BTW21-Wahlprogramme: Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft
22. September 2021Die Arbeitsbedingungen in der deutschen Wissenschaft waren diesen Sommer zumindest auf Twitter ein vieldiskutiertes Thema – unter dem Hashtag #IchbinHanna, der als eine Reaktion auf ein verunglücktes Erklärvideo des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entstanden ist.
Wie aber adressieren die großen Parteien in ihren Programmen für die Bundestagswahl eigentlich die prekären Arbeitsbedingungen in Forschung und Wissenschaft? Ein kleiner unkommentierter Überblick (wenn keine direkten Ausführungen dazu zu finden sind, werden ersatzweise themennahe Passagen aufgelistet):
SPD (»Das Zukunftsprogramm der SPD«)
»Gute Wissenschaft braucht gute Arbeitsbedingungen. Wir werden uns für verlässliche Karrierewege und weniger Befristungen in der Wissenschaft einsetzen. Wir wollen, dass Promovierende für ihre tatsächliche Arbeitszeit bezahlt werden, unabhängig vom Fach. Es muss gelten: 100 Prozent Gehalt für 100 Prozent Arbeit. Wir werden für eine deutlich bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen, neue, dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten unterhalb der Professur schaffen und den Tenure-Track ausweiten.«
CDU/CSU (»Das Programm für Stabilität und Erneuerung«)
Keine unmittelbaren Aussagen zu den Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Im Kapitel »Strategische Forschungs- und Innovationspolitik für Deutschland« finden sich folgende Zielsetzungen:
»Wir werden die Exzellenzstrategie fortführen und für erfolgreiche Cluster neue Möglichkeiten der dauerhaften institutionellen Förderung schaffen. […] Darüber hinaus wollen wir exzellente Universitäten weiter kraftvoll unterstützen.«
Im Kapitel »Die besten Köpfe für unser Land« finden sich folgende Passagen:
»Internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wollen wir insbesondere nach der Promotion bessere Karriere- und Bleibeperspektiven in Deutschland bieten. Dazu müssen wir auch den Mut haben, bestehende Strukturen zu ändern und mehr Flexibilität zu ermöglichen als bisher. Herausragende Spitzenwissenschaftler und Innovationsträger wollen wir in unserem Land mit attraktiven Bedingungen halten.«
Im Kapitel »Vielfalt des deutschen Arbeitsmarktes sichern« findet sich – bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt – das Versprechen:
»Befristete Arbeitsverhältnisse sollen die Ausnahme sein. Wir lehnen die Ausweitung von Kettenbefristungen ab.«
BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN (»Deutschland. Alles ist drin«)
»Sichere Arbeitsbedingungen und gleiche Karrierechancen für alle sind die Voraussetzungen für eine lebendige und innovative Wissenschaftslandschaft, die auch für Wissenschaftler*innen aus dem Ausland attraktiv ist. Für Nachwuchswissenschaftler*innen gibt es vor allem an Hochschulen jedoch kaum planbare und sichere Berufswege. […] Wir wollen das Wissenschaftszeitvertragsgesetz weiterentwickeln und den Anteil der unbefristeten Mitarbeiter*innen-Stellen, insbesondere im Mittelbau, substanziell erhöhen. Daueraufgaben sollen auch mit Dauerstellen gesichert sein. Hierzu gehören unbefristete Berufswege neben der Professur, um Hierarchien abzubauen und die kooperativen Arbeitsweisen in der Wissenschaft zu stärken. Die Qualifizierung im Rahmen der Sachgrundbefristung wollen wir klar definieren und die familienpolitische Komponente verbindlich ausgestalten. Die Tarifsperre soll entfallen. Das Tenure-Track-Programm wollen wir weiterentwickeln, damit frühzeitig nach der Promotion sichere Berufswege entstehen.«
FDP (»Nie gab es mehr zu tun«)
Keine detaillierten Aussagen zu den Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Unter der Überschrift »Qualitätsoffensive für die Hochschullehre« lässt sich lesen:
»Wir Freie Demokraten fordern eine Qualitätsoffensive für die Hochschullehre. Mittelzuweisungen des Bundes sollen künftig auch auf Basis qualitätsorientierter Kriterien erfolgen.«
Unter dem Titel »Diversität in der Wissenschaft« finden sich folgende Statements:
»Wir möchten bessere Rahmenbedingungen an Hochschulen für Wissenschaftskarrieren schaffen. Dabei ist uns auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein zentrales Anliegen – zum Beispiel durch eine bessere Kinderbetreuung an Hochschulen und die Möglichkeit für Väter und Mütter, ihre Lehrverpflichtungen beziehungsweise Forschungszeiten selbstbestimmter festzulegen.«
DIE LINKE (»Zeit zu handeln«)
»Daueraufgaben müssen auf Dauerstellen bearbeitet werden. Prekäre Arbeit, Lehre zu Dumpingvergütung und die Ausbeutung von Lehrbeauftragten und nichtwissenschaftlichen Beschäftigte lehnen wir ab. Die Honorare für Lehraufträge wollen wir erhöhen, sie müssen auch die Vor- und Nachbereitung abdecken. Zentrale Lehraufgaben müssen auf festen, unbefristeten Stellen geleistet werden. […] Das Sonderbefristungsrecht für wissenschaftliches Personal wollen wir abschaffen: Unbefristete Arbeitsverhältnisse müssen die Norm werden. […] Qualifikationsstellen von Doktorand*innen müssen mit 100 Prozent vergütet werden.«
AfD (»Deutschland. Aber normal«)
Keine Aussagen zu Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Am Ende des Kapitels »Bildung, Wissenschaft und Forschung« stehen folgende Aussagen:
»Deutschland muss wieder ein Land der Spitzenforschung werden. Wir wollen eine höhere Grundfinanzierung der Hochschulen einführen, um deren Abhängigkeit von Drittmitteln zu verringern. […] Alle Fördermittel für die auf der Gender-Ideologie beruhende Lehre und Forschung sind zu streichen. Politisch korrekte Sprachvorgaben zur Durchsetzung der Gender-Ideologie lehnen wir ab. Gleichstellungsbeauftragte sind abzuschaffen.«