Querverweis: Journalisten im Netz
8. April 2013Wikileaks ist heute seit längerer Zeit wieder einmal auf den Frontseiten vieler Online-Nachrichtendienste präsent – und zwar mit Plus D, einer strukturierten Volltextsuche zu 1.707.500 diplomatischen Dokumenten aus den Jahren 1973 bis 1976 (Ära Kissinger) und den ›Cablegate‹-Dokumenten (2003 bis 2010). Passend dazu hat der Journalist und Kommunikationswissenschaftler Max Ruppert vor einigen Tagen einen Artikel in Aus Politik und Zeitgeschichte (15–16/2013) veröffentlicht, der sich mit dem Verhältnis von professionellem Journalismus und anonymen Schwärmen im Netz beschäftigt und Phänomene wie Wikileaks oder GuttenPlag in einen breiteren Kontext einordnet:
»Anonyme Informanten und zugespielte Informationen mit verschleiertem Absender sind für den Journalismus nichts Neues. Der amerikanische Journalismusforscher Matt Carlson weist darauf hin, dass anonyme leaks […] in den USA schon seit dem ersten Präsident George Washington bekannt sind. Ab den 1970er Jahren wurde der Umgang mit anonymen Informanten für den investigativen Journalismus immer bedeutender. […]
Das Hauptproblem aus Sicht der Leser und Zuschauer ist, dass sie bei dieser Praxis nicht einschätzen können, ob der Gebrauch der Anonymität gerechtfertigt ist. Auch dass Quellen teilweise auf Anonymität bestehen, die mit öffentlichen Geldern bezahlt werden, ist problematisch, denn sie sind der Öffentlichkeit ja eigentlich Rechenschaft schuldig. […]
Das Zurückhalten der Quellenidentität im Journalismus berührt immer Fragen des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit, weil dadurch ein Teil der journalistischen Arbeit für die Öffentlichkeit unsichtbar wird. Journalisten bauen sozusagen eine black box um ihre Konstruktion von Wirklichkeit. Das Black-box-Prinzip gilt zwar auch für Seiten wie Wikileaks und Openleaks. Bei kollaborativen Plattformen wie Guttenplag, Vroniplag, Schavanplag […] ist die black box aber nur über die Identitäten der Aktivisten gestülpt, der Prozess des Vergleichs, der Dokumentation und der Diskussion ist transparent. […]
Wenn der Quellencheck im Zeitalter neuer digitaler Informationsströme schwieriger und komplizierter für Journalisten wird – wie kann eine Lösung aussehen, die das Vertrauen in den Journalismus aufrechterhält, vielleicht sogar verstärkt und trotzdem zu mehr gesellschaftlicher Transparenz führt? […] Zusätzlich zu den bereits erwähnten Methoden […] sollen die folgenden fünf Punkte […] mögliche Ansätze für einen Umgang des Journalismus mit Informanten und Informationen im digitalen Zeitalter zeigen:
Transparenter Gebrauch von anonymen Quellen: Es sollte ein Grund für die Nichtnennung der Quelle publiziert werden. […]
Möglichkeit der Offenlegung der Quelle: Anonymität sollte an bestimmte Bedingungen geknüpft werden, zum Beispiel daran, dass sie auch widerrufen (also die Quelle genannt) werden kann, falls es erforderlich ist.
Rollenbewusstsein: Journalisten sollten sich auf ihre Rolle als watchdogs besinnen, die ein wichtiges Rad im Getriebe der Demokratie sind. […]
Mehr Teamwork: Bei komplexen Problemen […] werden verschiedene Kenntnisse und Fähigkeiten gebraucht. […] Dies sollte sich auch in Redaktionsstrukturen stärker widerspiegeln. […]
Einmischen: Journalisten sollten viel mehr als bisher die öffentliche Debatte führen, anstatt die Diskussionen nur abzubilden.«