#FreeFortnite: Aushandlungsprozesse in der Plattformökonomie

17. August 2020

Auf digitalen Märkten kristallisieren sich aufgrund von Netzwerkeffekten, der Knappheit kollektiven Vertrauens und der Komplexität ihrer Entwicklung auf Dauer häufig nur sehr wenige erfolgreiche intermediäre Plattformen heraus. Deren Betreiberunternehmen nehmen eine Gatekeeping-Position ein, da sie ähnlich wie mittelalterliche Städte als Veranstalter der damaligen Wochenmärkte festlegen, wer auf ihren Marktplätzen auftreten darf, welche Produkte dort zu welchen Qualitäten und Preisen angeboten werden können und welche Regelüberschreitungen zum (vorübergehenden) Ausschluss führen.

Ein prototypisches Beispiel für diese Definitionsmacht liefern die App Stores für Mobile Devices – also im Wesentlichen der Apple App Store und Google Play, welche ab 2008 gelauncht wurden, um einen Mehrwert für die entsprechenden Endgeräte und Ökosysteme zu schaffen. Inzwischen ermöglicht alleine der Apple App Store mit 200 Millionen Apps in 175 Ländern Umsätze von über 500 Mrd. US-Dollar (2019) und macht einen wesentlichen Teil der Service-Sparte aus, die neben Hardware der zweitgrößte Umsatzbringer für Apple ist – u.a., da das Unternehmen 30 Prozent jedes In-App-Kaufs als Transaktionsgebühr einbehält. Apple argumentiert seit Jahren, dass der Betrieb der Plattform teuer ist und diese Gebühren rechtfertigt; ebenfalls seit Jahren steht dieser ›Zoll‹ (sowie einige undurchsichtige Ausnahmen für große Anbieter wie Amazon) entwicklerseitig in der Kritik.

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Querverweis: »Visualizing platformization and its governance« (Van Dijck 2020)

16. Juli 2020

José van Dijck hat in New Media & Society den Artikel »Seeing the forest for the trees: Visualizing platformization and its governance« (Open Access) veröffentlicht, der die Plattformisierung der Internetökonomie und -öffentlichkeit entlang der Metapher eines Baumes analysiert. Der Text beschreibt soziotechnische Ökosysteme als hierarchische und ineinander verschränkte Strukturen, um auf diese Weise die Aufmerksamkeit auf die Dynamiken der sozioökonomischen Einflusskonzentration zu lenken und Optionen zur Regulierung der alltagspraktischen Machtasymmetrien zwischen Bürgerinnen bzw. Bürgern und Plattformanbietern zu erörtern. Van Dijck kommt dabei zu folgendem Schluss:

»By allowing a handful of tech companies to define the principles of a market-driven ecosystem, they are afforded all rule-setting and governing power over the world’s information ecosystems. Focusing on single firms, markets, or individual platforms will not lead to profound, systemic changes. We need to see the forest for the trees in order to understand how to effectively govern their connective structures hidden in layers of code. The tree, although merely a metaphor, expresses the urgency to diversify the platform ecosystem in order to keep it sustainable. Without diversity, we can’t grow a rich, nutritious forest; without a variety of actors with distinct and respected societal roles, we cannot control its unbridled growth; and without a set of principles, we cannot govern its dynamics


Splitter: Digital News Report 2020

18. Juni 2020

Der Reuters Institute Digital News Report 2020 ist erschienen und bietet wie in den Jahren zuvor einen Überblick zur weltweiten Rezeption von Nachrichtenangeboten und Nutzung der unterschiedlichen Medienkanäle in der individuellen Versorgung mit tagesaktuellen Informationen. Erhoben worden sind die Daten größtenteils Anfang des Jahres – also noch bevor COVID-19 ein weltweites Thema wurde; allerdings wurden einige ergänzende Aktualisierungen vorgenommen. Hier die wichtigsten Links dazu:


Max Weber über Rationalisierung, elektrische Trambahnwagen und den hydraulischen Lift

14. Juni 2020

Heute vor genau 100 Jahren ist Max Weber – Meister der verstehenden Soziologie – mit 56 Jahren an einer Lungenentzündung infolge der Spanische-Grippe-Pandemie gestorben, die zwischen 1918 und 1920 zwischen 20 und 50 Millionen Menschenleben forderte (darunter z.B. auch der 1885 aus der Pfalz nach New York ausgewanderte Frederick Trump) und der modernen Gesellschaft ihre Grenzen aufzeigte.

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Renate Mayntz über wissenschaftliches Schreiben

26. Mai 2020

Auf Soziopolis findet sich ein sehr gelungenes Interview mit Renate Mayntz, die nunmehr auf fast 70 Jahre soziologische Forschung zurückblicken kann. In diesem Interview geht es um den oft überaus langwierigen Prozess des wissenschaftlichen Schreibens sowie grundsätzliche Problemstellungen der sozialwissenschaftlichen Beobachtung und Analyse. Nachfolgend einige Einsichten von Renate Mayntz …

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Kurz notiert: Luhmann@Risiko

3. Mai 2020

In einem Interview aus dem Jahr 1989 (im Video ab ca. Min. 35.44) äußerte sich Niklas Luhmann wie folgt zu (politischen) Entscheidungen in Risikosituationen:

»In welches Funktionssystem man immer schaut, die Probleme des Risikos nehmen eine andere Färbung an – aber letztlich geht alle darauf zurück, dass wir sehr viel mehr entscheiden, sehr viel mehr bewirken und damit eine sehr viel unsicherere Zukunft erzeugen können.

Ich stelle mir vor, dass in der momentanen Situation doch die Frage immer wieder auf die Politik zuläuft und dass wir den liberalen Verfassungsstaat ebenso wie den sozialen Wohlfahrtsstaat unter ganz neue politische Anforderungen stellen, wenn wir sagen: Ihr müsst zwischen notwendigen Risiken und Betroffenheiten balancieren und sozusagen das Risiko einer politischen Entscheidung übernehmen, dem einen weh zu tun oder dem anderen – aber nicht gleichsam das Volkswohl insgesamt anzuheben und allen etwas Gutes zu tun.

Das ist eine andere Situation als die Freiheitskonzepte des liberalen Verfassungsstaates, die davon immer ausgingen, dass man frei handeln könne ohne anderen zu schaden – diesen Fall gibt es nicht, die ganze Prämisse des liberalen Verfassungsstaates ist weg, das gibt es unter Risikoaspekten nicht: Immer schadet möglicherweise ein Verhalten anderen. Und auch der Wohlfahrtsstaat, in dem es einfach immer nur um die Verteilung von guten Dingen ging, ist irreal angesichts der Risikosituation. Das heißt nicht, dass diese Einrichtungen abgeschafft werden könnten, aber es kommen neue Probleme auf die Politik zu und es ist ein Test für Demokratie in gewisser Weise, ob wir das schaffen.«

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Corona-Krise und Soziologie (7)

27. April 2020

Jutta Allmendinger legt der Politik nahe, ihre Entscheidungen nicht nur auf virologische Expertise zu gründen, sondern auch sozialwissenschaftliche Bewertungen einzubeziehen (23.4.2020, hr_info). Jenseits bereits unmittelbar beobachtbarer Rückwirkungen (z.B. auf den Arbeitsmarkt; vgl. eine Studie der Hans Böckler Stiftung) steht die Soziologie dabei allerdings vor dem Problem, dass sich die gesellschaftlichen Folgen und Konsequenzen der Krise heute noch gar nicht absehen lassen, da diese erst das Resultat vielschichtiger interagierender politischer, sozialer bzw. ökonomischer Entwicklungsprozesse auf regionaler und globaler Ebene im Verbund mit weiteren nicht vorhersagbaren Dynamiken sein werden.

Dass die Zukunft grundsätzlich ungewiss bleibt und gegenwärtige Entscheidungen stets unter den Bedingungen dieser Ungewissheit getroffen werden (müssen), ist dabei ein gesellschaftswissenschaftlicher Gemeinplatz. Die gefühlte Intransparenz und Unplanbarkeit des Künftigen erreicht in der individuellen Lebensführung wie auch in der sozialwissenschaftlichen Beobachtung derzeit nichtsdestominder ein neues Plateau – und so bleiben soziologischen Kommentatorinnen und Kommentatoren letztlich einzig die Modi des Hoffens und der Befürchtens bzw. Aussagen des Vielleichts und des Ungefähren. Das zeigt sich auch in den hier dokumentierten Stimmen der Woche:

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