dingen danach geprüft, ob andere Quellen auch darüber berichten; »Ignorieren ist die verbreitetste Handlungsstrategie«.
  • Die Mehrheit der Befragten hat schon Hatespeech wahrgenommen (oft »gegen Sexualität der Menschen allgemein«, »dem äußeren Erscheinungsbild einer Person«). Auch Hatespeech »wird im öffentlichen Kontext vor allem ignoriert«.