Stichwort: Augmented Reality

9. Juli 2023

Spätestens seit der Produktankündigung der Apple Vision Pro sind – von @zucks »Metaverse«-Ankündigungen einmal abgesehen – die Begriffe ›Mixed Reality‹ und ›Augmented Reality‹ im Zentrum des öffentlichen Diskurses angekommen.

Nach einer übergreifenden Begriffsfassung, die spezifischere Konkretisierungen umspannt, lässt sich ›Augmented Reality‹ als informationstechnische Erweiterung der individuellen Realitätswahrnehmung verstehen – und entlang dieser allgemeinen Definition lässt sich die Weltwahrnehmung in der digitalisierten Gesellschaft letztlich schon seit der Verbreitung und Etablierung von Smartphones, Wearables und anderen Mobile Devices als ›augmented‹ beschreiben. Ob es nun um die Verkehrsbedingungen, die Navigation, das Wetter, unsere Fitness, Shopping oder andere Alltagssituationen geht: In all diese Fällen werden unsere Wahrnehmung und unsere Entscheidungen (im Nutzungsfall) wesentlich durch digital vermittelte Echtzeitinformationen geprägt.

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Splitter: Sessions auf dem ÖGS-Kongress 2023: Krise und Kritik im Social Web

29. Juni 2023

Die Krisen unserer Zeit spiegeln sich in radikalisierter und polarisierter Form im Social Web wider. Nie zuvor waren politische Konflikte und diskursive Differenzen, soziale Ungleichheiten, divergente Wirklichkeitssichten, Dynamiken der Selbstvergewisserung und die Abgründe menschlichen Kommunikationsverhaltens sichtbarer als in den soziotechnisch strukturierten Sozialräumen, die digitale Social-Media- und Social-Networking-Plattformen im Internet aufspannen. 

Auf dem diesjährigen Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie (ÖGS) an der Wirtschaftsuniversität Wien (3.–5. Juli 2023) finden zu diesem Thema zwei gemeinsame Veranstaltungen der ÖGS-Sektion Technik- & Wissenschaftssoziologie und der DGS-Sektion Wissenschafts- & Technikforschung statt:

Alexander Bogner und ich freuen uns sehr darauf, entlang 8 spannender Beiträge aus Deutschland, Österreich und der Schweiz u.a. folgende Fragen zu diskutieren:

  • Inwiefern befördern die Strukturen des Social Webs eine Polarisierung und Radikalisierung der politischen Krisenkommunikation?
  • Wie wirken technische und soziale Strukturierungsleistungen in den dort beobachtbaren Dynamiken der Polarisierung und Radikalisierung ineinander?
  • Wie verändert sich die demokratische Erwägungskultur durch die kontinuierliche Sichtbarkeit von differierenden Weltbildern im Social Web? Gerät die Kritik als Resultat substanzieller Auseinandersetzung selbst in die Krise?
  • In welchem Verhältnis stehen die Sichtbarkeit polarisierter Kritik und Skepsis im Social Web und das Entstehen neuer radikaler Protestformen?
  • Kann die Gesellschaft unter diesen Prämissen überhaupt noch eine als gemeinsam markierte Bezugsgrundlage zur Legitimation politischer Entscheidungen herstellen?

Digital News Report 2023

14. Juni 2023

Der (in dieser Form seit 2012 erhobene) Reuters Institute Digital News Report 2023 ist erschienen und bietet wie in den Jahren zuvor einen Überblick zu der weltweiten Rezeption von Nachrichtenangeboten und zu der Nutzung unterschiedlicher Medienkanäle in der individuellen Versorgung mit tagesaktuellen Informationen. In Deutschland fand die Erhebung zwischen dem 10. Januar und dem 31. Januar 2023 statt; die Stichprobe ist für Internetnutzende ab 18 Jahren repräsentativ. Hier die wichtigsten Links dazu:

Einige Kernergebnisse für die BRD:

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Kurz notiert: Rezension zu »Digitale Transformation« (5)

9. Mai 2023

In der Zeitschrift Medien & Kommunikationswissenschaft 71 (1/2023) bespricht Gerhard Vowe mein Buch »Digitale Transformation« wie folgt:

»Dieses Lehrbuch des Techniksoziologen Jan-Fe­lix Schrape ist hochwillkommen. Denn es hat Stärken und es hat Schwächen, aus denen sich zu lernen lohnt. Die erste Stärke ist die bemerkenswerte Sorg­falt. Sie zeigt sich in der akribischen Gestaltung und vor allem im didaktischen Bemühen, die Komplexität des Themenfelds zu reduzieren […]. Die zweite Stärke ist der weit gefasste Ansatz. Schrape geht von einer ›Koevolution‹ von Tech­nik und Gesellschaft aus […]. Insgesamt aber sind seine Beobachtungen auch deshalb hilfreich, weil er ›sozialwissen­schaftlich‹ nicht eng fasst und mit ›soziolo­gisch‹ gleichsetzt, sondern auch kommunikati­ons- und politikwissenschaftliche Studien heran­zieht. […] Die dritte Stärke ist sein distanzierter Blick. Schrape verzichtet auf eine normative Positionie­rung und fragt nicht, was Öffentlichkeit soll, was also ›demokratietheoretisch‹ geboten wäre. Er arbeitet vielmehr die Ambivalenzen der Verände­rungen heraus […].

Bisweilen vermisst der Leser mögliche und not­wendige Differenzierungen. In seiner Argumenta­tion strebt Schrape ein hohes Abstraktionsniveau an […]. Schrape konzentriert sich auf den Makroaspekt des gesamtgesellschaftlichen Wan­dels und auf den Mesoaspekt des organisationa­len Wandels. An den Rand rückt dadurch der Mikroaspekt individuellen Wandels. Die individu­ellen Differenzen in den Motiven, vor allem in den Kosten-Nutzen-Kalkülen, in den Kognitio­nen, vor allem in den Perzeptionen von Technik, in den Emotionen und in den Handlungsprak­tiken und Interaktionen – alle diese Unterschei­dungen bleiben außerhalb des Gesichtsfelds […].«


Querverweis: »Im Moment […] betreibt die Politik […] den Niedergang der deutschen Universitäten«

24. April 2023

Dirk Baecker hat in Soziopolis einen treffenden Kommentar zum aktuellen Protest gegen die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) verfasst. Darin arbeitet er in den letzten Abschnitten in aller Schärfe die Grundprobleme deutscher Universitäten heraus:

»Im Moment […] betreibt die Politik mehr unwillkürlich als willkürlich den Niedergang der deutschen Universitäten. Niemand wünscht sich ihren Verfall, aber alle schauen dabei zu. […] Man lässt die Verhältnisse entmutigend für sich selbst sprechen, statt eine Entscheidung darüber zu treffen, was man von und an der Universität erwartet und was nicht. […]

Es ist nicht nur das WissZeitVG, das unter falschem Namen segelt. Es ist vielmehr die ganze Universität, die so tut, als sei sie der Ort der Wissenschaft, obwohl ihre primäre Aufgabe […] die Lehre ist. […] Es sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an Universitäten beschäftigt werden, um eine Ausbildung gewährleisten zu können, die für viele berufliche Wege […] geeignet ist. Stattdessen jedoch wird umgekehrt der Eindruck erweckt, als seien Universitäten die geborenen Orte für das Betreiben von Wissenschaft und erst in zweiter Linie Orte, die mehr oder minder zufällig auch über die Zeit und andere für die Ausbildung von Studierenden nötige Ressourcen verfügen. […]

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Digitalisierung, KI: Interessenkonjunkturen

20. April 2023

Mit Google Trends lässt sich das Suchinteresse der Nutzer:innen auf der hauseigenen Suchplattform weit zurückverfolgen. Für Google Deutschland lassen sich dabei mit Blick auf einige debattenprägende Begriffe im Digitalisierungsdiskurs interessante Interessen- und Themenkonjunkturen herausarbeiten.

Während das Suchinteresse an dem Begriff »Web 2.0« bereits ab 2009 merklich abgenommen hat sich und der Begriff »Big Data« ungefähr ab 2012 auf mittlerem Level bewegt, ist der sehr breite Dachbegriff »Digitalisierung« erst ab 2015 so richtig in den Fokus des öffentlichen Interesses getreten. Seit Ende 2022 tritt der Begriff »Künstliche Intelligenz« zunehmend in den Vordergrund (was angesichts des ubiquitären Hypes um Anwendungen wie ChatGPT kaum überrascht).

Was sich aus solchen Interessenkonjunkturen aus innovationssoziologischer Sicht lernen lässt, zeigt unter anderem Hartmut Hirsch-Kreinsen in seinem aktuellen Buch »Das Versprechen der Künstlichen Intelligenz: Gesellschaftliche Dynamik einer Schlüsseltechnologie« (2023) auf (siehe auch mein Buch »Digitale Transformation«).


Platform Companies on the Internet as a New Organizational Form. A Sociological Perspective

16. März 2023

Der von Ulrich Dolata und mir verfasste Artikel »Platform Companies on the Internet as a New Organizational Form. A Sociological Perspective« ist nun in Innovation: The European Journal of Social Science Research erschienen. Abstract:

Today’s internet is shaped by privately operated platforms that not only organize economic processes but also coordinate and regulate broader societal contexts. Against this background, this conceptual paper develops a sociological notion of platform companies and the platforms they operate as a new type of enterprise that consists not only of economic features (business and revenue models, exploitation patterns, market relations) but also of action-orienting rules, institutional infrastructures and social relations between a great variety of individual, corporate and collective actors that clearly reach beyond economic contexts and far into society. To this end, we specify the often fuzzy talk of ‘the platforms’ by drawing an analytical distinction between (1) the platform-operating companies as organizing cores whose goal is to operate a profitable business; (2) the platforms belonging to them as technically mediated market and social action spaces that provide the basis for not only economic but also genuine social activities on today’s internet; and (3) the institutionalized coordination, control and exploitation mechanisms implemented by the platform operators, linking these two constitutive levels of the platform architecture.