Verändert Apple die Gesellschaft?
6. Oktober 2011Mit der Rückkehr von Steve Jobs ist Apple wie Phoenix aus der Asche auferstanden und hat in den letzten 10 Jahren wie kein anderes IT-Unternehmen Innovationen für den Massenmarkt geschaffen. Sicher – Apple hat weder den mp3-Player, das Smartphone oder den Tablet-Computer erfunden, aber Apple hat in all diesen Bereichen Hard- und Software zu alltagstauglichen Technologie-Sets integriert.
Rückblickend lässt sich kaum absehen, ob die schon längst tot geglaubten Tablet-Computer auch ohne die Impulse aus Cupertino irgendwann eine vergleichbare Aufmerksamkeit gefunden hätten, ob die Musikindustrie zusammen mit anderen Plattformanbietern einen Ausweg aus ihrem digitalen Dilemma gefunden hätte oder ob mobiles Internet heute ein so bestimmendes Thema wäre. Relativ sicher lässt sich allerdings zu Protokoll geben, dass Apple die genannten Entwicklungen wesentlich beschleunigen konnte und die strategische Ausrichtung vieler weiterer Unternehmen wie z.B. Amazon (Kindle Fire) mitbestimmt hat.
Die Politik der proprietären Content- und Technologie-Systeme hat zu (berechtigter) Kritik geführt – und eigentlich wirkt es erstaunlich, dass sich die Nutzer in Zeiten von Open-Content und Open-Source auf solche Beschränkungen einlassen. Sie hat aber auch dazu beigetragen, die Verlässlichkeit, Verständlichkeit und Usability der jeweiligen Geräte zu erhöhen: Ich weiß etwa, dass ich auf meinem iPhone nicht jedes Programm ausführen kann oder meine Musik über iTunes synchronisieren muss. Aber ich weiß auch: Mein iPhone funktioniert zuverlässig, intuitiv und zumeist ohne böse Überraschungen. Es funktioniert einfach – so wie mein Fernseher oder mein Toaster. Und das ist ein Versprechen, das (mobile) Computer und Smartphones zwar schon lange mit sich tragen, vor den iGadgets aber nur selten so umfassend eingelöst wurde.
Zweifellos hat Apple also für die Nutzer die Effizienz im Informationsabruf und der medienvermittelten Kommunikation erhöht. Inwieweit das die Gesellschaft jenseits von Beschleunigung verändert, ist eine viel diskutierte Frage, die noch längst nicht abschließend beantwortet werden kann. Das aber ist auch nur die eine Seite.
Die andere Seite besteht trotz ihres proprietären Charakters in der Offenheit der App-Stores für das iPhone bzw. iPad: Jeder private oder semi-professionelle Software-Entwickler kann hier Applikationen einbringen, solange sie von Apple nicht als bedenklich eingestuft werden, und er kann damit auch Geld verdienen. Zwar werden 30 Prozent des Umsatzes von Apple einbehalten, dafür aber profitiert jeder Anbieter von dem Marktumfeld des Apple App-Stores, in dem einzig die Nutzer durch ihre Bewertungen, Downloads und Käufe die Sichtbarkeit der jeweiligen Applikation bestimmen: Sobald ein Programm den entsprechenden Zuspruch der User-Gemeinde erhält, wird es in den entsprechenden Kategorien höher gelistet und kann auf die Frontseiten oder sogar in die Overall-Top-10 der Stores gelangen (z.B. Wikihood).
Damit hat Apple ein Modell vorgelegt bzw. in ein Technologie-Set integriert, dass die Wahrscheinlichkeit für Innovationen und deren Sichtbarkeit erhöht: Um in den Apple App-Stores erfolgreich zu sein, benötigt der Erfinder (lediglich !?) eine gute Idee und die Fähigkeit zur Umsetzung – keine branchenzentralen Kontakte, keine Marketing-Abteilung und auch keine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. Und wenn seine Idee den Zahn der Zeit trifft, dann erhält er dafür nicht nur Anerkennung und Aufmerksamkeit, sondern eben auch ein mitunter beträchtliches Nebeneinkommen (eine motivationale Komponente, die nicht zu vernachlässigen ist). Ohne die Apple App-Stores (und ihre Überträge durch andere Anbieter) wäre seine innovative Applikation auf irgendeiner Website veröffentlicht und vielleicht noch bei den entsprechenden Sammelportalen für entsprechend interessierte Technikfreaks aufgelistet worden. In den App-Stores hingegen konkurrieren etablierte und neue Anbieter auf Augenhöhe.
In anderen Bereichen hat das nie so richtig funktioniert: Social-News und Blog-Portale wurden abgesehen von spezifischen Teilöffentlichkeiten z.B. kaum angenommen und alternative Shopping-Anbieter sind noch immer ein Randphänomen. Ein Grund hierfür könnte sein, dass diese Angebote nicht auf einer zentralen Plattform mit bereits bekannten Produzenten konkurrieren, sondern in den Nischen des Netzes verweilen. Die Architektur der Apple-Stores hingegen begünstigt das Auffinden neuer Apps und macht in der Präsentation keinen Unterschied zwischen bekannten und unbekannten Namen. Allenfalls Hobby-Autoren finden auf Amazon ein vergleichbares Umfeld.
Aus dieser Perspektive hat Apple durchaus etwas in der Gesellschaft verändert: Durch die App-Stores für das iPhone bzw. iPad hat sich zumindest im Software-Bereich der Pool an Innovationen und Variationen drastisch erhöht und die Wahrscheinlichkeit für deren ›bottom-up‹-Verbreitung ist angestiegen. Selbstredend setzen sich von diesen Angeboten nur wenige Apps langfristig und übergreifend durch, darüber aber entscheiden (nach der Eingangskontrolle) einzig die Nutzer. Es wäre einerseits ein schöne Utopie, wenn sich dieses Modell auf den journalistischen Bereich übertragen ließe und Blogger, freie Autoren sowie etablierte massenmediale Anbieter auf einer Plattform auf Augenhöhe konkurrierten. Andererseits aber wäre es auch eine apokalyptische Vorstellung, denn in den App-Stores verfügt selbstredend einzig Apple über das Hausrecht, das hin und wieder recht drastisch zur Anwendung kommt.