8. Oktober 2025
Schitt’s Creek (2015–2020) ist eine humorige und gleichzeitig höchst feinsinnige Serie, die in einigen Streaming-Milieus Kultstatus erreicht hat. Nun hat sich der Regensburger Medienwissenschaftler Herbert Schwaab auf Soziopolis ausführlich mit der Serie auseinandergesetzt und betont dabei das »Potenzial des Sitcom-Genres, Gemeinschaft abzubilden und zum Nachdenken über das Wesen von Solidarität und Gesellschaft anzuregen«:
»Schitt’s Creek ist eine klassische Sitcom, weil sie Menschen und ihren Alltag beobachtet, sich bisweilen geradezu analytisch auf das Verhalten von Menschen ausrichtet. Sie pendelt zwischen den Extremen einer künstlichen Performance und einer mal nüchternen, mal poetischen Beobachtung. […] Sie hat zudem das Potenzial der Sitcom im Besonderen und des Fernsehens im Allgemeinen realisiert, Bilder von Gemeinschaften zu konstruieren – ein Potenzial, das das Fernsehen immer noch besitzt, auch wenn es sich mittlerweile in die vielen Öffentlichkeiten von Nischensendern und Streamingdiensten ausdifferenziert hat […].
Dass eine Sitcom nicht nur eine Abbildung des banalen Alltags, sondern auch dessen Apotheose sein kann, zeigt sich in einer der letzten Szene aus der sechsten Staffel von Schitt’s Creek, in der David und Stevie auf einem Auto sitzen und über das drohende Ende von Davids Beziehung zu seinem Freund Patrick diskutieren. Wir sind nicht nur von Davids ungewohnten Tränen bewegt, sondern auch von den Geräuschen des Windes, die sich immer stärker in den Vordergrund drängen und sich wie eine zweite Schicht über den Dialog legen. So nah ist die vom Alltag faszinierte Sitcom der Wirklichkeit selten gekommen.«
7. Oktober 2025
Ende September ist die ARD-ZDF-Medienstudie 2025 erschienen, die aus der seit Mitte der 1960er-Jahre erhobenen Langzeitstudie Massenkommunikation und der seit 1997 erhobenen ARD/ZDF-Onlinestudie hervorgegangen ist. Sie basiert auf einer Zufallsstichprobe (70% Telefon-Stichprobe mit Dual-Frame und 30% Online-Stichprobe; N=2.512), ist repräsentativ für die deutschsprachige Wohnbevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland und wurde wischen dem 28. Januar und 13. April 2025 erhoben. Ausführliche Artikel zur Medienstudie finden sich in den Media Perspektiven.
Einige Kernergebnisse:
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8. September 2025
Der 42. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) steht vor der Tür (22.–26. September, Duisburg). Grund genug, um das Programm nach technik-, innovations- und mediensoziologisch ausgerichteten Panels und Beiträgen zu durchforsten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Dabei zeigt sich, dass sich die gegenwärtige deutschsprachige Soziologie mit einem überaus weiten Spektrum an soziotechnischen Transitionsdynamiken beschäftigt – und das wechselvolle Spannungsverhältnis von Technik und sozialem Wandel, das auf übergreifender Ebene erstmals auf dem Soziologentag 1986 thematisiert worden ist (Lutz 1987), inzwischen zu einem Kerngegenstand gesellschaftswissenschaftlicher Forschung avanciert ist:
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2. August 2025
Mit der raschen Verbreitung von ChatGPT und Co. ab Ende 2022 sind zahlreiche aufmerksamkeitsheischende Überschriften entstanden, die einen mehr oder minder schnellen ›Tod‹ der klassischen Google-Suche in Aussicht stellten, welche in den letzten Dekaden einen mehr als üblichen Einstieg in die Internetrecherche bot.
Diese Einschätzungen lassen sich aus heutiger Sicht als übertrieben markieren; nichtsdestoweniger aber verändert die zunehmende Alltagsintegration von KI-basierten Services zur situativen Komplexitätsreduktion zweifelsohne für viele Menschen die Art und Weise, wie Informationen rezipiert werden. Seit Frühjahr 2024 hat Google ferner in den USA und danach in weiteren Ländern (seit März 2025 auch in Deutschland) sogenannte »AI Overviews« eingeführt, die vor den eigentlichen Suchergebnissen zu finden sind.
Eine aktuelle Studie des Pew Research Centers hat nun anhand von 69.000 Suchanfragen von 900 Google-Nutzenden in den USA untersucht, wie sich durch diese Integration von KI-Angeboten in die Websuche das Klickverhalten verändert. Das Ergebnis ist eindeutig: Sofern eine KI-Zusammenfassung angezeigt wird (dies war in 18% der Fälle der Fall), halbierte sich die weitere Klickrate und nur noch 8% der Nutzenden klickten auf eines oder mehrere der verlinkten Suchergebnisse. Auch die in den KI-Zusammenfassungen angebotenen Links wurden nur von einer kleinen Minderheit weiterverfolgt. 26% der Nutzenden beendeten die Google-Sitzung nach der Anzeige der KI-Zusammenfassung umgehend.
Dieser Trend erscheint nicht nur für (professionelle) Anbieter von Inhalten problematisch, deren Websites dadurch an Reichweite verlieren könnten, sondern ebenso mit Blick auf das allgemeine Informationsverhalten – nicht nur, weil alle bislang existenten generativen KI-Systeme architekturbedingt immer wieder irreführende oder schlicht falsche Zusammenfassungen liefern, sondern auch, weil durch die Integration von »AI Overviews« in Google und andere Suchmaschinen nunmehr nicht mehr nur KI-Intensivnutzer:innen, sondern auch damit vollkommen unerfahrene Menschen mit deren Antworten konfrontiert werden.
14. Juli 2025
In diesen Tagen ist in der Reihe Reclams Universal-Bibliothek der Band »Technik und Gesellschaft. Eine kurze Einführung« (181 Seiten, 10 Abbildungen, 9,60 €) erschienen.
Das handliche Taschenbuch bietet in neun Kapiteln einen kompakten und leicht verständlichen Einstieg in zentrale Einsichten und Grundfragen der Techniksoziologie: In welcher Weise wird das moderne gesellschaftliche Zusammenleben durch Technik geprägt? Wie greifen technische und soziale Veränderungen ineinander? Auf welchen Prämissen baut die digitale Transformation auf? Welche neuen gesellschaftlichen Möglichkeitsräume und Machtverhältnisse entstehen mit ihr? Welche Potenziale und Risiken gehen mit der Entwicklung und Anwendung künstlicher Intelligenz einher? Und: Lässt sich Technikentwicklung regulieren oder sogar steuern?
Verlagsinformationen (mit Leseprobe) | Amazon (Print) | Amazon (E-Book)
17. Juni 2025
Der seit 2012 erhobene Reuters Institute Digital News Report 2025 ist erschienen. Er bietet einen umfassenden Überblick zur weltweiten Rezeption von Nachrichten und Nutzung aktueller Informationsquellen. In Deutschland fand die Erhebung zwischen dem 16. und 30. Januar 2025 statt; die Stichprobe ist für Onliner ab 18 Jahren repräsentativ. Hier die wichtigsten Links dazu:
Einige Kernergebnisse:
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20. Mai 2025
Nicht nur in Diskussionen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen von generativer künstlicher Intelligenz und autonomer Technik wird die Gegenwart der Zukunft offenkundig; gerade in Zeiten des Umbruchs rückt die Frage nach den Potenzialen und Risiken möglicher Zukünfte in den Mittelpunkt gesellschaftspolitischer wie sozialwissenschaftlicher Debatten.
Im Rahmen des Zukunftskongresses »Next Frontiers. Applied Fiction Days« (Universität Stuttgart) findet am Donnerstag, den 5. Juni 2025 ab 14 Uhr der öffentliche Workshop »Die Wissenschaft (von) der Zukunft – Erkundungen im Grenzgebiet des Möglichen« mit Beiträgen von Alexander Mäder (HDM Stuttgart), Eileen Mandir (Hochschule München), Christoph Sorg (HU Berlin) sowie Marco Sonnberger und Jan-Felix Schrape (beide Universität Stuttgart) statt. Darum geht es:
Über mögliche Zukünfte kann die Wissenschaft eigentlich nichts sagen, denn als Objekt möglicher Untersuchungen steht sie noch nicht zur Verfügung. Die Zukunft ist per definitionem offen, daher werden Entscheidungen in der Gegenwart immer unter Unsicherheit oder Nichtwissen bezüglich der zukünftigen Auswirkungen getroffen. Angesichts multipler Krisenlagen wird allerdings die Zukunft zum »Problem«, das bearbeitet werden muss. Zukunftsbezogene Planung, das systematische Entwerfen und Entwickeln von Zukünften gewinnt vor diesem Hintergrund wieder neue Bedeutung. Was bedeutet dies für die Wissenschaft als Praxis?
Immer schon gab es Verknüpfungen, die die Wissenschaft als Quelle für Szenarien, Modelle oder »Realutopien« heranzogen. Solche Kulturtechniken des »Futuring« finden sich in ganz verschiedenen Fächern und mit ganz verschiedenen Ausprägungen. Anders als in den Technikutopien vergangener Zeiten scheinen die heutigen Formen des kollektiven Futuring vor allem auf Partizipation abzustellen: Die Zukunft soll »unsere«, eine »von uns« gemachte sein. Während das Ausmalen von Untergangsszenarien nicht schwerfällt, bedürfen Realutopien, Business-Pläne und plausible Zukunftsszenarien der gemeinsamen Anstrengung. Wissenschaft und Gesellschaft müssen dazu irgendwie zusammenfinden.
Derartige plausible Szenarien einer positiven Zukunft sind gesellschaftlich nachgefragt: Dem kollektiven Pessimismus begegnet man am besten, indem man den Imaginationsmuskel gemeinsam übt. Welchen Beitrag können verschiedene Wissenschaften hier leisten? Welche Fächer haben – aus welchen Gründen – eine besondere Affinität zum Möglichkeitssinn? Ist so etwas wie eine start-up-Kultur in der Wissenschaft denkbar und sinnvoll? Wie ist das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft zu überbrücken, zu vermitteln, zu beleben?