Querverweis: SINUS-Jugendstudie 2024

13. Juni 2024

Bevor im Herbst die seit 1953 herausgegebene Shell-Jugendstudie in 19. Runde erscheinen wird, ist gestern (12.6.2024) die SINUS-Jugendstudie 2024 erschienen. Während die Shell-Jugendstudie einen Mixed-Methods-Ansatz verfolgt (quantitative Erhebungen und qualitative Interviews), basiert die SINUS-Jugendstudie alleinig auf 72 qualitativen Interviews bei den Jugendlichen zu Hause mit fotografischer Dokumentation der Wohnwelt und schriftlichen »Hausarbeiten« im Vorfeld. Befragt wurden im Sommer 2023 jeweils 24 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren mit und ohne Migrationshintergrund, die entweder einen Hauptschulabschluss, die mittlere Reife oder das Abitur anstreben. Zentrale Forschungsfragen lauteten:

  • Was ist Jugendlichen wichtig im Leben? An welchen Werten und Prinzipien orientieren sie sich?
  • Wie zufrieden sind die Teenager in Deutschland mit ihrem Alltag? Wie gestalten sie ihre Freizeit? Welche kulturellen Vorlieben und Hobbys haben sie?
  • Wie blicken sie in die Zukunft? Wie möchten die Jugendlichen später leben? Welche Hoffnungen, Ängste und Sorgen haben sie?
  • Für welche Themen interessieren sie sich? Welche Vorbilder hat die Jugend heute?

Insgesamt zeigt die Studie (hier als EPUB zum Download) auf, dass sich »die Jugend« in ihren lebensweltlichen Haltungen und Erwartungen nicht auf den einen einfachen Nenner bringen lässt und insgesamt weit weniger unbedarft ist, als das mitunter kolportiert wird. Dies gilt auch für den Umgang mit (sozialen) Medien (102ff.). Einige milieuübergreifende Einsichten:

  • Social Media (insbesondere TikTok, Instagram und YouTube) sind für die 14- bis 17-Jährigen die primäre Quelle für tagesaktuelle Nachrichten, auf die sie dort oft eher zufällig stoßen. Bildungsnahe Jugendliche nutzen auch klassische Nachrichtenkanäle bzw. deren Angebote im Web.
  • »Es ist auffällig, wie häufig die Angebote der ›Tagesschau‹ als zuverlässige Nachrichtenquellen genannt werden. […] Zwar begegnet den Jugendlichen die ›Tagesschau‹ (auch noch) als Nachrichtensendung im Fernsehen, häufiger aber in Form von Instagram- und TikTok-Content […]. Ansprechend sind hier die plattformgerechte und – nach Meinung der Befragten – jugendgerechte Aufmachung der Inhalte sowie die Aktualität der Posts.« (104)
  • Viele der befragten Jugendlichen sind der Meinung, dass Nachrichten auf Social-Media-Plattformen weniger glaubwürdig sind als Nachrichten in klassischen Medien. Sie sind sich der Gefahr von Falschinformationen, Manipulation und Filterblasen im Netz bewusst; einige der Befragten heben indes hervor, dass Social Media nicht pauschal als schlechte Nachrichtenquelle zu bewerten sind, sondern es auf die konkreten Angebote und Kanäle ankommt.
  • Die meisten befragten Jugendlichen sind der Meinung, Fake News im Alltag mit dem »gesunden Menschenverstand« erkennen zu können, so z.B. anhand ihrer wenig professionellen Aufmachung, kritischen User-Kommentaren, dem Veröffentlichungskanal oder fehlenden Quellenangaben.
  • Aber: »Eine kleine Minderheit der Befragten gibt offen zu, dass sie Schwierigkeiten hat, Fake News zu erkennen. Man habe keine Kriterien zur Hand, um Fake News zu identifizieren. Diese Aussage treffen Jugendliche aus politikfernen Lebenswelten wie Konsum-Materialisten und Prekäre, aber auch Adaptive. Diese Befragten vertrauen oft der Schwarmintelligenz, das heißt, sie glauben, dass andere User*innen schon längst etwas unternommen hätten, wenn es sich um Fake News handeln würde.« (108)
  • Wenn Fake News erkannt werden, werden sie in den meisten Fällen ignoriert. Im Zweifelsfall wird nachgegoogelt oder es werden andere Nachrichtenportale konsultiert. Oft werden auch Vertraute (darunter Eltern, Geschwister, Freunde) um ihre Einschätzung gebeten. Nur selten werden Fake News aktiv gemeldet oder kommentiert.
  • Nur wenige nutzen Jugendliche Social Media regelmäßig aktiv und veröffentlichen dort Inhalte: »Viele Jugendliche möchten sich auch nicht exponieren und sich nicht dem Risiko von Hassnachrichten, Verurteilungen und ungewollter Aufmerksamkeit aussetzen. Generelles Desinteresse an Politik ist auch in den sozialen Medien eine Engagementbarriere. Vereinzelt sieht man die Gefahr, mit den eigenen Posts unbeabsichtigt Fake News zu verbreiten. Und nicht zuletzt erlauben sich viele den ›Luxus‹, nicht zu jedem Thema eine Meinung zu haben.« (109)
  • Viele der Befragten haben das Gefühl, zu viel Zeit auf Social-Media-Plattformen zu verbringen: »Ganz grundsätzlich stellen die Jugendlichen fest, dass ›vieles dort nicht guttut‹, ohne dass sie es in jedem Fall klar benennen können. Meist wird die Zeit angesprochen, die man dort verbringt, nicht sofort die Inhalte.« (124) »Die wichtigste Copingstrategie besteht darin, das Handy auszuschalten, wenn man sich nach stundenlangem Scrollen nicht gut fühlt oder mit Inhalten nicht mehr konfrontiert werden will.«