Literaturhinweis: Causa Guttenberg – was bleibt?

8. Februar 2012

Vor rund einem Jahr stieß der Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano im Zuge einer Rezension auf die ersten plagiierten Stellen in K.T. zu Guttenbergs Doktorarbeit und trat damit einen der größten Skandale der letzten Jahre los (SZ-Artikel vom 16.2.2011). Danach folgte ein weitläufiger Medienrummel, das GuttenPlag-Wiki (vgl.: »Wer steckte dahinter?«) und eine rasche (wissenschafts-)politische Flurbereinigung: Am 23. Februar wurde zu Guttenberg der Doktorgrad entzogen; am ersten März trat zu Guttenberg als Verteidigungsminister zurück.

Welche Konsequenzen aber wurden aus der Causa Guttenberg gezogen? Hat die Wissenschaft an politischer Macht zurückgewonnen? Werden wissenschaftlich-politisch-wirtschaftliche Verquickungen nun berechtigterweise wieder mit Argusaugen beobachtet? Haben Universitäten und Hochschulen gar an Autonomie gewonnen? Mit all diesen Fragen befasst sich (der in der Affaire zentrale) Fischer-Lescano am Beispiel der Rechtswissenschaften in einem Artikel, der kürzlich in den Blättern für deutsche und internationale Politik erschienen ist.

 Nachfolgend einige Kernpunkte:

  • Fischer-Lescano nennt Beispiele von offensichtlichen Interessenverflechtungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bzw. Politik, darunter auch das von Google finanzierte Berliner Institut für Internet und Gesellschaft»Genügt der Hinweis auf die formale Ausgestaltung der Verträge, um den informalen Abhängigkeiten und Denkdisziplinierungen zu begegnen? Macht nicht schon die Organisation eines Wissenschaftsinstituts in Form einer Kapitalgesellschaft deutlich, dass die Wissenschaft hier zum Merchandisinginstrument umfunktioniert wird?«.
  • Überdies erkennt er (in den Rechtswissenschaften) ein »Ende des Pluralismus«: »Peer Review-Verfahren und Exzellenzambitionen vertragen sich nur schwer mit intellektueller Grenzgängerei. Kritische Kolleginnen und Kollegen werden früh aussortiert, marginalisiert und als Outlaws exkludiert. […] Wissenschaftsfreiheit, überspitzt formuliert, ist die Pluralisierung der Unfreiheit und die dadurch ermöglichte Wahlfreiheit. Die Sozialkontakte der Wissenschaft dürfen, richtet man sich an diesem Autonomiebegriff aus, nicht bei den wirtschaftlichen und politischen Entscheidungszentren monopolisiert werden. Die Rechtswissenschaft muss auch zu anderen Funktionssystemen, zu sozialen Bewegungen, zu NGOs und zu den zivilgesellschaftlichen Akteuren Kontakte halten.«
  • Peter-Alexis Albrechts (2009) Aussage, dass sich die »realen Auswirkungen der wissenschaftlichen Austrocknung des Gesamtsystems Wissenschaft und Universität [..] insgesamt erst in zwei oder drei Jahrzehnten zeigen« werden, hält Fischer-Lescano mittlerweile für »zu optimistisch« und beschreibt die »Plagiatsaffäre [als einen] Baustein postdemokratischer Desillusionierung, in der Politik nur noch der äußeren Form nach demokratisch betrieben wird«, das »Dissertationswesen [.] zur Mehrung des politischen Reputationskapitals ausgebeutet« und Plagiierung als »Jedermann-Schummeln oder neuer Oxford-Style verharmlost« wird. Sein Schlusswort: »Die Dekadenz, wie sie im Umgang mit der Plagiatsaffäre sichtbar zu Tage getreten ist, verrät Wissenschaft und Demokratie […]«.


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