Am 26. und 27. Juni 2025 veranstalten die DGS-Sektionen Wissenschafts- und Technikforschung sowie Umwelt- und Nachhaltigkeitssoziologie eine gemeinsame Frühjahrstagung mit dem Titel »Nachhaltige Technik, technisierte Nachhaltigkeit?«. Aus dem Call for Papers (Deadline: 31.1.2025):
Gesellschaft, Technik und Natur sind in der Moderne untrennbar miteinander verwoben. Die Beziehungen zwischen Menschen und ihrer natürlichen Umwelt sind in einem hohen Maß durch Technik vermittelt. Mehr noch: Technik selbst lässt sich als ein Hybrid aus Natur und Gesellschaft beschreiben. Zum einen entsteht Technik aus sozialen Zusammenhängen heraus; zum anderen bilden biophysische Materialitäten und Stoffströme ihre naturbezogene Basis.
Dieses koevolutionäre Verhältnis zeigt sich heute in besonders krisenhafter Weise: Technikinnovationen haben das gesellschaftliche Leben in den letzten 150 Jahren beträchtlich erleichtert. Ihr Einsatz ist aber zugleich verantwortlich für weitreichende Umweltveränderungen und nicht zuletzt auch für den globalen Klimawandel.
Die beschleunigte Entwicklung von Technik und ihre verbreitete Nutzung wird insofern in vielerlei Hinsicht als Treiber für die ökologischen Krisen unserer Zeit eingestuft. Andererseits werden Technikinnovationen unter Bezeichnungen wie »grüne Technologien« aber auch als maßgebliche Lösungselemente auf dem Weg zu nachhaltigeren Wirtschafts- und Gesellschaftsformen angesehen: Nicht nur in unternehmerischen Zusammenhängen, sondern auch in Wissenschaft und Politik wird prospektiven Technologien (z.B. weiterentwickelte künstliche Intelligenz, Kernfusion, »grüner Wasserstoff«, »E-Fuels«) und bereits anwendungsbereiten Techniklösungen (z.B. Elektroautos, Wärmepumpen) das Potenzial zugeschrieben, substanzielle Beiträge zur Bewältigung großer ökologischer Problemlagen leisten zu können. Zugleich stoßen solche als Lösung gerahmte Technologien bei anderen gesellschaftlichen Gruppen und Akteuren auf Skepsis oder gar Ablehnung und sind Gegenstand gesellschaftlicher Konflikte. […]
Mitte Oktober ist die 19. Shell Jugendstudie erschienen. Sie basiert auf standardisierten Interviews mit 2.509 Jugendlichen zwischen 12 bis 25 Jahren, die Anfang 2024 durchgeführt wurden, sowie einer vertiefenden qualitativen Studie mit 20 Jugendlichen. Im ausführlichen Studienband findet sich auch ein Kapitel zum »Leben in der digitalen Informationsgesellschaft« (S. 167–184), das u.a. mit folgenden Einsichten aufwarten kann:
Twenty-first-century Western culture is characterized by profound transformations in its forms of collective organization. While traditional institutions of Western liberal democracies still wield significant political power, new forms of collective agency – most visible in progressive social protest movements, but also in the global rise of populism – have increasingly put pressure on established systems of collective organization. The contributors to this volume explore the social, political, and aesthetic forms that collective agency takes in the twenty-first century across a variety of media, including social platforms such as TikTok, multiplayer video games, and contemporary lyric poetry.
Die sehr lesenswerte Dissertation des Organisations- und Techniksoziologen Moritz Becker ist nun unter dem Titel »Die Praxis der Digitalen Organisation« als Buch erschienen. Aus dem Klappentext:
»Dezentrale Autonome Organisationen (DAOs) sind ein neues Organisationsmodell, das auf der algorithmischen Festschreibung von Regeln in einem blockchainbasierten Softwareprogramm basiert. Ihr Versprechen: Eine alternative Art und Weise des Organisierens zu ermöglichen, die sich durch nichthierarchische (›dezentrale‹) Zusammenarbeit und umfassende technologische Koordination auszeichnet. Als Musterbeispiel der ›Governance durch Algorithmen‹ verdeutlichen DAOs, dass in der digitalisierten Gesellschaft immer häufiger Konstellationen auftreten, in denen algorithmische und menschliche Handlungsmacht aufeinandertreffen. In dem vorliegenden Buch wird vor diesem Hintergrund untersucht, wie algorithmische Governance der eingesetzten Softwareprogramme und die Autonomie menschlicher Handelnder in der Organisationspraxis von DAOs zusammenwirken.«
Die umfangreichen Untersuchungen kommen u.a. zu dem Schluss (Kapitel 10),
»[…] dass sich neue, vermeintlich ›digitale‹ Organisationsmodelle weniger als akzentuierter Bruch mit bisherigen Organisationsformen darstellen, als vielmehr zahlreiche Kontinuitätslinien mit bekannten Formen des Organisierens aufweisen. Dies wird am Fall der DAOs besonders deutlich, die sich anstelle einer klaren ›Maschinenhaftigkeit‹ und algorithmischer, bürokratischer Steuerung vielmehr zwischen derart klassisch ›modernen‹ und ›postmodernen‹ Prinzipien verorten lassen. Ihr wesentliches Charakteristikum besteht gerade darin, diese vermeintlich gegensätzlichen Organisationsprinzipien im Alltag zu vereinen.
[…] Diese Erkenntnisse bergen wichtige Implikationen für verschiedene aktuelle Forschungsdiskurse: Erstens relativieren sie die Versprechen einer Dezentralisierung von Einflusspotentialen und einer zwingenden Regelsetzung, die in der aktuellen Forschungsdiskussion mit DAOs und der Blockchain-Technologie verknüpft werden. […] Zweitens stellen sie erstmals eine soziologische Perspektive auf DAOs als algorithmischer Governance-Technologie bereit. […] Ihr spezifischer Beitrag liegt dabei gerade in der Verbindung einer abstrakten technischen Charakterisierung der Technologie mit empirischen Einsichten zu ihrem Einsatz in Organisationen.«
In der Ära der digitalen Medienkonvergenz hat die ARD/ZDF-Forschungskommission das Richtige getan und die seit Mitte der 1960er-Jahre erhobene Langzeitstudie Massenkommunikation und die seit 1997 erhobene ARD/ZDF-Onlinestudie zusammengelegt. Damit finden sich umfangreiche repräsentative Daten zum Wandel der Mediennutzung in Deutschland künftig gesammelt in der ARD/ZDF-Medienstudie, die vermutlich auch in den kommenden Jahren zum Herbstbeginn publiziert wird. Die Ergebnisse der Studien seit 1997 finden sich im Archiv der angeschlossenen Fachzeitschrift Media Perspektiven.
Die aus Langfristperspektive eher weniger überraschenden Ergebnisse der 2024er-Studie (Erhebungszeitraum: Februar bis Mai 2024) finden sich hier:
Der Band möchte »die Digitalisierung als ›systemische Transformation‹ beschreiben und aufzeigen, inwiefern diese alle institutionellen Systeme der Arbeitsgesellschaft grundlegend und nachhaltig verändern kann« (28). »Durchdringung, Verfügbarmachung und Verselbstständigung stellen die hierfür identifizierten allgemeinen Bewegungsdynamiken dar […], die eine Multi-Dimensionalität des Transformationsprozesses sowie die historisch-soziale Vorbereitung und Einordnung soziotechnischen Wandels berücksichtigen« (564):
»Während die Durchdringung der sozialen Wirklichkeit neue Formen und Intensitäten des Zugriffs auf soziale Prozesse, Menschen und ihre Handlungen sowie eine digitale Allgegenwärtigkeit betont, hebt die Verfügbarmachung die Möglichkeiten des Zugriffs (Zugang, Eigentum, Transparenz, Kontrolle) auf Ressourcen aller Art (Infrastrukturen, Informationen, Dinge, Arbeitskräfte) hervor. Die Verselbstständigung wiederum zielt auf die Tatsache, dass sich durch Digitalisierung Entitäten aus bisherigen Verkoppelungen lösen und unabhängig voneinander werden können. Entscheidend für ein umfassendes Verständnis der digitalen Transformation ist es, diese drei Bewegungsdynamiken nicht als rein technikgetriebene Entwicklungen zu begreifen. Vielmehr werden sie auf unterschiedlichen Ebenen im Zusammenwirken technischer und sozialer Ermöglichung und Begrenzung diskursiv und sozial ausgehandelt und gesellschaftlich bewältigt (vgl. Schrape 2021; Pfeiffer und Schrape 2023). Auch handelt es sich keineswegs um lineare Prozesse, sondern sind mit vielfältigen und auch digitalisierungsspezifisch neuen Widersprüchen und gegenläufigen Dynamiken verbunden.«