KZfSS Sonderheft: Internet, Big Data und digitale Plattformen: Politische Ökonomie – Kommunikation – Regulierung

31. Mai 2022

Update (22.6.22): Das gesamte Heft ist online erschienen (Springlink).

Inzwischen sind fast alle Beiträge des 62. Sonderhefts der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS) ›online first‹ in Open-Access-Form erschienen. Die Beiträge des Sonderhefts mit Titel »Internet, Big Data und digitale Plattformen: Politische Ökonomie – Kommunikation – Regulierung« (hg. v. U. Dolata & J.-F. Schrape) befassen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln – empirisch, theoretisch und historisch rekonstruierend – mit den organisationalen, sozioökonomischen und regulativen Eigenheiten des plattformbasierten Internets, analysieren dessen Auswirkungen auf die politische Kommunikation und Öffentlichkeit, untersuchen die Lebenszyklen und Ausprägungen von vorderhand offen strukturierten Online-Gemeinschaften und diskutieren zentrale methodologische Herausforderungen für die empirische Sozialforschung, die mit dem rasant anwachsenden Bestand an (oft in privatwirtschaftlichen Zusammenhängen generierten) digitalen Daten verbunden sind (vgl. Einführung in das Heft).

Themenfeld 1: Politische Ökonomie und Organisation

Ulrich Dolata & Jan-Felix Schrape: Plattform-Architekturen. Strukturation und Koordination von Plattformunternehmen im Internet

Oliver Nachtwey & Simon Schaupp: Ungleicher Gabentausch – User-Interaktionen und Wertschöpfung auf digitalen Plattformen

Jörg Sydow & Carolin Auschra: Netzwerke, Plattformen und Ökosysteme: Organisationstheoretische Klärungen

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Plattform-Architekturen: Strukturation und Koordination von Plattformunternehmen im Internet

27. April 2022

Als Vorbote zum 62. Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS) mit dem Titel »Internet, Big Data und digitale Plattformen: Politische Ökonomie – Kommunikation – Regulierung« (hg. v. U. Dolata & J.-F. Schrape) ist heute neben der Einführung in das Heft schon einmal unser Artikel »Plattform-Architekturen. Strukturation und Koordination von Plattformunternehmen im Internet« erschienen. Das Abstract liest sich wie folgt:

Das heutige Internet wird durch privatwirtschaftlich betriebene Plattformen der unterschiedlichsten Art geprägt. Dieser Beitrag fragt danach, wie sich die kommerziellen Kommunikations‑, Markt‑, Konsum- und Serviceplattformen als distinkte Unternehmensform fassen lassen. Dazu wird eine basale Unterscheidung zwischen (1) den plattformbetreibenden Unternehmen als organisierenden und strukturierenden Kernen und (2) den ihnen gehörenden Plattformen als mehr oder minder ausgreifenden sozialen Handlungsräumen vorgenommen. Während sich Plattformunternehmen als Organisationen im geradezu klassischen Sinne darstellen lassen, konstituieren die von ihnen betriebenen Internetplattformen soziotechnisch strukturierte Sozial‑, Markt‑, Konsum- oder Serviceräume, in denen soziale Akteure zwar auf der Grundlage detailliert ausgestalteter und technisch eingefasster Regeln, aber zugleich variantenreich und eigenwillig interagieren. Die für die Plattform-Architekturen charakteristischen Koordinations‑, Kontroll- und Verwertungsmechanismen zeichnen sich durch eine starke hierarchische Ausrichtung aus, in die Elemente der Kooptation und des orchestrierten Mitwirkens der Nutzer eingelagert sind. Die Plattformunternehmen haben in dieser hybriden Konstellation ein hohes Maß an strukturgebender, regelsetzender und kontrollierender Macht – und verfügen überdies über den exklusiven Zugriff auf das dort produzierte Rohmaterial an Daten. Diese Macht äußert sich auch, aber längst nicht ausschließlich als rigide Kontrolle, als direktiver Zwang oder einklagbare Rechenschaftspflicht, sondern entfaltet sich für die große Zahl regelkonformer Nutzer weitgehend geräuschlos unter der Oberfläche einer (vermeintlichen) Offenheit, die die Plattformen als Markt- und Sozialräume auch auszeichnet.


Skript: Kurze Einführung in den operativen Konstruktivismus

31. März 2022

Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme irritiert seit Generationen Studierende aller sozialwissenschaftlichen Fachbereiche und ruft im soziologischen Alltagsgeschäft unter Forschenden abweichender Provenienz regelmäßig eingespielte Abwehrreaktionen hervor, die sich vor allem anderen auf die theoriefundamentale Entscheidung beziehen, »den Menschen als Teil der Umwelt der Gesellschaft« anzusehen (Luhmann 1984: 228f.). Dieses Skript will sich nicht an den damit verknüpften innerdisziplinären Debatten beteiligen, die durch zahlreiche Vermittlungsversuche zwischen handlungs- und systemtheoretischen Perspektiven und mehr oder minder belastbare Weiterentwicklungen durch Schülerinnen und Schüler Luhmanns bzw. neuerliche Vertreter seiner Gesellschaftstheorie geprägt sind.

Vielmehr geht es an dieser Stelle darum, mit dem operativen Konstruktivismus in eine grundlegende Denkfigur der Theorie sozialer Systeme einzuführen, die Luhmanns Soziologie im Kern als ein Theorie gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion ausweist und vielfältige Erklärungspotenziale für die Analyse der digitalisierten Gesellschaft bereithält. Denn: Ein zentraler Bezugspunkt Luhmanns bestand in der Kontingenz aller Erkenntnis und der Pluralität divergent ausgerichteter Wirklichkeitssichten in einer polykontexturalen Weltgesellschaft, die von Ungleichheit und Ungleichzeitigkeit geprägt ist. Und an dieser Diagnose hat sich im Zeitalter von Social Media, Big Data und algorithmischer Selektion nichts geändert – im Gegenteil. 

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Kurz notiert: Plattformzentrierte Arbeitskoordination im kommerziellen und kooperativen Fahrradkurierwesen

28. Februar 2022

In dem derzeit kostenfrei abrufbaren Aufsatz »Plattformzentrierte Arbeitskoordination im kommerziellen und kooperativen Fahrradkurierwesen« (Arbeit 30, Heft 4) vergleichen wir den Einsatz digitaler Plattformen in kommerziellen und kooperativen Arbeitszusammenhängen. Auf der Basis zweier Fallstudien zu dem automatisierten Arbeitsmanagement in der kommerziellen Gig Economy und der kollektiven Nutzung informationstechnischer Plattformen in kooperativen Projekten diskutieren wir das veränderte Zusammenspiel von technischen und sozialen Strukturierungsleistungen in der Koordination von Arbeit. Der Artikel kommt zu folgendem Schluss:

Wie sich die Plattformisierung von Arbeitszusammenhängen ausspielt und welche der ermöglichenden, strukturierenden und kontrollierenden Eigenheiten informationstechnischer Plattformen fallweise hervortreten, hängt […] vor allem anderen von den konkreten Implementationsweisen und den in den jeweiligen Arbeitszusammenhängen gegebenen sozioökonomischen Grundkonstellationen ab. Eine offen gehaltene informationstechnische Infrastruktur, die von ihren Nutzer*innen angepasst werden kann, mehrere komplementäre Kommunikationskanäle anbietet und in horizontal angelegte Arbeitszusammenhänge eingebettet ist, eröffnet vielfältige Möglichkeiten zur Mitbestimmung und Mitgestaltung. Geschlossene und proprietär betriebene Koordinationsplattformen, wie sie sich in […] der Gig Economy finden lassen, folgen hingegen rein ökonomischen Orientierungen und können den Austausch unter den Arbeitnehmenden effektiv behindern, deren Atomisierung befördern und in einem weitreichenden Kontrollregime resultieren.

Gleichzeitig zeigt sich […], dass technisch eröffnete Möglichkeitsräume der Automatisierung, Standardisierung und Kontrolle mit zunehmender sozioökonomischer Lebensdauer regelmäßig Objekt arbeitspolitischer Aushandlungsprozesse und öffentlicher Debatten werden, auf die Plattformunternehmen in der Ausgestaltung der soziotechnischen Regulationsmuster ihrer Plattformen und der anliegenden Arbeitsbedingungen in der einen oder anderen Form reagieren müssen, um ihr Geschäft einträglich zu halten.


CfP: Polarisierte Zukünfte?

11. Februar 2022

Auf dem 41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (Bielefeld, 26.–30.9.2022) richten die Sektionen Medien- und Kommunikationssoziologie sowie Wissenschafts- und Technikforschung gemeinsam eine Veranstaltung mit dem Titel »Polarisierte Zukünfte? Zur Konstruktion, Kommunikation und Konstitution polarisierter und polarisierender Zukunftserwartungen« aus. Aus dem Call for Papers (PDF), der bis zum 14. April 2022 offen ist:

In der öffentlichkeitsorientierten Kommunikation denkbarer zukünftiger Entwicklungslinien […] bietet die Komplexität und Vieldeutigkeit sozialer Erwartungen oftmals auch die Folie für unterschiedliche Polarisierungen […]. Ebenso typisch, aber in sich vielschichtiger, sind binäre Ordnungen des Zukünftigen mit unterschiedlichen normativen Prämissen – so etwa Utopien versus Dystopien, Erlösungs- versus Verdammnisvorstellungen oder Hoffnungen und Potenziale, die Befürchtungen und Risiken entgegengestellt werden. […] Stets aber erweitern all diese Ausprägungen von Zukunftsentwürfen die jeweils adressierten Diskursräume – ausgerichtet an höchst verschiedenartigen Interessen. Sie überziehen die Gesellschaft gleichsam mit Kontingenz und zeichnen sich durch einen auffordernden Charakter aus, der je nach Geltungsanspruch zum Neudenken, Handeln oder Entscheiden aufruft.

[…] Diese gemeinsame Sektionsveranstaltung adressiert einen Forschungshorizont, zu welchem inzwischen ein sehr weites Spektrum an empirischen und theoretisch-konzeptionellen Forschungsarbeiten vorliegt. Wir wollen durch die dargelegte Fokussierung insbesondere drei Schlüsselbereiche in diesem Forschungszusammenhang zu einem intensiven Austausch einladen: (1) Fiktionale Zukunftsentwürfe (z.B. Film, Serien, Games, Clipkulturen), (2) wissenschaftliche Zukunftsentwürfe (z.B. Prototypen, Prognosen, Beratung) sowie (3) algorithmenbasierte Zukunftsentwürfe (z.B. Wirtschaft, Technik, Journalismus).

Leitend sind dabei zwei Fragen: Welche verschiedenen Typen und Formen der Polarisierung von Zukunft charakterisieren die Diskurse? Und: Wie werden die polarisierten Zukunftserwartungen medial konstruiert, authentifiziert und kommuniziert?