E-Books in der BRD: Prognosen werden zurückhaltender
5. Juni 2012»Wer von Euch kauft E-Books ?« fragten jüngst die Referierenden ihre Kommilitonen und Kommilitoninnen in einem gut besetzten B.A.-Seminar (Sozialwissenschaften; Alter ca. 19 bis 23 Jahre) – und kaum ein Finger ging hoch. Einige Begründungen aus der Runde für das mangende Kaufinteresse: Die geringen Preisvorteile rechtfertigten keinen Umstieg; E-Books könnten nicht so einfach weitergegeben werden; es bestehe Unklarheit darüber, ob die heute gekauften E-Books mit späteren Gerätegenerationen kompatibel seien; das Gerät an sich müsse beständig gepflegt und aktualisiert werden; das Leseerlebnis unterscheide sich deutlich.
Natürlich entbehrt eine solche Umfrage im kleinen Kreis jeglicher Repräsentativität; die genannten Vorbehalte entsprechen allerdings in weiten Teilen den Ergebnissen einer aktuellen GfK-Befragung von ca. 7000 Privatpersonen in der BRD im Auftrag des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (2012): 72 Prozent (»voll und ganz«: 41%) lehnen es ab, auf einem Display zu lesen; 74 Prozent (»voll und ganz«: 37%) investieren ihr Geld lieber in gedruckte Bücher; 82 Prozent (»voll und ganz«: 55%) finden, dass das Leseerlebnis elektronischer nicht an das gedruckter Bücher heranreicht; und 84 Prozent (»voll und ganz«: 48%) wollen ihre Bücher schlicht zuhause ins Regal stellen.
Einige Spiegel-Überschriften zum Thema E-Books 1999–2009 (Quelle: Spiegel-Archiv)
Entgegen aller Revolutionsrhetoriken (vgl. »Der Stein kommt (langsam) ins Rollen« sowie »Warten auf den Durchbruch«) scheint sich die Nachfrage nach elektronischen Lesematerial hierzulande also in Grenzen zu halten. Dies spiegelt sich auch in den Zahlen des GfK Verbraucherpanels für den Käuferbuchmarkt 2011 wider, weshalb die Prognosen zu den künftigen Umsatzanteilen von E-Books durch die befragten Branchenexperten in der Börsenverein-Studie denn auch deutlich zurückgingen:
- Der Umsatzanteil von E-Books für 2011 wird auf 1 Prozent geschätzt (2010: 0,5%).
- 2011 wurden 4,7 Mio. elektronische Bücher gekauft (2010: ca. 2 Mio. E-Books).
- Der durchschnittliche Preis pro E-Book lag bei 8 Euro (2010: ca. 10 Euro).
- Rund 38 Mio. Euro wurden 2011 mit E-Books umgesetzt (2010: ca. 21 Mio.).
- Im Schnitt rechnen die 2012 befragten Sortimenter mit einem E-Book-Umsatzanteil von 3,5 Prozent für 2015 (2011: 9,2 Prozent).
Zum Vergleich: Der Gesamtumsatz des deutschen Buchhandels lag 2010 bei 9,7 Mrd. Euro. In den USA hingegen machten E-Books bereits 2010 einen Gesamtumsatzanteil von über 6 Prozent aus. Allerdings sollte dabei nicht vergessen werden, dass die Buchindustrie in den USA mit 28 Mrd. Dollar Umsatz bei 310 Mio. Einwohnern (2010) einen anderen Stellenwert einnimmt als hierzulande, zumal der stationäre Handel außerhalb der Großstädte weit weniger flächendeckend ausgebaut ist.
Nicht zuletzt sollte in der Diskussion ein Aspekt deutlicher reflektiert werden, auf den u.a. bereits Simon Hiller (2011) in seinem Vergleich der Musik- und Buchindustrie in der digitalen Ökonomie hingewiesen hat: Bücher werden durch ihre Digitalisierung von Sekundär- zu Tertiärmedien umgeformt, während etwa Musik als Konsumprodukt schon seit jeher ein technisches Abrufgerät voraussetzt: Vom Plattenspieler zum CD-Player und schließlich zum trägermedienbefreiten mp3-Genuss war es insofern ein kleinerer Schritt als vom gedruckten Buch zum neuen Technologie-Set aus E-Books und E-Readern, denn aus der Entkoppelung von Inhalt und ›Abrufinterface‹ resultieren neben einigen Vorteilen eben auch Nachteile in der Nutzung: Während Inkompatibilitäten zwischen den Formaten und rechtlich-regulative Einschränkungen durch künftige Aushandlungsprozesse aus dem Weg geräumt werden können, wird z.B. die prozessuale Mehrfachnutzung – so etwa das Vererben von Büchern oder die langfristige Zugänglichkeit – durch elektronische Bücher in einem grundsätzlichen Maße erschwert.