Stewart Brand, seines Zeichens vermittelndes Bindeglied zwischen Hippie- und Cyberkultur, ließ 1984 auf der ersten Hacker-Konferenz in Sausalito (Kalifornien) der allgemeinen Erzählung nach einen folgenschweren Satz fallen, der die Computer- und Internetszene nachhaltig prägen sollte:
»[…] information […] wants to be free […]«.
Zumeist wird diese Passage ohne Auslassungszeichen zitiert, wodurch sie dem Gesamtzusammenhang von Brands originärer Aussage enthoben wird. Sein damaliger Diskussionsbeitrag wird vielerorts (vgl. z.B. Edge, Clarke) wie folgt wiedergegeben:
»On the one hand information wants to be expensive, because it’s so valuable. The right information in the right place just changes your life. On the other hand, information wants to be free, because the cost of getting it out is getting lower and lower all the time. So you have these two fighting against each other.«
Der Physiker und Informatiker Neil Gershenfeld glaubt an die ›dritte digitale Revolution‹ durch 3D-Drucker, weitere Technologien zur dezentralen Herstellung materieller Güter und FabLabs als Orte einer kollaborativen und hochvernetzten digitalen Ökonomie neuen Typs – nicht erst seit der Publikation des Buches »Designing Reality: How to Survive and Thrive in the Third Digital Revolution«, das er jüngst zusammen mit seinen Brüdern veröffentlicht hat, sondern schon seit Mitte der 2000er-Jahre. Seine Argumentation in kompakter Form (Video):
Mit Gershenfelds Kernthesen zur ›dritten digitalen Revolution‹, der dahinter liegenden visionären Logik und den sozialen Funktionen von solchen utopischen Ausführungen haben sich Sascha Dickel und ich bereits in dem Artikel »The Logic of Digital Utopianism« auseinandergesetzt, der sich seit Anfang des Jahres auf SpringerLink kostenfrei abrufen lässt (leider nicht mehr):
»[…] albeit current transformations are characterized less by substitution and resolution than by differentiation and complementarity, the widely acclaimed books and articles on the ›new media‹ of an era (e.g., the early World Wide Web, the so-called ›Web 2.0‹, or presently 3D printing)— literally never focus on incremental or gradual change, but promise fundamental media revolutions that supposedly will shake the very foundations of society. The fact that prior expectations, in their radicalism, were not empirically fulfilled scarcely matters to the prevailing revolutionary rhetoric of the day.
[…] In this respect, the utopias associated with new media technologies can be recast as typical forms of utopian communication. These visions are not primarily technological roadmaps awaiting realization, but rather an expression of a form of public communication that perpetuates the fundamental semantic structures of modern utopianism regarding new media technologies. Furthermore, the universal compatibility of media utopias derives from comprehensive patterns of complexity reduction that parallel the general selection criteria of the mass media […]. The fundamental semantic structures of media utopias combined with these simplification patterns increase their compatibility with many already existing discourses in various socioeconomic and sociocultural fields. […]«
Philipp Staab und Florian Butollo beschäftigen in einer kompakten WISO direkt-Analyse mit der zunehmenden Relevanz chinesischer Technologieunternehmen im sogenannten ›digitalen Kapitalismus‹:
»Jenseits der fortschreitenden, in ihrem Kern digital gestützten, Integration des Binnenmarktes stellt sich in diesem Zusammenhang vor allem die Frage der transnationalen Expansion der BAT-Unternehmen [Baidu, Alibaba, Tencent]. Vor allem Alibaba und Tencent übernehmen für den chinesischen Binnenmarkt wichtige Infrastrukturaufgaben und bilden entscheidende Knotenpunkte eines digitalisierten Modells des Binnenkonsums. Doch liegt im Bereich der globalen Integration chinesischer Unternehmen im Rahmen eines exportgetriebenen Wachstumsmodells ein zweiter bedeutender Aspekt chinesischer Wirtschaftspolitik.
[…] Gleichzeitig ist zu beobachten, wie sich Teile des BAT-Komplexes selbst transnationalisieren. Alle drei Unternehmen sind nicht nur an der New Yorker Börse gelistet, sondern vor allem Alibaba und Tencent sind gerade im Begriff, jenseits ihres Heimatmarktes zu expandieren. Insbesondere die verbliebenen ›neutralen‹ Märkte sind dabei das Ziel der Expansionsbestrebungen – vor allem in Ländern Südostasiens, die hinsichtlich des Entstehens relativ konsumstarker neuer Mittelschichten Ähnlichkeiten mit China aufweisen.«