Apple: »Eine Art DDR der Technologie« (Lobo)?

13. März 2011

Kolumnen sollen zuspitzen und polarisieren – so gesehen ist der Blogger und Werbetexter Sascha Lobo mit seinem Kolumnenfenster auf Spiegel Online auf dem richtigen Weg. Sich jede Woche etwas Neues aus den Fingern saugen zu müssen, führt allerdings auch hin und wieder zu Übertaktungen wie in seinem aktuellen Beitrag, in dem er Steve Jobs zwischen den Zeilen als einen internet- und computerökonomischen Darth Vader umschreibt, der »in unendlicher Arroganz« ein »dunkles Reich« erschafft:

»Steve Jobs beherrscht mediale Inszenierungen abstoßend gut, “Click, Boom, Amazing!”. Eigentlich ist Apple eine PR-Agentur mit angeschlossenem Merchandising. Dabei prägt Apple das Post-PC-Zeitalter wie keine andere Firma, spielt aber unfair und dekretiert digitaldiktatorisch die Deal-Regeln. […] Apples Walled Garden, das geschlossene, digitale Reich von Steve Jobs, ist eine Art DDR der Technologie, das für echte und vermeintliche Sicherheit einen entscheidenden Teil der Freiheit aufgibt.«

Wie vermutlich von seinem Brötchengeber erhofft, haben diese Aussagen eine hitzige Diskussion im Spiegel Forum hervorgerufen. So gab z.B. ein Leser zu Protokoll, der Artikel sei von »Neid und von Unverstand« sowie  »von blamabler Unkenntnis des menschenverachtenden DDR-Systems« geprägt.

Apple

Und tatsächlich gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem ehemaligen zweiten deutschen Staat und den Produktwelten von Apple oder auch Google: Sie sind nicht durch Gewaltherrschaft, Diktatur oder Unterdrückung marktdominant geworden, sondern durch mehr und mehr Konsumenten, die sich für die jeweilige Hard- und Software entschieden haben und sich augenscheinlich von den entsprechenden Mehr- und Nutzwerten überzeugen ließen.

Daraus folgt, dass Monopolstellungen im Technologiebereich flüchtig bleiben, denn sie basieren auf dem Vertrauen der Nutzer, die auf Dienstleister wie Google oder Apple-Produkte zurückgreifen, weil diese aus ihrer Sicht effektiver Komplexität reduzieren können als andere Angebote. Sollte dieses Vertrauen erodieren, etwa weil andere Dienste oder Produkte bessere Ergebnisse liefern oder noch unkompliziertere Anwendungsmöglichkeiten bieten, werden Unternehmen wie Apple oder Google ihren Einfluss zügig wieder verlieren. Den Konsumenten steht es frei, ihr Geld für andere Produkte auszugeben oder im Netz andere Anbieter anzusteuern – und daher kann der Vergleich zwischen Apple und der DDR trotz aller Eingängigkeit schlichtweg als verfehlt eingestuft werden.

Die markigen Worte lenken vielmehr ab von einer anderen in Lobos Kolumne angeschlagenen Thematik, nämlich dem zunehmenden gesellschaftsprägenden Charakter von Soft- und Hardware bzw. Informations- und Kommunikationstechnik i.A. Zu diesem Thema liegt ein fundierter Artikel von Orwat, Werle et al. vor, der sich deutlich unaufgeregter mit dem Beobachtungsgegenstand beschäftigt, also mit »Software als Institution«, die zunehmend nicht nur das individuelle Verhalten sondern auch die zwischenmenschliche Interaktion bestimmt. (Korrigiert 13.3., 22.20 Uhr)