19. Oktober 2025
Der erste Lack ist ab; die allgemeine Begeisterung um ChatGPT und Co. ist spürbar abgekühlt. Damit reiht sich generative KI in das Wechselspiel von Hype und Ernüchterung um neue Technologien ein, das in der Techniksoziologie als ein wiederkehrendes Phänomen soziotechnischer Entwicklung identifiziert worden ist.
Spätestens seit dem Sommer 2025 hat sich die Stimmung um generative artificial intelligence gedreht – und inzwischen werden im öffentlichen Diskurs beinahe täglich Kommentare aufgegriffen, die vor einer »KI-Blase« an den globalen Finanzmärkten oder vor der Überbewertung der sozioökonomischen Relevanz von KI insgesamt warnen. Ein zuletzt ob ihrer Eindeutigkeit vielreflektiertes Beispiel sind die Einschätzungen des Analysten Julien Garran, hier in einem Gespräch mit CNN:
»[…] if you use large language model AI to create an application or a service, it can never be commercial. One of the reasons is the way they were built. The original large language model AI was built using vectors to try and understand the statistical likelihood that words follow each other in the sentence. And while they’re very clever, and it’s a very good bit of engineering required to do it, they’re also very limited. The second thing is the way LLMs were applied to coding. What they’ve learned from — the coding that’s out there, both in and outside the public domain — means that they’re effectively showing you rote learned pieces of code. That’s, again, going to be limited if you want to start developing new applications. And the third set of problems, in terms of how it’s built, is around the idea of scaling. There’s a real problem at a certain point in terms of how much you have to spend to improve them. I’d say it’s definite that (developers) have hit a scaling wall […].
[…] There are certain bullsh*t jobs out there — some parts of management, consultancy, jobs where people don’t check if you’re getting it right or don’t know if you’ve got it right. So you can argue that you can replace bullsht with bullsh*t, and, yes, OK, I’m prepared to accept that you probably can, but that doesn’t really make it more broadly useful. […] The AI ecosystem can’t really sustain itself. […] Consequently, to maintain the process, you need to have a continued funding, which is why it looks like a permanent funding tour. But despite all of this, there’s no obvious way that they actually turn this around to a profit. It’s hope over realistic expectation […].«
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8. September 2025
Der 42. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) steht vor der Tür (22.–26. September, Duisburg). Grund genug, um das Programm nach technik-, innovations- und mediensoziologisch ausgerichteten Panels und Beiträgen zu durchforsten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Dabei zeigt sich, dass sich die gegenwärtige deutschsprachige Soziologie mit einem überaus weiten Spektrum an soziotechnischen Transitionsdynamiken beschäftigt – und das wechselvolle Spannungsverhältnis von Technik und sozialem Wandel, das auf übergreifender Ebene erstmals auf dem Soziologentag 1986 thematisiert worden ist (Lutz 1987), inzwischen zu einem Kerngegenstand gesellschaftswissenschaftlicher Forschung avanciert ist:
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14. Juli 2025
In diesen Tagen ist in der Reihe Reclams Universal-Bibliothek der Band »Technik und Gesellschaft. Eine kurze Einführung« (181 Seiten, 10 Abbildungen, 9,60 €) erschienen.
Das handliche Taschenbuch bietet in neun Kapiteln einen kompakten und leicht verständlichen Einstieg in zentrale Einsichten und Grundfragen der Techniksoziologie: In welcher Weise wird das moderne gesellschaftliche Zusammenleben durch Technik geprägt? Wie greifen technische und soziale Veränderungen ineinander? Auf welchen Prämissen baut die digitale Transformation auf? Welche neuen gesellschaftlichen Möglichkeitsräume und Machtverhältnisse entstehen mit ihr? Welche Potenziale und Risiken gehen mit der Entwicklung und Anwendung künstlicher Intelligenz einher? Und: Lässt sich Technikentwicklung regulieren oder sogar steuern?
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17. Juni 2025
Der seit 2012 erhobene Reuters Institute Digital News Report 2025 ist erschienen. Er bietet einen umfassenden Überblick zur weltweiten Rezeption von Nachrichten und Nutzung aktueller Informationsquellen. In Deutschland fand die Erhebung zwischen dem 16. und 30. Januar 2025 statt; die Stichprobe ist für Onliner ab 18 Jahren repräsentativ. Hier die wichtigsten Links dazu:
Einige Kernergebnisse:
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20. Mai 2025
Nicht nur in Diskussionen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen von generativer künstlicher Intelligenz und autonomer Technik wird die Gegenwart der Zukunft offenkundig; gerade in Zeiten des Umbruchs rückt die Frage nach den Potenzialen und Risiken möglicher Zukünfte in den Mittelpunkt gesellschaftspolitischer wie sozialwissenschaftlicher Debatten.
Im Rahmen des Zukunftskongresses »Next Frontiers. Applied Fiction Days« (Universität Stuttgart) findet am Donnerstag, den 5. Juni 2025 ab 14 Uhr der öffentliche Workshop »Die Wissenschaft (von) der Zukunft – Erkundungen im Grenzgebiet des Möglichen« mit Beiträgen von Alexander Mäder (HDM Stuttgart), Eileen Mandir (Hochschule München), Christoph Sorg (HU Berlin) sowie Marco Sonnberger und Jan-Felix Schrape (beide Universität Stuttgart) statt. Darum geht es:
Über mögliche Zukünfte kann die Wissenschaft eigentlich nichts sagen, denn als Objekt möglicher Untersuchungen steht sie noch nicht zur Verfügung. Die Zukunft ist per definitionem offen, daher werden Entscheidungen in der Gegenwart immer unter Unsicherheit oder Nichtwissen bezüglich der zukünftigen Auswirkungen getroffen. Angesichts multipler Krisenlagen wird allerdings die Zukunft zum »Problem«, das bearbeitet werden muss. Zukunftsbezogene Planung, das systematische Entwerfen und Entwickeln von Zukünften gewinnt vor diesem Hintergrund wieder neue Bedeutung. Was bedeutet dies für die Wissenschaft als Praxis?
Immer schon gab es Verknüpfungen, die die Wissenschaft als Quelle für Szenarien, Modelle oder »Realutopien« heranzogen. Solche Kulturtechniken des »Futuring« finden sich in ganz verschiedenen Fächern und mit ganz verschiedenen Ausprägungen. Anders als in den Technikutopien vergangener Zeiten scheinen die heutigen Formen des kollektiven Futuring vor allem auf Partizipation abzustellen: Die Zukunft soll »unsere«, eine »von uns« gemachte sein. Während das Ausmalen von Untergangsszenarien nicht schwerfällt, bedürfen Realutopien, Business-Pläne und plausible Zukunftsszenarien der gemeinsamen Anstrengung. Wissenschaft und Gesellschaft müssen dazu irgendwie zusammenfinden.
Derartige plausible Szenarien einer positiven Zukunft sind gesellschaftlich nachgefragt: Dem kollektiven Pessimismus begegnet man am besten, indem man den Imaginationsmuskel gemeinsam übt. Welchen Beitrag können verschiedene Wissenschaften hier leisten? Welche Fächer haben – aus welchen Gründen – eine besondere Affinität zum Möglichkeitssinn? Ist so etwas wie eine start-up-Kultur in der Wissenschaft denkbar und sinnvoll? Wie ist das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft zu überbrücken, zu vermitteln, zu beleben?
9. Mai 2025
Das Handbook of Innovation: Perspectives from the Social Sciences (edited by Ingo Schulz-Schaeffer, Arnold Windeler und Birgit Blättel-Mink) ist nun im Erscheinen.
This handbook comprehensively discusses the complex field of innovation research, focusing on perspectives on innovation from the social sciences. It provides a broad scope by going beyond innovation concerning economic change and development, to other spheres of society. It classifies innovation research historically, conceptually, and in terms of its subject matter. It covers major classical as well as the more recent theoretical approaches and latest developments in this field of study. The handbook provides information on empirical findings and developments on various innovation-related issues […]. This is a key resource in innovation research across the social sciences compiled by well-known academics, with contributions from known names in the field.
Darin findet sich auch mein Beitrag »Distributed Innovation Processes: Collective Invention, User Innovation, and Open Innovation« (SpringerLink), der in einer erweiterten Version bereits 2024 als SOI Discussion Paper erschienen ist:
This chapter provides an overview of the concepts of collective invention, user innovation, and open innovation. All three notions represent variants of distributed innovation and can be linked to other ideas of socioeconomic decentralization. The following sections first elaborate on the conceptual differences between collective invention, user innovation, and open innovation. Second, exemplary case studies from the last few decades are presented before more recent varieties of distributed innovation in the development of information technologies are discussed. In this area in particular, it becomes clear that distributed innovation processes and internal research and development activities in organizations are less in competition with each other than in a complementary relationship.
31. März 2025
Auf dem 42. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 22. bis 26. September 2025 an der Universität Duisburg-Essen veranstalten Marc Mölders und ich eine Ad-Hoc-Gruppe mit dem Titel »Treiber der Transition?«:
Wer oder was treibt gesellschaftlichen Wandel an? Welche Akteure treten in soziokulturellen und institutionellen Transitionsdynamiken in den Vordergrund? In welchen Belangen prägen Einzelpersonen, kollektive Gruppen und sozioökonomische Prozesszusammenhänge mit ihren Problemperzeptionen und Zukunftsentwürfen die Rekonfiguration sozialer Ordnung? Diese zeitlosen Fragen gehören seit jeher zu den Kerninteressen soziologischer Theoriebildung […].
Im Horizont dieser Vielstimmigkeit möchte diese Ad-Hoc-Gruppe die Vorstellung von Treibern in Transitionsprozessen hinterfragen: Ergibt es angesichts der multiplen Krisen und Umbrüche unserer Gegenwart (z.B. Klima, Digitalisierung und KI, Polarisierung, Militarisierung) überhaupt noch Sinn, nach Treibern der Transition zu fragen? Inwieweit lassen sich auf den jeweiligen Feldern der Transition konkrete Trägergruppen und Akteure des Wandels identifizieren und konzeptionell erfassen?
Oder sprechen ihre Interpendenz, innere Komplexität und inhärente Unplanbarkeit gegen eine solche Fokussierung? Wird die Gesellschaft vielmehr durch exogene Veränderungen und Schocks getrieben? Gilt es insofern eher, die (unintendierten) Nebenfolgen der Transition sowie graduelle Veränderungen in den sozialen Gewohnheiten und Normen sowie die Entstehung von neuen oder abweichenden Praktiken empirisch in den Blick zu nehmen?
All diese Fragen sind von entscheidender Bedeutung für die soziologische Analyse von Transitionsprozessen und werden in sämtlichen Forschungsprojekten zu diesem Thema früher oder später virulent. Bis zum 18. April 2025 laden wir herzlich zur Einreichung von von empirisch oder theoretisch-konzeptionell ausgerichteten Beitragsvorschlägen ein.
Zum Call for Papers (PDF) »