Web vs. Massenmedien: Zurück zum Kaffeehaus?

28. Juli 2011

Tom Standage – um historische Vergleiche nie verlegen, wie schon sein Buch »Das viktorianische Internet« (1999, NZZ-Rezension) zeigt – hat diesen Monat in The Economist eine sehr lesenswerte Artikelserie zum Verhältnis von Internet und Print- bzw. Massenmedien veröffentlicht. Seine Kernthese lautet: Nach einer Phase der Massenmedien und des Gatekeeper-Journalismus bewegen wir uns nun durch Social Media im Web seit einigen Jahren wieder in die Richtung einer liberalen und partizipativen »Kaffeehaus«-Öffentlichkeit, ähnlich wie sie Richard Sennett für das Ancient Régime beschrieben hat. Und das heisst: »News is becoming a social medium again, as it was until the early 19th century—only more so«.

kaffeehaus internet

Quelle: http://www.oeaw.ac.at (verlinkt)

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EPIC 2015: Vision und Realität

19. Juli 2011

»Das Internet macht vielleicht doch nicht dumm« überschreibt Die Zeit einen Artikel zu den Ergebnissen einer aktuellen Studie der Columbia UniversityGoogle Effects on Memory«): In der Untersuchung stellte sich heraus, dass sich die Probanden »besser an den Ort erinnern konnten, an dem die Information zu finden ist, als an die Information selbst«. Daraus leiten die Autoren (Sparrow/Wegener) die Vermutung ab, dass das Web als externes Gedächtnis dienen kann.

Ob das Web als Erweiterung des Gehirns wirkt, hängt allerdings wesentlich auch davon ab, über welche Bewertungs- und Selektionskompetenzen der jeweilige Onliner verfügt bzw. aus welchen Gründen heraus er ins Netz geht. Oder um es in den Worten eines netzbekannten fiktiven Rückblick-Kurzfilms zu sagen:

»Bestenfalls ist [das Netz] für seine klügsten Nutzer einer Zusammenfassung der Welt, tiefer umfassender und nuancierter als alles vorher Erhältliche, aber Schlimmstenfalls ist [es] für allzu viele Menschen lediglich eine Ansammlung von Belanglosigkeiten […].«

Dieser Ausschnitt stammt aus der imaginären filmischen Rückschau EPIC 2015, der als Projekt eines ebenfalls erfundenen Museum of Media History die Geschichte des Internet von 1989 bis 2015 nachzeichnet und im Jahr 2004 veröffentlicht wurde. Er beschreibt, wie sich das Netz unter der Vorherrschaft einer damals angenommenen Allianz von Google und Amazon zu einem automatisierten Evolving Personalized Information System entwickelt, das »für jeden ein Content-Paket zusammen[stellt], das seine Vorlieben, seine Konsumgewohnheiten, seine Interessen, seine demografischen Faktoren und seine sozialen Bindungen nutzt« – ein individuelles externes Gedächtnis also, das alle gewünschten Informationen auf dem silbernen Tablet(t) serviert:

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Heute ist die Zukunft von gestern — Teil V

12. Juli 2011

Schon aufgrund der Vielzahl an ineinander wirkenden Variablen bleiben die langfristigen soziokulturellen Folgen neuer kommunikationstechnischer Entwicklungen kaum abschätzbar, auch wenn sich hin und wieder aus der Vielzahl an Zukunftserwartungen eindrucksvolle Zufallstreffer herausfiltern lassen (vgl. auch »Heute ist die Zukunft von Gestern« Teil I, II, III und VI).

Ein besonders eindrückliches Beispiel sind einige Vorhersagen aus dem Buch »The Information Machines: Their Impact on Men and the Media« (1971) des Journalisten Ben Haig Bagdikian, der im selben Jahr im Kontext der Veröffentlichung geheimer Pentagon-Papiere zum Vietnam-Krieg einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde und später die Bestseller Media Monopoly und New Media Monopoly veröffentlichte. Das Buch selbst ist heute kaum mehr zu bekommen, aber aus einem Spiegel-Artikel (1972) lassen sich seine Kernthesen extrahieren. So prognostizierte Bagdikian z.B.:

»Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wird eine neue Technologie mehr tägliche Informationen unter mehr Menschen streuen können als je zuvor in der Weltgeschichte.«

Quelle: Spiegel 1972

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Splitter: Umsatzanteile nach Vertriebswegen im deutschen Buchhandel 2005-2010

8. Juli 2011

Update: Aktuelle Zahlen

Der Börsenverein des deutschen Buchhandels hat heute die geschätzten Umsätze buchhändlerischer Betriebe nach Vertriebswegen zu Endverbraucherpreisen für das Jahr 2010 veröffentlicht (und sie entsprechen weitgehend den in Gutenberg-Galaxis Reloaded? formulierten Erwartungen): In der Langfristbetrachtung zeigt sich, dass der Anteil des stationären Buchhandels am Gesamtumsatz seit 2005 kontinuierlich, aber keineswegs erosionsartig abnimmt, der Anteil des direkten Verlagsbuchhandels stabil bleibt und die Relevanz des Online-Buchhandels sukzessive zunimmt. Clubs bzw. Buchgemeinschaften und der klassische Versandhandel spielen hingegen schon seit einigen Jahren kaum mehr eine Rolle.

umsatze_vertriebswege_buchhandel

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New Web Social-ism: Google+

6. Juli 2011

Geht es nach den führenden Web-Unternehmen, gehören selbstständige Exkursionen in die Tiefen des Netzes in einigen Jahren der Vergangenheit an und unser Online-Erlebnis wird maßgeblich durch eine durchgestylte All-in-One-Plattform bestimmt, die uns sowohl die Individualkommunikation in allen erdenklichen Formen, aber auch die alltägliche Medienrezeption durch allseits verständliche Personalisierungsoptionen in der Datenzulieferung erleichtert.

Und trotz aller Bedenken derer, die sich selbst einer intellektuellen Onliner-Elite zuordnen (Stichworte: Datenschutz, Monopolisierung, Verprivatwirtschaftlichung): Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches komplexitätsreduktives Angebot auf breites Interesse stösst, scheint gemessen an aktuellen Eurostat-Erhebungsdaten zu den Internet-Kenntnissen der europäischen Bevölkerung durchaus hoch zu sein: Auch 2010 verfügten z.B. in der BRD nur 8 Prozent der Befragten über ein hohes Online-Kompetenzniveau und 41 Prozent machten im Netz nicht vielmehr als E-Mails versenden und Suchmaschinen bedienen. Es bleibt also augenscheinlich lediglich die Frage offen, welches Unternehmen dieses All-in-One-Portal betreiben wird, und die Abstimmung um diese schöne neue Online-Welt erfolgt per Klick…

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