E-Books: Warten auf den Durchbruch

5. November 2011

Das Branchenmagazin buchreport.express (32/2008: 8–10) prognostizierte im August 2008, dass der Umsatzanteil von E-Books am deutschen Buchmarkt bis 2013 zweistellig ausfallen könnte und Zeit bzw. Spiegel überschrieben ihre Artikel zum Buchmarkt 2008 bzw. 2009 mit Titeln wie »Digitalbuch vor dem Durchbruch«, »Tschüss, Gutenberg«, »Goodbye, Gutenberg« (Spiegel  42/2009: 140) oder »Buchmarkt: Die eVolution« (Spiegel 11/2009: 101). Es ließ sich also der Eindruck gewinnen, dass die Buchindustrie alsbald von einem radikalen Wandel erfasst würde.

Den Kernakteuren der Branche wurde in diesem Kontext wiederholt unterstellt, die mutmaßliche Aufbruchstimmung um digitale Inhalte zu verschlafen: Angesichts der hierzulande auch für E-Book geltenden Buchpreisbindung und eines undurchsichtigen Digital-Rights-Management merkte etwa Andrea Hünniger (2009) in der Zeit an, dass die deutsche Buchbranche »exakt die gleichen Fehler wie die Musikindustrie« mache, weil »Konkurrenzkämpfe und kulturelle Vorurteile verhindern, dass das E-Book sich in Deutschland durchsetzt«, und Oliver Jungen (2009) notierte in der FAZ, dass der Buchsektor aus der »Bruchlandung der Musikindustrie […] nichts gelernt« habe.

Aber sind die beiden Mediensektoren tatsächlich miteinander vergleichbar? Immerhin können gedruckte Bücher als Sekundärmedien ohne technische Hilfsmittel rezipiert werden (und insofern auch bewusst als technikfreie Genussmittel eingesetzt werden), während elektronische Bücher ein Abrufgerät benötigen, das Anschaffungskosten verursacht und eine beständige Grundaufmerksamkeit verlangt (Stromversorgung, Diebstahlvermeidung, Sauberkeit etc.).

Deutschlands bekanntester Wissenschaftsjournalist meint ›ja‹: Wohl auch aus unternehmerischem Eigeninteresse prophezeite Ranga Yogeshwar vor einigen Wochen, dass »der Anteil des Gedruckten [.] künftig bei 20% liegen [wird]«, denn »die Geschichte des Internets ebenso wie die des Fernsehens, der Musikbranche und des Kinos« zeige, dass man nicht glauben sollte, alles bleibe beim Alten.

Und mehr noch (vgl. www.buchreport.de): »Die Kultur der Selfpublishing-Autoren wird allmählich dazu führen, dass im Zuviel des Mittelmäßigen unsere Kultur an Schärfe verliert und im Rauschen untergeht. […] Doch diese Entwicklung ist kein Automatismus. Es liegt an uns diesen Fortschritt aktiv zu gestalten […]« (usw. etc. pp.).

Auf der anderen Seite stellte die FAZ anlässlich der diesjährigen Buchmesse die Frage, »wie sich mit E-Books überhaupt Geld verdienen lässt«, denn es »entsteht im mittlerweile x-ten Jahr, in dem die Branche den nun aber wirklich bald anstehenden Durchbruch der digitalen Bücher herbeiredet, immer mehr der Eindruck, dass man es mit einem Markt zu tun zu hat, der nur existiert, weil es ein Angebot gibt, und nicht, weil die Nachfrage besonders groß wäre.« Aber wie steht es im Herbst 2011 denn nun tatsächlich um das E-Book in Deutschland? Und inwieweit lagen die Vorausschauen der letzten Jahre richtig?

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Zumindest nach den bislang verfügbaren Daten für das erste Halbjahr 2011 (GfK) können E-Books in diesem Jahr nicht den Marktanteil erreichen, der in den zwei referenzierten (vergleichsweise zurückhaltenden) Prognosen vorhergesagt wurde: PWC 2010 (vgl. auch PWC 2011) rechnete mit 1,4 Prozent Marktanteil im belletristischen Bereich und Kirchner+Robrecht schätzte deren Marktanteil 2011 auf ca. 1 Prozent des Gesamtumsatzes im deutschen Buchhandel. Bislang verbreiten sich E-Books demnach langsamer als angenommen und es bleibt abzuwarten, ob sich der gemeine Leser (über die technikbegeisterten Innovatoren hinaus) in den kommenden Jahren von der elektronischen Lektüre begeistern lässt.

Eines scheint schon jetzt sicher zu sein: 2013 werden E-Books hierzulande wohl kaum einen zweistelligen Marktanteil erlangen. Es dürfte ihnen vice versa schon schwer fallen, die durch PWC bzw. K+R prognostizierten 4,1 Prozent zu erreichen, auch wenn E-Books in den USA schon 6 bis 8 Prozent Marktanteil verzeichnen: Der amerikanische Büchermarkt ist aufgrund differenter struktureller und rechtlicher Rahmenbedingungen nicht pauschal dem deutschen Markt vergleichbar – und ebenso wenig sind es die amerikanischen und deutschen Leserinnen bzw. Leser.